Hanseator

Musik & Fußball

Schicht im Schacht

Hinterlasse einen Kommentar

FC Erzgebirge Aue – F.C. Hansa Rostock 1:2, 5. Oktober 2024, Erzgebirgsstadion, 3. Liga, 9. Spieltag

Es fährt ein Bus nach Nirgendwo

Sonnabend 5:30 Uhr setzt sich auf dem stockfinstren Rostocker Schwimmhallenparkplatz ein mit etwa 30 erwartungsfrohen dunklen Gestalten besetzter Reisebus zur betreuten Auswärtsfahrt in Bewegung, dem Morgengrauen entgegen. Aktion „Schicht im Schacht“ nimmt ihren Lauf, ein irreversibler Prozess hat begonnen. Ziel der Reise ist, wie im Kreuzworträtsel gefragt würde, ein zänkisches Bergdorf mit drei Buchstaben, der Auftrag lautet: Auswärtssieg! Seit Jahrzehnten eine „Mission impossible“, heute aber nicht verhandelbar.

Das Gefährt ist außen bemalt mit einem Ausschnitt der Rostocker Skyline, ziemlich kreative Auslegung  einer der wichtigsten Regeln für Gruppenreisen im Fußball-Osten: Unauffälliges Fahrzeug nutzen. Das wird aber durch unser Durchschnittsalter, das mehr an die berüchtigten Verkaufsfahrten der 90er erinnert (Für mich bitte nur ein Magnetkissen!), bestens kompensiert. Ebenso vorteilhaft ist es, keine Stress suchenden Ärgermagneten an Bord zu haben, wie es sie bei Bus- oder Zugreisen immer gibt. Das können interessierte Beobachter zwar von außen nicht erkennen, aber außer skeptischer Begutachtung durch Teile der Hansa-Gefolgschaft an einer A9-Raststätte und einer kurzzeitigen Blaulichteskorte nach Überquerung der Schachtperipherie beachtet uns niemand.

Durchdrungen von Siegesgewissheit dämmern die Businsassen dem Sonnenaufgang entgegen, die Außentemperatur im niedrigen einstelligen Bereich passt strenggenommen nicht zum erwarteten heißen Tanz auf Rasen und Rängen, aber das ficht zunächst niemanden an.

Bis dann doch allmählich, inspiriert von Berg- und Kräutergeistern und der unausweichlichen Menthollösung die Lebensgeister erwachen. Vielfältige Variationen des (Auf-/Ab-)steigerliedes drängen der Zukunft zugewandt aus supportgestählten und nun bestens geschmierten Kehlen ins Freie, die schönste:

Glückauf! Der Aufsteiger kommt.

Und er hat die rote Laterne in der Hand schon angezünd’t.

Nach insgesamt kurzweiliger Fahrt rollen wir knapp 90 Minuten vor dem Anpfiff unmittelbar am Gästeeingang vor. Schön gemacht!

Mei Arzgebirg, wie biste schie … Feierohmd

Der Sitzplatzbereich/Gäste ist, wie sage ich das sachlich und lösungsorientiert, etwas unterdimensioniert. Nicht neu, aber extrem nervend. Dann braucht ihr „Sitzplätze“ gar nicht erst anzubieten. Ich würde das jetzt gern auf lasche/fehlende Zugangskontrolle schieben, aber auch diese Medaille hat eine zweite Seite: Schaut euch gern mal in unserer Kurve um, ihr werdet es selbst erkennen. „Zusammenstehen“? „Alle oder keiner“? Am Arsch!

Im Heimblock widmet man uns eine spezielle Choreographie, es gelingt sogar, ohne das langweilige „Kogge versenken“ klarzukommen. Dafür ein Extralob, ebenso für die schicke Optik, geschwenkte Folie-Fahnen in den Heimfarben, ein qualmendes „Raachermannl“ und die Einladung zum Nachbarschaftsessen mit „Laut’rer Fischkoppsuppe“. Nicht schlecht, aber man muss schon bei der Zubereitung wahnsinnig aufpassen, dass sich niemand an den Gräten verschluckt. Dieser Hinweis ist kostenlos. Merkt euch das bitte.

Siebenundfünfzig?

Spielbericht Hansa

90+3. Spät kommt er, doch der Siegtreffer kommt. Allein der Spielverlauf entschuldigt sein Säumen. Bitter für die Gastgeber, aber seht es mal so, liebe Schachties: Ihr konntet immerhin euer Ungeschlagensein noch ein paar Minuten länger auskosten, ein Rekord für die Ewigkeit. Vielleicht hätte der Stadionsprecher vor dem Spiel nicht ganz so penetrant auf dieser Zahl herumreiten sollen, wie war sie doch gleich? Schon wieder vergessen. Karma’s a b*tch, sowas kommt von sowas.

Lasst uns gemeinsam singen, die Melodie kennt ihr vielleicht, Boomer auf jeden Fall:

Nach 57 Jahren, da fängt das Siegen an.

Nach 57 Jahren hat man Spaß daran.

Nach 57 Jahren heißt es Schicht im Schacht.

Aus Siebenundfünfziiiiiiiiiiig wird ‘ne Null gemacht.

Einzelne Schachttrolle stoßen bei der emotionalen Verarbeitung des Spielgeschehens an ihr Limit, menschlich verständlich, aber für die Ziele ihres Frustabbaus mehr als unschön. Großer Respekt und Grüße an das Hansa Fanradio!

Wir halten fest:

Wismut Aue reimt sich auf Missmut und Haue, auf Erzgebirge reimt sich Schmerzgewürge. Gute Nacht in den Schacht! *Micdrop*

One night in Chemnitz

Den Abend nach dem Erfolg verbringen wir in der nahe gelegenen früheren Bezirksstadt, mit der die Erzgebirgler eine intensive „Freundschaft“ verbindet. Wo ließe sich ein Sieg im Lößnitztal angemessener feiern? Ein angedachter Konzertbesuch in der „Zukunft“ muss aufgrund kurzfristiger Oironie-Absage leider entfallen, also bleiben wir doch bei altersgerechter Unternehmung: Lecker futtern im Turm-Brauhaus, bisschen zu trinken gibt es auch, bevor sich noch vor Mitternacht die meisten Augen schließen. Wir „Alten“ kennen eben unsere Grenzen.

Sonntag 10:00 Uhr:Die Rückreise startet mit einem kurzen Besuch DES touristischen Hotspots in Chemnitz, wo wir das Andenken des bekannten DDR-Schriftstellers Karl May („Das Capitol“) mit einem Gruppenbild ehren. „Dor Nisch’l“ fügt sich harmonisch in unsere Gesamterscheinung ein, sein zufriedener Gesichtsausdruck verrät: auch Karl mag’s, wenn jemand Punkte aus dem Schacht entführt.

Damit hat das 30. Ropiratenjubiläum in diesem Jahr nun auch seine sportliche Vergoldung erhalten.

Bis neulich!

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..