Nein zum „SOG-MV“!
So ein Bundesland hat es wirklich nicht leicht, wenn es seine Bürger beschützen will. Gefahren und Bedrohungen überall, und praktisch Jede/r hat das Zeug zur/m Verdächtigen. Wirklich jede/r? Das ist ja nun echt übertrieben. Oder doch nicht? Sieht ganz so aus.
Dem Landtag von Mecklenburg-Vorpommern liegt derzeit eine Neufassung des „Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz – SOG M-V)“ zur Diskussion und Beschlussfassung vor, die in informierten Kreisen beachtliches Aufsehen erregt, denn die vorgesehenen Neuregelungen und Erweiterungen polizeilicher Befugnisse unter Missachtung von Grundrechten der Bürger im demokratisch verfassten Rechtsstaat lässt für die Zukunft nichts Gutes ahnen.
Das Ganze findet doch überraschend wenig öffentliche Beachtung, schon merkwürdig. Aber wie kommt das?
Stell dir vor, du willst einen umstrittenen Gesetzentwurf durch das Parlament peitschen, ohne dass es „der Souverän“ (aka: „das Volk“) bemerkt oder gar dagegen aufbegehrt, es findet aber dummerweise gerade keine Fußball-WM statt, die die öffentliche Wahrnehmung vollständig auf sich zieht, oder es spielen nur die Frauen. Dankenswerter Weise gab unlängst ein wahrer Meister seines Faches einen kleinen Einblick in seine Trickkiste.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf dem Treffen der Innenminister zum Thema „Wehrhafte Demokratie“ (Quelle: ARD, Bericht aus Berlin, 6. Juni 2019) über das neue „Datenaustauschgesetz“ (Hervorhebungen von mir):
„… Ganz stillschweigend eingebracht. Wahrscheinlich deshalb stillschweigend, weil es kompliziert ist, das erregt nicht so. Ich hab‘ jetzt die Erfahrung gemacht in den letzten 15 Monaten: Man muss Gesetze kompliziert machen. … Dann fällt das nicht so auf. Wir machen nichts Illegales, wir machen Notwendiges. Aber auch Notwendiges wird ja oft unzulässig in Frage gestellt.“
Ausführlichere Informationen zum Stand der Dinge in unserem Bundesland stellt das überparteiliche Bündnis „SOGenannte Sicherheit“ auf seiner Homepage zur Verfügung, wobei die Lektüre insbesondere für interessierte BürgerInnen (wie zum Beispiel mich), die nicht in juristischen Berufen arbeiten,zu empfehlen ist – Willkommen im rechtsstaatlichen Gruselkabinett.
Einen kleinen Vorgeschmack darauf, wohin die Reise geht, lieferte unlängst schon die verstörende Diskussion um das Sicherheitskonzept des Fusion-Festivals
Auch regelmäßige Besucher von Fußballspielen, zum Beispiel, können ein Lied davon singen, wie einfach es ist, sich verdächtig zu machen. Man muss sich nur die Einlasskontrollen vor Augen führen, die oftmals schärfer empfunden werden als beim Antritt einer Flugreise. Auch individuelle Anreise zum Auswärtsspiel abseits großer Fangruppen, die gern von ganzen Polizeihundertschaften begleitet oder in Empfang genommen werden, schreit ja förmlich danach, genauer begutachtet zu werden. Verdachtsunabhängige Personenkontrolle heißt das dann in der Fachsprache, wobei die Kontrollierten im Regelfall nicht mal erfahren, wessen sie nicht verdächtigt werden. Sollen sie sich nicht so anstellen, wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten! Aber wie allgemein bekannt ist, fahren sowieso nur Chaoten zu den Spielen, irgendwie ist da schon was dran, geschieht denen ganz recht. Man kann ja nicht vorsichtig genug sein.
Damit nicht unser ganzes Leben nach und nach ein einziges Auswärtsspiel wird, ist es wichtig, Öffentlichkeit herzustellen und sich zu informieren.
Gelegenheit dazu gibt es am Sonntag, dem 16. Juni 2019. Um 12 Uhr beginnt vor dem Schweriner Hauptbahnhof eine vom oben genannten Bündnis organisierte Demonstration mit abschließender Kundgebung vor der Staatskanzlei statt. Im Anschluss bietet der Tag der offenen Tür im Schweriner Landtag die Möglichkeit, vielleicht auch mit der/dem einen oder anderen Landtagsabgeordneten zum Thema ins Gespräch zu kommen.
Weitere Lesetipps zum Thema:
https://blau-weiss-rote-hilfe.de/geheimniskraemerei-beendet-sog-m-v-gesetzestext-geleakt/
Ich möchte diesen Beitrag ausdrücklich nicht als Polizei-Bashing a la „ACAB“ verstanden wissen. Zu einem funktionierenden demokratischen Gemeinwesen gehört natürlich eine rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichtete Exekutive, deren Akteure nicht außerhalb der Gesetze nach eigenem Gutdünken willkürlich handeln, ohne dass dies Konsequenzen hätte. Und genau deshalb ist es sehr wichtig, dass Gesetzentwürfe wie das „SOG-MV“ witerhin von einer kritischen Öffentlichkeit aufmerksam begleitet werden.