Hanseator

Musik & Fußball

Glücklos in Dixiland

Ein Kommentar

FC St. Pauli – F.C. Hansa Rostock 1:0, 26. April 2024, Millerntor-Stadion, 2. Liga, 31. Spieltag

50 Shades of shite

Vorbemerkung

Es wäre schöner, sich mit dem folgenden Thema gar nicht beschäftigen zu müssen. Vielleicht war der nach meiner Kenntnis unauffällige Verlauf des Tages in der Hinsicht der Beginn einer „neuen Zeitrechnung“. Ich weiß, eine Schwalbe macht noch keinen Elfer, aber das wird man ja noch träumen dürfen.

Wisst ihr noch – die Aufregung um die Toiletten im Gästebereich des Olympiastadions vor und nach unserem Besuch da vor zwei Wochen? Wahrscheinlich nicht. Das könnte daran liegen, dass da keine war. Hertha hatte hinter den Gästeblöcken Dixi-Häuschen aufstellen lassen. Ja, und? Nichts und. Die Dinger standen einfach da, wurden vermutlich benutzt und verschwanden danach wieder. That’s it.

So hätte es vielleicht auch bei diesem Spiel laufen können. Wie zuvor schon Hertha war vielleicht auch St. Pauli in Sorge um den Zustand der sanitären Einrichtungen im eigenen Stadion, nicht völlig ohne Grund, den haben „wir“ in der Vergangenheit ja geliefert, auch Monate später kein Highlight der Fußballgeschichte.

Thema #1

Die Erinnerung ist in Hamburg frischer als in Berlin und spielt somit bei der Umsetzung geeigneter Maßnahmen eine nicht unwesentliche Rolle. Insofern kann ich ein bisschen nachvollziehen, dass der FCSP dies auch kommunikativ etwas offensiver begleiten wollte, der Vorsorgeakt sollte wohl beim Empfänger der Botschaft auch als eine Art „Strafe“ verstanden werden. Das hätte auf dem üblichen Kanal (Fan-Info, Powerpoint vom 22.03.2024, auf der Hansa-Homepage verlinkt) mitgeteilt oder eben einfach umgesetzt werden können, stattdessen erfuhren wir von „Dixigate“ am 19.04.24 aus der MoPo, bestätigt vom FCSP, Zitat: „Das ist nicht schön, aber die Vorfälle der Vergangenheit machen es leider nötig.“, womit das beherrschende öffentliche Thema der Vor-Spiel-Woche selbst gesetzt war, niemand wollte (sich) über Spieltags-Aktionen gegen Rassismus und für Seenotrettung informieren, wie der Pressesprecher zu Recht bemängelte.

Punk’s not dead (yet)

Für Hansafans nur Dixiklo! Na, Tommy, war wohl doch bisschen viel „Eigenurin“ in all den Jahren? Aufpassen, die Dosis macht das Gift! Vor vielen Jahren noch auf einem Festival gespielt, bei dem die rituelle Abfackelung von Dixiklos die Feierlichkeiten krönte, und nun das. Die MarioBarthisierung des Punk ist nicht mehr zu stoppen.

Interessant die Gesamtpräsentation als Bestandteil des offiziellen Stadionprogrammes: Ankündigung durch die Stadionsprecherin Richtung Gästeblock: „Wir haben für euch etwas vorbereitet.“ Und Texteinblendung an der Videowand,da wurden sich echt Gedanken gemacht. Bestimmt gibt es zeitnah eine hippe Merch-Kollektion, natürlich streng limitiert.

Lassen wir es gut sein und das Liedchen als späte Retourkutsche für die ebenfalls äußerst alberne Weigerung unseres Stadionsprechers vor zwei Jahren, den gegnerischen Vereinsnamen auszusprechen, durchgehen. Fazit: Es gibt nicht viele Vereine, die sich für jedes Spiel gegen uns einen Mottosong ausdenken. Wenn das nichts ist!

Ein toxisches Spendenangebot

Natürlich kannst du als Unternehmen den Fußballnachwuchs (finanziell) fördern, wo du willst, sogar beim „Erzfeind“. Dann mach das einfach, von mir aus sogar unter einer selbst gestellten Bedingung, die ja noch nicht mal aus der Luft gegriffen ist. Bis hierhin d’accord. Aber wenn du unter wohlwollendem Applaus einen auf reiche/r Westonkel/-tante machen willst, schieb dir deine Scheiß (sic!) Kohle in den gönnerhaften … weißt du selbst. Ich wünsche mir ein bisschen, nein, eigentlich gehe ich davon aus, dass es sich bei dieser derben kommunikativen Entgleisung um einen Alleingang des Toilettenaufstellers handelt, über den der FC St. Pauli vorab nicht informiert wurde. Augen auf bei der Partnerwahl! Und Hansa, bitte nimm diese „Spende“ auf keinen Fall an.

