„Sincerely, Thees Uhlmann. Das Beste von Tomte bis heute“, Release: 6. Dezember 2024, Grand Hotel van Cleef
Im Anfang war der Superlativ
Das hier ist keine Rezension. Das überlasse ich gern Leuten vom Fach und mit professioneller Distanz, Fans geraten zu schnell ins Schwärmen.
Noch am Erscheinungstag lockt mich eine Suchmaschine mit der Überschrift „Hamburgs Antwort … (ratet mal, auf wen)?“ Hinter dem reißerischen Clickbait wartet ein durchaus sympathischer Artikel, ich vermute, dem SEO-Tool sind einfach die Pferde durchgegangen, KI ist auch nur ein Mensch. Inzwischen wird das nicht mehr so angezeigt, haben sie wohl selbst gemerkt.
Eigentlich bin ich nicht so der häufige Best-of-Konsument. Halt! „Eigentlich“ ist der ultimative Verbindlichkeitsblocker. Das weiß ich aus meiner jahrelangen Callcenter-Tätigkeit, weswegen ich den Gebrauch dieser Vokabel eigentlich vermeide. Wenn jedoch, wie im Fall meiner jüngsten musikalischen Erwerbung, Songauswahl und Reihenfolge der Präsentation im Ermessen ihres Schöpfers liegen, stellt sich das anders dar. Im Gegensatz zu gängigen „Greatest Hits“-Kompilationen stehen hier nicht kommerzielle Kriterien im Vordergrund, der Künstler „ordnet“ sein bisheriges Schaffen nach musikalischen und emotionalen Gesichtspunkten.
Das eröffnet mir als Hörer eine spezielle Perspektive, kann ich doch als Thees- und erst recht Tomte-„Späteinsteiger“ mit Nachholbedarf beim Hören nicht jedes Lied intuitiv einer Schaffens-„Periode“ zuordnen. Muss ich auch nicht. 29 Songs aus zweieinhalb Jahrzehnten stehen gleichberechtigt nebeneinander und erklingen nacheinander. Herausgelöst aus ihrer vertrauten (Alben-)Umgebung entsteht so vielleicht auch für mit Thees‘ Gesamtwerk schon länger Vertraute beim Hören eine neue Geschichte.
Ich bin froh, mir die Vinyl-Ausgabe (splattered) gegönnt zu haben. Wichtiger Vorzug des Plattenspielers: Keine Skip-Funktion, wobei … eigentlich 😉schon, nur müsste ich dafür aufstehen (das nervt mich schon beim Plattenumdrehen), außerdem erkenne ich die Trennung zwischen zwei Tracks nicht mehr so scharf. Dann höre ich es eben gleich durch, schön wie „früher“.
Dank frühzeitiger Lieferung schon am Donnerstag habe ich das Album im Moment seines Erscheinens schon einmal komplett durchgehört. Am sich anschließenden Wochenende mutiert mein Wohnzimmer zum Schauplatz dessen, was sie beim Radio „heavy rotation“ nennen: die nächste Seite noch … oh, schon wieder F. Zusammenstellung und „Dramaturgie“ der Lieder sind nicht chronologisch. Es ist also kein musikalischer „Lebenslauf“, keine Anthologie, das unterdrückt jedes sentimentale „Ach, wie die Zeit vergeht“ schon im Ansatz. Die Songs, jeder für sich schon eine Geschichte, verschmelzen zu einer großen Erzählung, ich kann nicht aufhören, mich dem auszuliefern. Es geht mir einfach gut beim Hören, unterbrochen wird das nur zum Schlafen. Okay, und für Hansa.
Das Gesamterlebnis ist so gewaltig, ich versuche gar nicht erst, mich hier in Deutungen und Interpretationen zu ergehen. Auch möchte ich nicht einzelne Songs herauspicken, mit drei Ausnahmen:
Hängen bleibt bei mir in erster Linie die magische Poesie der Songtexte, der ich mich nicht entziehen kann. Bis der letzte Ton verklingt, schaue ich innerlich dem am Horizont verschwindenden Vogelzug nach, ich glaube, da wurde in mir eine vergessene Ursehnsucht (Fernweh) wiedererweckt, die sich irgendwann ins Unbewusste zurückgezogen hatte. Und nochmal zum Thema Sehnsucht: Unbeschreiblich, wie Im Sommer nach dem Krieg der Wind vom Moor das Verlangen nach der Brise vom Meer weckt.
Und da ist noch das eine Lied, das ich vor einiger Zeit mal als das zweitschönste Fußballlied in deutscher Sprache bezeichnet hatte. Davon habe ich nichts zurückzunehmen, erst recht, wo ich es nun auch ohne „den Naki-Vers“ hören kann. 😉 Hooray, das lasse ich mal so stehen.
Albumcover & Liner notes
Das Klappcover zeigt das großformatige Foto des Künstlers in einer Garderobe, an der Wand hängen ein Spiegel und Fotos aus den persönlichen Archiven, zu jeder Aufnahme und dem einen oder anderen Gegenstand im Raum sind auf einem Einlegeblatt persönliche Gedanken und Erinnerungen zu lesen.
Wie geil wäre es, ähnliches zu den Songs zu bekommen? Musik ist natürlich zum Hören da und spricht für sich selbst. Vorschlag: Wie wäre es mit einem „Reflektor Spezial“?
Thees bei Social Media:
„… vor allen Dingen habe ich nie Tagebuch geführt, aber festgestellt, dass ich mich trotzdem an alles immer erinnern kann, weil es eben diese Songs gibt.“ (T.U., 6. Dezember 2024 bei Instagram/Facebook)
Wenn ich etwas vermisse, sind es die Texte zum Mitlesen, aber das ist mein persönliches Ding, da muss ich durch.
Tracklist und Bestellmöglichkeit: GHvC
Rezension laut.de
Thees solo acc. live in Hamburg 2025: 5 Nights at the Opera
10. Dezember 2024 um 07:07
Da ich kein Social Media nutze und mich für keine Newsletter anmelde, ist der Tonträger komplett an mir vorbeigegangen. Danke für den Beitrag. Das Titelfoto erinnert an Du-weißt-schon-wer, als er seine Auftritte am Broadway gab und sein Leibfotograf ihn einmal in einem stillen Moment ablichtete.