Hanseator

Musik, Fußball und manchmal auch ein bisschen Hansa

Die Fans sind eine Macht

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Eine Woche vor dem Rückrundenstart in der höchsten deutschen Spielklasse, zwischen Turnieren, Transfers und Testspielen, richtete sich die Aufmerksamkeit der interessierten Öffentlichkeit für ein Wochenende auf jene, die – glaubt man führenden Funktionären und dem medialen Mainstream – verantwortlich sind für eine im deutschen Fußball bis dato beispiellose Gewalt: „die Fans“. Die bundesweite Faninitiative ProFans veranstaltete in Berlin einen Fankongress, um zu erörtern, wie der Fußball der Zukunft aussehen und welche Rolle die Fans darin spielen sollten.

Meine Teilnahme am Kongress war ziemlich kurzfristig und überraschend zustande gekommen – mein lieber Freund Thommy hatte die Moderation zweier durch Union betreuter Veranstaltungen zum Thema „Fanidentifikation“ übernommen und mich als Mit-Diskutanten für die zweite Runde auserwählt, nicht einmal zehn Tage lagen zwischen der Anfrage und meinem ersten großen öffentlichen „Auftritt“ auf einem Podium.

Nun war ich durchaus schon vor größeren Personengruppen in Erscheinung getreten, aber ein bisschen unwohl fühlte ich mich doch bei dem Gedanken, „auswärts“ Statements zur Fan-Identifikation im Allgemeinen und zu deren Ausprägung im Hansa-Umfeld im Besonderen abzugeben. Dass die „offizielle“ Rostocker Szene eine Teilnahme am Kongress ablehnte, machte die Sache nicht gerade leichter. Es war klar, dass ich „nur“ als Person bzw. als Autor von hansafans.de in Erscheinung treten und dementsprechend auch MEINE persönlichen Wahrnehmungen und Sichtweisen darlegen würde – und das bei einem doch recht breit gefächerten Thema.

Die Anreise zum Kongress gestaltete sich nahezu perfekt, pünktlich auf die Minute – sogar vor meinem Gastgeber – erreichte ich den vereinbarten Treffpunkt vorm „Kosmos“, wo ich auch noch den Hansa-Fanbeauftragten „Schuppe“ und Basti, unseren Sveriner Haus- und Hoffotografen traf, die auf dem Weg zum Testspiel in Babelsberg kurz beim Kongress vorbeischauen wollten. Vor der Eröffnungsveranstaltung blieb noch Zeit, sich bei einem kurzen Rundgang mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut zu machen, der schon erahnen ließ, dass die Veranstalter mit großem Engagement und unglaublicher Begeisterung einen bis ins Detail perfekt organisierten Kongress auf die Beine gestellt hatten. Wenn die inhaltliche Gestaltung damit Schritt halten würde, war ein erfolgreicher Ausgang des Treffens schon jetzt sicher.

Die Teilnehmer hatten die Qual der Wahl zwischen vielfältigen, interessanten und brisanten Themenkomplexen mit zum Teil hochkarätigen Referenten und Gästen, es war ungemein schwierig sich zu entscheiden. Nun – für mich war der Ablauf ja schon vorbestimmt, insofern konnte ich es ruhig angehen. Alles mitzunehmen, wäre eh nicht möglich gewesen.

Zum Aufwärmen und Akklimatisieren bot sich der erste Teil der „Identifikations“-Runde im „Lager 8“ mit Beiträgen aus Stuttgart, Berlin (Union) und Nürnberg an. Der recht dunkle und wohl kurzfristig eingerichtete Raum war so gut besucht, dass sogar einige Interessenten stehen mussten, auch die Lichtverhältnisse waren eher suboptimal, was jedoch der inhaltlichen Qualität der Veranstaltung keinen Abbruch tat.

Ein Vertreter vom Commando Cannstatt berichtete sehr interessant über Identitätsstiftung durch den Brustring, die Durchsetzung von Kurveninteressen beim Stadionumbau oder die Bedeutung des historischen VfB-Wappens für die Bewahrung von Tradition.

Identifikation durch Beteiligung – das ist das „Geheimnis“ beim 1. FC Union Berlin. Mit dem Stadionumbau und den unlängst ausgegebenen Stadionaktien wurde in Köpenick etwas in Deutschland einzigartiges geschaffen, die Voraussetzungen für einen eigenen Weg abseits des totalen Kommerzes sind gut.

Beim 1. FC Nürnberg kämpfen die Ultras für eine Umbenennung der Club-Spielstätte in „Max-Morlock-Stadion“, die Besucher der Veranstaltung bekamen einen Einblick in bisherige Aktionen der Szene, die einerseits die Identifikation der Fans mit ihrem Verein stärken und gleichzeitig die öffentliche Meinung in der Region für dieses Ziel sensibilisieren sollen.

