Bruce Springsteen & The E Street Band World Tour 2023
Hamburg, Volksparkstadion, 15. Juli 2023
The Promise
We’ll be seeing you“. Das waren exakt die Worte, mit denen sich Bruce Springsteen am 16. Juli 2016 in Rom von mir und ein paar anderen Leuten, die auch gerade den Circus Maximus bevölkerten, verabschiedete, bevor er die Bühne verließ. Heute, als ich diesen Text beginne, sind auf den Tag genau sieben Jahre vergangen, und was soll ich sagen? Tatsächlich nehme ich am frühen Abend des 15. Juli meinen Platz in Block 7A auf der Osttribüne im Volksparkstadion ein und erwarte voller Vorfreude die Einlösung des „Versprechens von Rom“. In sieben Jahren kann einiges passieren, vieles von dem, was geschah, im Großen wie im Kleinen, lässt es noch unglaublicher erscheinen, dass ich wirklich hier bin. Aber ich bin es, und das zählt.
Wie bei meinen Fußballtouren bewährt es sich, nicht erst am Veranstaltungstag anzureisen. Das verringert den Druck bei etwaigen Störungen, die man bei „punktgenauer Ankunft“ überhaupt nicht gebrauchen kann. Und es hilft, mit der unvertrauten Umgebung „warmzuwerden“ und gleich noch etwas zu unternehmen. In meinem Fall ist das gern lokaler Fußball, bevorzugt in unteren Spielklassen, heute Altona 93 II. gegen FK Nikola Tesla in der Sportanlage Baurstraße. Als hilfreich erweist sich meine ortskundige Begleitung, allein hätte ich das nie gefunden.
Mein Hotel erweist sich als sehr solide, es verfügt über eine gute ÖPNV-Anbindung (U-Bahnstation in Sichtweite) und eine relativ ruhige Lage trotz beachtlichen Straßenverkehrsaufkommens. So verbrachte ich eine äußerst entspannte Nacht und konnte ausgeruht in den großen Tag starten.
Tramps like us
Die Zeit vom Mittag bis zum Stadioneinlass verbrachte ich in der netten Gesellschaft von Sori, einer Mit-Bloggerin, die schon seit Jahren die große, weltweite Schar der Tramps bereichert, Springsteen-Shows in verschiedenen Ländern (auf San Siro bin ich ein bisschen „neidisch“) erlebt und darüber berichtet hat. Wir kennen uns schon eine ganze Weile aus der „Blogosphäre“ und nun konnten wir die günstige Gelegenheit für ein persönliches Treffen nutzen.
Es macht Spaß, sich mit Gleichgesinnten über das gemeinsame Hobby auszutauschen, der Vorrat an Themen rund um Bruce, seine Musik und die E Street Band ist ja praktisch unerschöpflich.
Für eine kleine Stärkung ließen wir uns im „Alten Mädchen“ in den Schanzenhöfen nieder. Als gestandener „Boomer“ war ich mit der Online-Bestellung mittels QR-Codes hoffnungslos überfordert, die Bezahlung wollte einfach nicht funktionieren. Nur Sori ist es zu verdanken, dass ich nicht verhungern musste.
Gemeinsam fuhren wir danach mit der S-Bahn nach Stellingen, was wegen des großen Andrangs erst im dritten Anlauf klappte, da alle Bahnen mit dem näher rückenden Konzertbeginn restlos mit Menschen gefüllt waren. Alles ging am Ende gut, wir waren rechtzeitig vor Ort, nach einem schnellen Blick auf das Tour-Merchandise mussten sich leider unsere Wege trennen, da sich unsere Plätze auf entgegengesetzten Tribünen befanden. Über die Musik blieben wir ja doch irgendwie verbunden.
I’m on fire
Um es vorwegzunehmen, dieser Song stand nicht auf der Setlist, obwohl ihn sich bestimmt nicht wenige Fans gewünscht hatten, was natürlich auch für andere Lieder gelten dürfte. Aber der Songtitel beschreibt in wenigen Worten die Atmosphäre im Stadion, wie ich sie empfand, und nicht nur das. Auf dem Weg zur S-Bahn nach dem Konzert spielte ein mobiler „DJ“ vor einem Tunnel Springsteen-Songs, und gerade in dem Moment, als ich in einer großen Gruppe hindurch ging, erklang dieses Lied, lautstark und textsicher von allen mitgesungen, ein würdiges Finale für diesen Abend.
„On fire“ war das Publikum schon lange, bevor die Band auf der Bühne erschien. In froher Erwartung des Kommenden wurde schon mal der gemeinsame Gesang aus BADLANDS „geprobt“, mehrfach startete „la ola“, die vom Fußball bekannte Welle, die zwar nicht die komplette Stadionrunde schaffte, aber bei jedem weiteren Versuch mehr Resonanz fand. Vielleicht hätte die Show doch etwas später beginnen sollen? (Rhetorische Frage)
Nein, 19 Uhr steht auf der Eintrittskarte, und tatsächlich beziehen sogar ein paar Minuten „zu früh“ die Bandmitglieder ihre Bühnenpositionen und die Show nimmt ihren Lauf. Dass es so auf den Punkt läuft, ist bei einem Event dieser Größenordnung nicht selbstverständlich, aber die von mir besuchten Springsteen-Konzerte zeichneten sich immer durch relativ hohe „Planerfüllung“ aus, vielleicht mal 30 Minuten Verspätung betrachte ich dabei durchaus noch als annehmbar.
