SC Victoria – FC St. Pauli 3:2, 29. Mai 2025, Stadion Hoheluft, Finale im Hamburger „Lotto-Pokal“ der Frauen
Heute ist Feiertag. Einer, mit dem ich nicht viel anfangen kann. Erst mal, weil ich seit meinem unfreiwilligen verfrühten Ausscheiden aus der bezahlten Erwerbstätigkeit sowieso nicht mehr zwischen freien und Arbeitstagen unterscheide (sagt es bitte nicht weiter, sonst benutzt mich dieser Ex-Yuppie aus Paderborn noch als „Testimonial“), und mir zum anderen die Art und Weise, wie dieser Tag hierzulande weitläufig „gefeiert“ wird, nachhaltig widerstrebt. Da passt doch die Ansetzung des von mir zum Hoppen ausgewählten Spiels in Hamburg wie die „Faust aufs Auge“, noch dazu auf von mir bisher nicht „gemachtem“ Ground.
Potenzielle Mitreisende frage ich gar nicht erst an, ich hatte mich sehr kurzfristig für den Spielbesuch entschieden und online ein Ticket „geschossen“, so flexibel und spontan, wie ich mir das manchmal erlauben kann, ist kaum jemand, und ob es vor Ort überhaupt eine Tageskasse gibt, konnte ich nicht mehr ermitteln. (Gibt es wohl doch). Also reise ich allein und lege mein „Schicksal“ vertrauensvoll in die bewährten Hände des ÖPNV.
An die unspektakuläre Hinfahrt mit DB Regio und U-Bahn bis zur Station „Hoheluftbrücke“ schließt sich nach gediegenem Mittagsmahl im „Block House“, zum Feiertag sogar mit süßer Nachspeise (maximale Gönnung!) eine kurze Wanderung bis direkt vor den Stadioneingang an, jedenfalls fast.
Wieso „fast“? Nun, ich bin so stark auf die Anweisungen der Karten-App fixiert, die mich am Ende des Weges auffordert, rechts abzubiegen (Martinistraße), um nach 100 Metern dann links mein Ziel zu erreichen, dass ich die „unübersehbar“ (haha!) gelb lackierten Kassenhäuschen am Stadioneingang direkt vor meiner Nase überhaupt nicht wahrnehme. Immer wieder prickelnd, so ein eingeschränktes Gesichtsfeld zu haben wie mein linkes.
Die Stadiontore sind noch geschlossen, also wechsele ich wieder die Straßenseite und nehme ein Weilchen auf einem der dort zu Beratungszwecken aufgestellten Gartenstühle Platz, eine Wohltat, nachdem ich die ganze Nacht gelegen hatte und nachher wieder stehen muss.
Von dort habe ich einen guten Blick auf die Kreuzung am Stadion und kann mir die Ankunft des St.-Pauli-Mobs anschauen. „Hände hoch, das ist ein Überfall!“, schallt es über die Straße, als der Zug, begleitet von zwei Polizei-PKW anhält, ein Fangesang, den ich irgendwie mag.
Als ich noch nicht wusste, dass ich von der U-Bahn einfach nur geradeaus gehen muss, hatte ich noch erwogen, denen einfach hinterherzulaufen, Treffpunkt und Uhrzeit hatte ich schon im Vorfeld irgendwo gelesen. Voll der Szenekundige, für den die mich am Ende wohl noch gehalten hätten? Bloß das nicht! Aber das war ja nun glücklicherweise nicht nötig.
Bis zum Einlassbeginn stehen alle geduldig herum, der uniformierte Eskortservice ist damit beschäftigt, den Straßenverkehr um ein paar dicht am Fahrbahnrand stehende Pokalträumer*innen herum zu dirigieren, ein wahres Feiertagsidyll. Auch als die Tore öffnen, bricht keine Unruhe aus, es geht völlig entspannt zur Sache, ich schließe mich an.
Ich fasse zusammen: Fanmarsch mit sehr sparsamer Polizeibegleitung, Massenankunft vor verschlossenem Tor, nicht das geringste Anzeichen von Unruhe oder erhöhtem Testosteronspiegel, keine Nörgelei, niemand pöbelt und drängelt, alle gehen tiefenentspannt hinein. Ist das in der Form überhaupt erlaubt?
Ich lande nach Überwindung der Ticketkontrolle in einem Hintertorblock mit guter Sicht auf das Spielfeld und die beiden Geraden mit Sitztribüne zu meiner Linken und rechts von mir die St. Pauli zugewiesenen Blöcke. Die sind voll besetzt und übernehmen für die gesamte Spieldauer die Verantwortung für die Stadionatmosphäre, auf „Vicky“-Seite gibt es so etwas nicht. Da Braun/Weiß praktisch durchsingt, fällt das aber nicht auf. Nur bei den beiden Toren der späteren Siegerinnen sind doch ein paar Geräusche zu vernehmen. Sagen wir es positiv: Die Stimmung orientiert sich am Spielverlauf.
Nach dem Spiel wird sich übrigens herausstellen, dass ich mich im falschen Block aufgehalten habe, da aber im Stehplatzbereich praktisch Bewegungsfreiheit herrscht, muss ich mich nirgendwo rechtfertigen. Und wenn ich schon mal beim Gestehen bin, ich habe nicht in die „Hopperkasse“ eingezahlt. Oder gab es etwa keine?!
Ein paar Worte zum Spiel: Es steht schnell 0:2 und scheint eine klare Sache zu werden. Bis dann die Fußballgöttin sich entschließt, ein bisschen gegenzusteuern: Eine Vicky-Spielerin bekommt den Ball bei einem Befreiungsschlag der FCSP-Torhüterin ins Gesicht, ihre Mitspielerin reagiert blitzschnell und hämmert den Ball aus nächster Nähe zum Anschlusstor in die Maschen. Das erfüllt wohl zu hundert Prozent die Kriterien für das oft bemühte „Tor aus dem Nichts“, oder, um mich mal bei Arnd Zeigler zu bedienen, ein würdiges „Kacktor“.
Noch dicker kommt es für die Pokalverteidigerinnen kurz vor der Halbzeit mit Gelb/Rot gegen eine ihrer Spielerinnen, der Trainer würde wohl die Schiedsrichterin am liebsten zur „Schnecke“ machen. Die Unterzahl führt später zu Nachteilen für St. Pauli. Victoria dreht dank größerer Kraftreserven in der Schlussphase das Spiel und darf am Ende den Pokal in Empfang nehmen, während St. Pauli den dritten Pokalsieg in Serie verpasst.
Auf der Heimfahrt komme ich nach dem Einsteigen in den grenzwertig überfüllten Zug nach Schwerin doch noch in den „Genuss“ dichten Menschengedränges. Aber schon in Bergedorf verlassen Hunderte den Zug. Ich denke noch: Scheiße, schon wieder eine „Maßnahme“? Nein, die wollten da wirklich alle raus. Bleibt als letzte offene Frage meinerseits: Ist ein Regionalexpress wirklich die einzige Möglichkeit, an Sonn- und Feiertagen aus der Hamburger City nach Bergedorf zu kommen?
Nur falsche Antworten, bitte.