Betterov „Olympia Ehrenrunde“, M.A.U. Club Rostock, 4. Dezember 2023
Wie ich die Musik von Betterov für mich entdeckt habe, oder – treffender – sie mich, war hier schon mal Thema. Dass ich das gern mal live erleben würde, war mir daher lange klar, ohne dass ich aktiv nach einer passenden Gelegenheit gesucht hätte. Und nun ging es ganz schnell. Mitte Juni erfuhr ich vom geplanten Konzert in Rostock und besorgte mir umgehend mein Ticket.
Da konnte ich noch nicht wissen, wie perfekt der Konzerttermin in die aktuelle Situation passen sollte. Ohne ins Detail zu gehen, in den letzten Wochen vor der Show hat es Ereignisse gegeben, die mir doch etwas die Motivation geraubt hatten, was letztlich auch die Unternehmungslust über Notwendigkeiten des Alltags hinaus gewaltig einschränkte. Einen fest zugesagten Podcast-Besuch nach einem bestimmten Fußballspiel ließ ich ohne Angabe genauer Gründe kurzfristig platzen, mir fehlte einfach die Energie dafür. Ist ein anderes Thema, aber die Gesamtsituation war halt bescheiden. Sorry nochmal an Y., falls du das lesen solltest.
Und so wache ich am Morgen des Konzerttages auf, nehme gegen inneren Widerstand und ausgedachte Gründe, warum ich nun doch zu Hause bleiben sollte, den Tag in Angriff. Bevor das jetzt ausufert: An- und Rückreise mit ÖVM plus Übernachtung in Rostock erfordern eine gewisse Planung und Vorbereitung, das darf ja auch nicht alles umsonst sein. Logik kann hilfreich sein.
Ich verlasse also rechtzeitig mein Rostocker Quartier und schon nach wenigen Metern werde ich beinahe erstes Opfer des beginnenden Winters. Beim Durchqueren eines Innenhofes, in dem sich ein „toter Briefkasten“ des „Warschauer Pakts“ (Insider, fragt lieber nicht) befindet, wo „Yetis Freund“, der mir bei Rostock-Aufenthalten oft Obdach gewährt (Bester!) und ich regelmäßig nach dem Rechten sehen, zieht es mir auf einem mit dünnem Neuschnee bedeckten Eisfleck unwiderstehlich den Boden unter den Füßen weg, ich schlage mit Haltungsnote 5,9 mit voller Länge auf dem Boden auf, auch der Hinterkopf bekommt etwas ab. Zum Glück bleibt alles für mich folgenlos, vielleicht war es ja Softeis. Mein Triggerdämon frohlockt: „Siehste!“ Das reicht. Jetzt schaffe ich es, ohne fremde Hilfe aufzustehen, obwohl ich mich nicht mal irgendwo festhalten und hochziehen kann, und setze meinen Weg fort. Von hier an läuft es reibungslos, sogar ein leckeres Abendmahl im nahe des M.A.U. liegenden „La dolce Vita“ ist noch drin. Und nun soll es auch endlich um das Konzert gehen.
Location
Der M.A.U. Club gehört nicht gerade zu meinen Lieblingskonzertorten. Ich bin in den letzten Jahren etwas empfindlicher geworden gegen (zu?) große Menschenmengen in engen Räumen und damit oft verbundene Nervfaktoren (dichtes Gedränge, schlechte Luft, reduzierte Sicht, rücksichtslose „Bierholer“, ich nenne das jetzt mal so, das ist natürlich eine unzulässige Verallgemeinerung, der – je nach Standort – manchmal miese Sound etc.).
Vor dem Eingang herrscht überschaubarer Andrang, erst mal deutet nichts auf einen vollen Saal hin, sollte das etwa ein „Montags-Gig“ werden? Nein, wird es zum Glück nicht. Die Show ist gut besucht und bekommt ein entspanntes und zugleich begeistert mitgehendes Publikum, mit einer Einschränkung: In besonders ruhigen Momenten schaffen es einige mitteilungsbedürftige Menschen tatsächlich, mit ihrem Gemurmel den Bühnensound zu überlagern, was besonders das Zuhören beim Supportact stört. Das ist wohl das Schicksal jeder „Vorgruppe“.
An meinem Platz, ein paar Meter hinter den Technikern, fast in der geometrischen Mitte des Raumes, mit einem Lautsprecher über dem Kopf kann ich mich über den Sound diesmal gar nicht beklagen, ich verstehe tatsächlich jedes auf der Bühne gesprochene und gesungene Wort – für mich ein völlig neues M.A.U.-Erlebnis, wohingegen abseits der „Mitte“ die Abmischung als zu rhythmuslastig bemängelt wird. Da habe ich wohl mal alles richtig gemacht.
Die bereits beschriebenen Nervereien bleiben mir heute erspart. Dafür verbringe ich den Abend in der Gesellschaft einiger sehr angenehmer Menschen aus meiner Rostocker „Fußballblase“, die ich seit meinem endgültigen Tribünenwechsel im Sommer nur noch selten zu Gesicht bekomme, was den Abend in jeder Hinsicht abrundet. Das kann nicht mal ein „Riese“ trüben, der kurzzeitig die gesamte Bühne verdeckt, sich aber nach freundlichem Hinweis aus dem Umfeld einsichtig zeigt und das Sichtfeld wieder räumt.
Support: Sofia Portanet
Das Vorprogramm bestreitet eine junge Sängerin, die ich noch nicht kenne, was wohl vielen Anwesenden ähnlich geht. Ihre Songs liegen gesanglich in einem (von mir) gedachten Dreieck zwischen Annette Humpe, Kate Bush und Nina Hagen. Das liest sich merkwürdig, aber zwischen diesen Namen irren meine Assoziationen umher. Eine passende „Schublade“ will ich irgendwie nicht finden, aber es spricht mich durchaus an. Wer sich ein eigenes Bild machen möchte, kann dies bei Bandcamp tun.
Betterov
Die Zeit vergeht wie im Fluge, etwa 90 Minuten lang stehen naturgemäß die Lieder des aktuellen Albums im Mittelpunkt, wobei die Solo-Interpretationen mit Klavierbegleitung emotional noch einmal herausstechen, ganz besonders „Dussmann“, mein „Erweckungssong“. Als der im Zugabenteil noch einmal in der Albumversion (mit Band) erklingt, legt sich eine Pranke auf meine Schulter. Der „Riese“ ist wieder da und raunt mir zu: „Ich MUSS jetzt nach vorn.“ Das verstehe ich.
Und so schließt sich mein persönlicher „Betterov-Kreis“ bis auf weiteres erst mal. Erneut hat mich seine Musik aus einem Stimmungstief geholt. Es hat sich aber gleichzeitig herausgestellt, dass ich hinsichtlich des Gesamtschaffens des Künstlers noch Nachholbedarf habe, was ich nun zügig in Angriff nehmen werde. Schließlich sollen beim nächsten Mal die Texte sitzen.
Eine (inoffizielle) Setlist habe ich hier entdeckt.
Weiterlesen und -hören

„Dussmann“ (acc.) bei Instagram (Snippet)
Betterov zu Besuch bei LOHRO
7. Dezember 2023 um 16:53
Es freut mich zu lesen, dass der Tag nach dem „soften“ Zwischenfall einen feinen Ausklang gefunden hat. Ich kann Deinen inneren Zwiespalt sehr gut nachvollziehen, habe ich auch selbst damit zu kämpfen, bevor ich doch noch auf ein Konzert gehe. Betterov möchte ich live schon gern wiedersehen, ich bin gespannt, wie er sich weiter entwickelt.