Ich habe von meinem Platz eine gute Sicht auf die Gesamtszene, für Details müssen jetzt die Videoscreens reichen. Dem Konzerterlebnis tut das keinen Abbruch, nur die Fotoqualität ist weiter vorn schon besser, klar. Nach den aufgeregten Debatten während des Ticketverkaufes kann ich nun endgültig feststellen: Auch außerhalb „Front of stage“ ist es möglich, eine Show nicht nur zu genießen, sondern aktiver Teil davon zu sein, sogar auf den Sitzplätzen.
Was waren nun „meine“ persönlichen Momente?
- Bruces berührende Worte der Erinnerung für seinen Jugendfreund George Theiss, der ihn einst zu The Castiles holte, vor LAST MAN STANDING in Kombination mit BACKSTREETS.
- Überhaupt folgte das Set einer beeindruckenden Dramaturgie, die sowohl Raum bot für kollektives Feiern und „Ausrasten“ wie auch für nachdenkliches Innehalten und gelungene Übergänge zwischen beiden Polen, einschließlich der tollen Interpretation des nicht wirklich mainstreamigen KITTY’S BACK. Ja, auch das kann man einer „Party crowd“ durchaus „zumuten“, wenn man es draufhat.
- die ungläubig strahlenden Augen des Mädchens, das nach THE PROMISED LAND von Bruce die Mundharmonika geschenkt bekam.
- der triumphierende Blick des Jungen, der nach der Show die Sticks von Max Weinberg in der Hand hielt (ich glaube, hinter ihm ganz kurz eines der berühmten „yellow shirts“ entdeckt zu haben, deren Tourberichte ich vor allem während der WRECKING BALL Tour 2012/13 intensiv verfolgt hatte, leider gibt es die Seite nicht mehr.
- Und noch vieles mehr, aber man kann ein Konzerterlebnis auch „zerschreiben“.
Gab es gar nichts zu „meckern“?
Gute Frage, schließlich sind wir immer noch in Deutschland. Deshalb also meine ganz subjektive Sicht: Kritik gibt es ja immer, und oft zu Recht, bei Stadionkonzerten am Sound. Da bildete auch dieses keine Ausnahme, wie soll das auch gehen für über 50.000 Menschen? Über weite Strecken fand ich es durchaus annehmbar, da waren Bruces kurze Ansagen, sein Gesang gut zu verstehen (sehr gut übrigens die Untertitel an geeigneten Stellen), wichtige Instrumentalparts von Jake, Soozie und Nils (BECAUSE THE NIGHT!!!) ebenfalls.
Nach dem letztgenannten Titel hatte ich den Eindruck, dass die Regler noch einmal ein ganzes Stück hochgezogen wurden, besonders zugunsten der Rhythmussektion. Das gipfelte für mich darin, dass ich das Intro von BADLANDS nicht gleich erkannte, was normaler Weise mit dem ersten Takt passiert. Im weiteren Verlauf spielte das für mich aber keine Rolle mehr, Party ist nun mal Party, also Schluss mit dem „Gemecker“!
Abschließend bleibt im Gedächtnis das fast prophetisch klingende I’LL SEE YOU IN MY DREAMS, mit dem Bruce sich vom Hamburger Publikum verabschiedet. Ein Abschied für immer? Wer weiß das schon? Die Aktiven auf der Bühne machten nicht diesen Eindruck, aber die Zeit schreitet für uns alle voran, ohne Ausnahme.
Vorher steht für mich erst noch München am 23. Juli auf dem Programm. Danach bleiben immer noch unsere Träume.
Setlist
NO SURRENDER / GHOSTS / PROVE IT ALL NIGHT / LETTER TO YOU / THE PROMISED LAND / OUT IN THE STREET / DARLINGTON COUNTY / WORKING ON THE HIGHWAY / KITTY’S BACK / NIGHTSHIFT / MARY’S PLACE / THE RIVER / LAST MAN STANDING / BACKSTREETS / BECAUSE THE NIGHT / SHE’S THE ONE / WRECKING BALL / THE RISING / BADLANDS / THUNDER ROAD
BORN TO RUN / BOBBY JEAN / GLORY DAYS / DANCING IN THE DARK / TENTH AVENUE FREEZE OUT
I’LL SEE YOU IN MY DREAMS
Was schreiben/zeigen andere (kleine Auswahl, wird weiter aktualisiert)?
17. Juli 2023 um 15:02
Sehr interessant zu lesen. Hoffentlich treffen wir uns in München. 🙋🏻♀️
17. Juli 2023 um 15:38
Danke für den herzenserwärmenden Bericht. Ich habe die Zeit vor dem Konzert mit Dir genossen und das Konzert selbst war dann der krönende Abschluss meines mehrtägigen Hamburg-Aufenthalts.
Ja, ein Yellow Shirt war in der ersten Reihe mit dem Jungen. Ich musste schmunzeln, als ich ein „Schon wieder!“ von seinen Lippen ablesen konnte, nachdem die Kamera ihm ein zweites Mal Beachtung schenkte.
Hamburg hat den Beweis geliefert, dass ein „Standard“-Konzert alle Stücke spielen kann!
Pingback: 15.07.2023 – Bruce Springsteen and the E Street Band in Hamburg – sori1982