MKS Czarni Żagań – KS Stilon Gorzów 2:1, 17. Mai 2023, Stadion OSIR Żagań (PL), „Bezirkspokal“*, Halbfinale
*Polen ist territorial in 16 Verwaltungsbezirke (Wojewodschaften) untergliedert. Der Wettbewerb ist also vergleichbar mit dem Landespokal in Deutschland. Żagań ist die drittgrößte Stadt (ca. 25000 Einwohner) im Województwo Lubuskie (dt.: Lebus). Der örtliche Verein Czarni spielt in der 6. Liga und begrüßt im Halbfinale des Wojewodschaftspokals die Mannschaft von Stilon Gorzów (3. Liga), ein vielversprechendes Duell aus der Rubrik „David gegen Goliath“, hoffentlich mit vielen Fans und mit der sagenumwobenen polnischen Atmosphäre.
Das „sagenumwoben“ betrifft in erster Linie meine Perspektive (Was hat „man“ nicht schon alles gehört?), es ist mein erster Fußballbesuch in Polen überhaupt: Yeah! Neuer LÄNDERPUNKT! Heute bin ich zwar, wie immer, der mit Abstand Älteste unserer Crew, zugleich aber auch der „Rookie“. Das Lernen hört nie auf.
Während meiner Schulzeit, Ende der 70er Jahre, war ich zweimal zu Sportwettkämpfen in Polen, aus der Zeit sind mir noch ein paar essenzielle Vokabeln in Erinnerung geblieben, was sich als nützlich erweist, als ich beim kurzen Restaurantbesuch in Żary siegessicher meine Getränkebestellung aufgebe: „Prosze o jedno piwo.“ Die wirklich wichtigen Dinge im Leben verlernt man nie. Mit dem Rest hilft die landeskundlich erfahrene Jugend. Dziekuje bardzo! (Das wusste ich noch.)
Die insgesamt sehr entspannte Anreise endet gleichbleibend entspannt in einer ruhig gelegenen Siedlung, noch in unmittelbarer Stadionnähe deutet nichts auf dessen Existenz oder gar das bevorstehende Spiel hin. Selbst die Polizei ist mit nur einem Streifenwagen an der Kreuzung vor dem Stadioneingang präsent, tritt aber nicht aktiv in Erscheinung.
Auf dem Weg zum Einlass und auch dort interessiert sich niemand für uns, obwohl man uns das „Fremdsein“ natürlich von weitem ansieht, wo wäre das nicht so? Keine Späher patrouillieren durch die Gegend, es warten keine „Sportler“ auf Gleichgesinnte. Wenn wir Interesse an „Action“ hätten, müssten wir diese wohl selbst starten. Das ist nicht mehr „mein“ (eingebildetes) Polen.
Weiterhin völlig unbeachtet betreten wir (einzeln, natürlich! 😀 ) durch ein wunderschönes Drehkreuz das Stadion. Wir finden uns wieder in einem herrlich altmodischen Talkessel, in den Hang auf der linken Seite wurden Betonstufen eingelassen und Sitzschalen (ich schätze, es sind um die 300 Plätze) montiert. Viele Besucher schauen im Stehen vom oberen Hang aus zu.
Fußballgucken nach ganz alter Schule. Es gibt keinerlei Versorgungsmöglichkeiten, kein Merch, Getränke und Popcorn werden von zu Hause mitgebracht. Ja, Popcorn! Wenigstens denkt jemand an die Kinder. 😀
, im Gästeblock stehen nur wenige (bestenfalls 10) Besucher, diese treten akustisch nicht in Erscheinung, nur ganz kurz beim Führungstor sind sie zu hören. Ansonsten gibt ihnen ihre Mannschaft auch wenig Anlass zur Eskalation. Aber wenigstens sind sie da. Mir ist nicht bekannt, ob nach „Vorfällen“ bei einem vorangegangenen Spiel von Stilon die „Szene“ aus eigenem Antrieb auf die Anreise zu diesem Spiel verzichtet hat. Gerüchten zufolge soll wohl ein Gäste-Ausschluss im Raum gestanden haben. Nie wiem.
Keinen akustischen „Support“ liefert auch die Heimseite, das wäre mit zahlenmäßig nennenswertem Gästeanhang vielleicht nicht so gewesen. Dafür erklingt die auch auf unseren Amateurplätzen übliche, gepflegte Pöbelei, auch für Besucher, die nicht Polnisch als Muttersprache haben, leicht zu erkennen am inflationären Gebrauch des Universalschimpfwortes „kurwa“ durch Anwesende jeder Altersgruppe.
Der „Underdog“ liefert dem Favoriten ein beherztes Spiel mit großem Einsatz, dreht mit Kampfgeist nach anfänglichem 0:1-Rückstand das Spiel und gewinnt dank eines blitzsauber herausgespielten Kontertores kurz vor dem Ende mit 2:1. Nach dem umjubelten Schlusspfiff feiern Spieler und Fans gemeinsam mit einer Art „Uffta“, wobei ein Spieler in die Vorsängerrolle schlüpft. Ein Megaphon braucht er dafür nicht.
Fazit: Atmosphärisch konnte das Spiel unseren Erwartungen leider nicht gerecht werden, aber die wunderbar altmodische Stadionschüssel, noch dazu mit Vintage-Drehkreuz am Einlass, ist allein den Besuch wert. Bewegte Bilder vom Spiel (Zusammenfassung), einschließlich der „Uffta“, findet ihr hier (YouTube) und natürlich bei „Knödel on Tour“:
P.S. Im Finale unterlag Czarni am 8. Juni 2023 gegen Carina Gubin mit 0:5.