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Filmstart „Bruce Springsteen: Deliver me from Nowhere. The Making of Bruce Springsteen’s Nebraska“

23. Oktober 2025, Filmpalast CAPITOL, Schwerin

Als ich mich eine Viertelstunde vor dem Beginn der Aufführung auf meinem bequemen Sessel mit bester Sicht auf die Leinwand (obere Reihe, Mitte) niederlasse, ist mein spontaner Gedanke: Da ist eine gigantische Promo-Kampagne aber mal so richtig ins Leere gelaufen, jedenfalls hier, in meiner Stadt. Mich eingeschlossen, befinden sich, sage und schreibe, 6 Personen im Saal, darunter ein Kino-Mitarbeiter, dessen Aufgabe es ist, mit dem Filmbeginn die Eingangstür zu schließen (von außen!). Bedauerlich, aber wahrscheinlich absehbar, der Zeitgeist kennt kein Erbarmen. Um mal einen Vergleich zu ziehen: Das sah doch 2013 bei „Springsteen and I“ ganz anders aus. Da liegt mehr dazwischen als „nur“ die 12 vergangenen Jahre.

Es ist mir nicht möglich, den Film nachzuerzählen oder wenigstens zusammenzufassen, das überfordert mich mit seiner Menge an Input in kürzester Zeit bei nur einmaligem Ansehen. Außerdem sollt ihr ihn euch ja auch selbst anschauen. 😊

Das Verständnis für Inhalt und Figuren ist für langjährige Fans und „Kenner“ (das klingt bisschen abgehoben, aber bitte nicht als Wertung betrachten) einfacher. Um tiefer in den Bruce-Kosmos der erzählerischen Gegenwart (ab 1982) einzutauchen, ist das Lesen der Autobiografie „Born to run“ in jedem Fall von Vorteil.

Am Ende dieses Artikels habe ich Links zu weiterführenden Informationen und ausführlicheren Betrachtungen zusammengestellt.

Ich habe mir wenigstens ein paar spontane Eindrücke und Assoziationen merken können:

Die Freundin

Die einzige „Kunstfigur“ im Film hat es so im realen Leben nicht gegeben, Faye steht symbolisch und stellvertretend für Bruces Schwierigkeiten, sich auf eine feste Beziehung einzulassen, und die Angst, den „Ansprüchen“ (ihren und seinen) nicht gerecht zu werden.

Der Sehnsuchtsort

Eine Szene, in der Vater Springsteen mit Bruce und seiner Schwester unterwegs zu seinem Sehnsuchtsort ist, einer Villa: „Wenn dir so ein Haus gehört, hast du keine Sorgen mehr“, wo er die Kinder auffordert, auszusteigen und ein bisschen draußen zu toben, zeichnet tatsächlich exakt das Bild aus einem Song nach, wie ich es seit dem ersten Hören vor Augen habe: „Me and my sister, we‘d hide out in the tall corn fields, sit and listen to the mansion on the hill“.

Der Tanz

Herzerwärmend ist es zu sehen, wie der kleine Bruce mit seiner Mutter tanzt. Dazu sind keine Worte nötig.

Die Entschuldigung

Der berührende Moment, als Douglas Springsteen seinen Sohn indirekt um Entschuldigung für seine Art, Vater zu sein, bittet, ist mir aus der Autobiographie im Gedächtnis geblieben. In der Realität geschah dies nach meiner Lese-Erinnerung bei einem gemeinsamen Ausflug der beiden in Kalifornien in den frühen 90er Jahren während einer kurzen Rast. Mit der filmischen Vorverlegung in einen Backstage-Raum, wo der längst erwachsene Sohn und Rockstar (endlich!) auf Papas Schoß Platz nehmen darf, wird zwar sehr dick aufgetragen, aber ich wüsste auch nicht, wie man die emotionale Tiefe dieses Augenblicks für beide eindringlicher zeichnen könnte: Bruce schließt praktisch symbolischen Frieden mit den Schatten der Kindheit.

Die Inspiration

Dass der Titelsong „Nebraska“ von der Geschichte des Serienmörders Charles Starkweather inspiriert ist, war bereits bekannt. Nun habe ich aus dem Film erfahren, dass der Song zunächst auch nach dem „Helden“ benannt war. 

Starkweather fand übrigens ein paar Jahre später (1989) dann tatsächlich namentliche Erwähnung in einem berühmten Popsong. Na, wer weiß es? Auflösung folgt am Wochenende in den Kommentaren. 

Ich wünsche mir nun sehr, den Film bei Gelegenheit noch einmal in Ruhe anschauen zu können, ohne dafür extra eine DVD/BluRay zu erwerben oder ein weiteres, selten bis gar nicht genutztes Abo bei einem Streamingdienst abschließen zu müssen.

Hey, 3sat / ARTE, won‘tcha hear my last prayer?

 

Lesetipps (wird aktualisiert)

 

„Blogness…“ (engl.)

Ein Artikel aus Fanperspektive, in dem Bruce als „A-Loch“ bezeichnet wird. Wichtig: KONTEXT BEACHTEN! 😉 Ansonsten sehr interessant und lesenswert.

Sori1982 über die Buchvorlage und über den Film.

Christian’s Music Musings (engl.)

9 Kommentare zu “Erlösung

  1. Avatar von sori1982

    Danke für Deine Eindrücke.

    Abgesehen von den Kartenpreisen konnte „Springsteen & I“ bestimmt auch ein größeres Publikum anziehen, weil der Film offiziell nur einmal im Kino gezeigt wurde. (Ich sah den Film erst beim zweiten Termin Anfang August 2013.)

    Jetzt, 18 Stunden, nachdem ich das Kino verlassen hatte, fühle ich den Film nach und bin froh, ihn gesehen zu haben.

  2. Avatar von @AnnaLind1

    Danke für Deinen Eindruck! Jetzt bin ich noch gespannter! Wir sehen den Film erst am Sonntag in Manchester (!) und ich freue mich schon sehr darauf. Mal sehen, ob er uns genauso berührt wie dich. Das Kinosaal wird bestimmt genauso leer.

  3. Pingback: Sori geht ins Kino: „Springsteen: Deliver Me From Nowhere” – sori1982

  4. Avatar von Christian's Music Musings

    „Springsteen: Deliver Me From Nowhere“ ist schon ein ziemlich intensiver Film. Die schauspielerischen Leistungen fand ich eindruckvoll, inbesondere von Jeremy Allen White, der zuvor nie professionell gesungen hatte und sogar noch Gitarrespielen lernte.

    Ich bin zwar kein Springsteen-Experte, vertraue allerdings der Einschaetzung der New York Times, dass der Film in weiten Teilen der Realitaet gerecht wird. Die vielleicht bedeutenste Abweichung ist Springsteens erfundene Freundin Faye Romano. Weiterhin wurde ein Treffen zwischen Jon Landau und Columbia Chef Al Teller wohl etwas dramatisiert – kein Deal-Breaker aus meiner Sicht.

    Ich bin froh, dass ich mich auf den Film vorbereitet hatte und insofern nicht mit falschen Erwartungen ins Kino ging.

    Danke uebrigens fuer den weiterfuehrenden Link zu meinen Blogpost!

  5. Avatar von Hanseator

    Die versprochene Auflösung: Der gesuchte Song ist „We didn’t start the fire“ von Billy Joel.

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