Toiletten für Toleranz? Ich glaube, es hackt!

Und wie war es nun?

Nach meiner Kenntnis geht es allen Kabinen gut, ich habe selbst keine Beschädigungen wahrgenommen, in dem von mir nach dem Spiel besuchten Häuschen lag sogar noch eine Sechserpackung TP in der Originalverpackung griffbereit. Dass die Klos „gut riechen“, kann ich nicht bestätigen, Möglichkeiten zur Handhygiene konnte ich auch nicht entdecken. Aber für zwei Stunden Fußball kann man das so machen, was in meinem Umfeld tatsächlich auch niemand vorher in Frage gestellt hatte. Damit soll es von meiner Seite nun auch gut sein. In einer perfekten Welt hätte unsere Mannschaft die berühmte „Antwort auf dem Platz“ gegeben, dafür reicht es nur leider nicht.

Zum Spiel

Einschätzungen zum Spiel findet ihr hier:

FCSP      F.C.H.        Millernton

Ich empfehle auch die Pressekonferenz mit den Trainern, u.a. bei HansaTV (YouTube)

Gratulation nach Hamburg, Ich war beim Abpfiff natürlich enttäuscht vom Ergebnis, wäre ja schlimm, wenn nicht. Aber ein bisschen war ich stolz auf das Team, das besonders in der ersten Hälfte dem starken Gegner einen beherzten Kampf lieferte und im Rahmen der begrenzten eigenen Möglichkeiten sogar ein bisschen an einem Punktgewinn schnupperte. Was für ein Unterschied zu den Vorjahren und nicht zuletzt zu den letzten beiden Ligaspielen. Nur reichen in der Regel solche gelegentlichen „Unterschiedsspiele“ nicht, um sich in einer Liga zu etablieren. Aber niemand verbietet der Mannschaft, es noch dreimal (oder notfalls fünfmal) zu versuchen.
Im Gästeblock war die Atmosphäre wirklich toll. Der Fokus lag auf bedingungsloser Unterstützung der Hanseaten, ohne sich nur am „Hassgegner“ abzuarbeiten, wir haben es sogar geschafft, die von St. Pauli vorbereiteten Stöckchen links liegen zu lassen.  Sogar ein paar Gestalten im Nachbarblock mit roten Mund-Nasen-Tüchern kurz vor Spielende blieben unbeachtet. Respekt an die Vorsänger, die Koordination war wirklich vom Feinsten. An diesem Auftritt sollten wir uns künftig messen lassen.

No risk but fun

Ich hatte selten einen so entspannten Verlauf rund um ein Hochrisikospiel, das soll bei allem Gemecker nicht unerwähnt bleiben.

Dank rechtzeitiger Anreise (ich hatte meine ursprüngliche Planung – zwei Übernachtungen von Donnerstag bis Sonnabend und rundherum noch ein bisschen Hopping – nochmal kurzfristig geändert) per Mitfahrgelegenheit mit exzellenter Ortskenntnis war sogar noch Zeit für ein Getränk im „Alten Mädchen“, ein wunderbares Lokal. Auf dem Weg hätte ich fast als Erster das Ziel des Hamburg-Marathons überquert , aber wir sind vorher abgebogen. Nach einem Pale Ale für mich erreichten wir kurz vor Toröffnung den Stadioneinlass. Es war gut vorbereitet, in kleinen Gruppen ließ man uns an die Drehkreuze, die Scanner funktionierten, die Leibesvisitation ging schnell, wie auch die Versorgung am Cateringtresen.

Auch ein Team, das am Millerntor regelmäßig in den Schlagzeilen ist, zeigte sich von seiner guten Seite: präsent, aber zurückhaltend und kommunikativ. Nur ich hatte eine leichte Kollision, als der Spitzenmann eines Trupps, den ich nicht wahrnahm, weil er aus meinem linken, eingeschränkten Gesichtsfeld kam, absichtlich frontal in mich hineinlief, ohne wenigstens so zu tun, als wolle er ausweichen. Na ja, einen hast du immer dabei.

Weiter geht‘s, Hansa! Kämpfen und Siegen!

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Ein Kommentar zu “Glücklos in Dixiland

  1. Bei der Erwähnung des „Alten Mädchens“ ist es mir warm ums Herz geworden 🙂

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