Bei allen drei Beiträgen wurde angeregt diskutiert und nachgefragt, so dass die Zeit schnell verging und sogar ein Teil der Mittagspause geopfert wurde. Aber das war es durchaus wert. Nach einer kleinen Stärkung war dann die Zeit gekommen, in den größeren und auch helleren Saal 5 umzuziehen.

Für mich als Podiums-Neuling bot sich nun die Möglichkeit, ganz neue Erfahrungen zu sammeln. Der wiederum recht gut gefüllte Saal bot einen beeindruckenden Anblick, das Interesse war doch überraschend groß, immerhin fanden zeitgleich Veranstaltungen zu Themen wie Anstoßzeiten oder Selbstregulierung statt.

Allein die erste Reihe hatte es in sich: Direkt in Schlagdistanz hatte es sich eine kleine Abordnung des BFC Dynamo bequem gemacht, darunter der bekannte Autor Andreas Gläser („Der BFC war schuld am Mauerbau“). Angst musste man vor ihnen aber nicht haben, im Gegenteil: Die Weinroten bewiesen im Verlauf des Nachmittages eine geradezu übermenschliche Selbstbeherrschung und große Toleranz angesichts der permanent (und nicht nur während dieser Runde) wiederkehrenden Elogen auf die „Heile Welt“ an der Alten Försterei, die selbst manchem Unioner streckenweise eine Spur zu dick aufgetragen daher kamen. Es gab nicht die leiseste Gesichtsentgleisung, geschweige denn verbale Unmutsbekundung aus den Reihen des früheren „Serienmeisters“, Respekt dafür!

Während ich mir noch Sorgen machte, ob ich mit dem ungewohnten Mikrofon klarkommen würde, saß – ebenfalls in der ersten Reihe – Marco vom Onlinemagazin turus.net, der mir hier eine Menge Arbeit ersparte. Sein ausführlicher Bericht findet sich hier.

Und wie war es nun für mich? Mit dem Mikrofon bin ich irgendwie klargekommen, jedenfalls gab es keine (laut geäußerten) Beschwerden. Es hat auch niemand demonstrativ den Saal verlassen, also musste das Gesagte wohl im Großen und Ganzen in Ordnung gewesen sein. Deutlich wurde, wie schon oben befürchtet, dass das Thema Identifikation sehr vielschichtige Aspekte umfasst und die Versuchung in sich birgt, dass zu viel angesprochen wird/werden will. Da sich auch das Publikum, wie schon am Vormittag, rege in die Diskussion einbrachte, hatte Moderator Thommy ordentlich zu tun, um eine Verzettelung zu verhindern, was im Blog von Fabian Fiedler zwar etwas despektierlich, aber nicht unzutreffend so beschrieben wird:

15:12 – Kaffee?
So richtig voran geht es hier nicht, mich erinnert das alles eher an eine Philosophenrunde, bei der leider keiner wirklich neue Impulse setzen kann. In 20 bis 30 Minuten ist Kaffeepause, rein vom Sprechtempo her hat den der eine oder andere auf dem Podium auch gerade nötig.

Die Kritik bezüglich des Sprechtempos nehme ich für mich auf jeden Fall akzeptierend zur Kenntnis, ob mir persönlich aber der Kaffee geholfen hätte, als ich mich von einer Zwischenfrage für einen Moment auf dem falschen Fuß erwischt fühlte, bleibt Spekulation. Die Zeit bis zum Kaffee überstanden dann aber alle gemeinsam – nicht zuletzt auch dank zielführender Mitwirkung aus dem Auditorium. Nach etwa 100 Minuten verließ ich, um riesige Erfahrungen reicher, das Podium und tauchte wieder in die „Anonymität“ ab, um gemeinsam mit Thommy zunächst noch die Diskussion zum Thema „Wir waren im Stadion und haben es überlebt“ zu verfolgen und später am Abend in einem kroatischen Restaurant im Brandenburgischen einen bemerkenswerten Tag ausklingen zu lassen.

Was bleibt vom Kongress? Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an den alten DDR-Gassenhauer, der diesem Beitrag seinen Titel gab. Frank Schöbel, Liebling unserer Eltern, sang damals:

Die Fans sind eine Macht.
Wer keine hat – gute Nacht.
Und sind es auch nur sieben oder acht,
es sind Fans, und Fans sind eine Macht.

Möge die Macht immer mit uns sein!

Weitere Berichte und Informationen zu den Inhalten und Ergebnissen des Kongresses finden sich unter anderem bei den ereits erwähnten turus.net und Fabian Fiedler sowie bei „11 Freunde“ und bei schwatzgelb.de und vielen anderen Fanportalen. Und natürlich möchte ich noch auf die Zusammenfassung meines „Podiumsnachbarn“ und hansafans.de-Kollegen Peter hinweisen.

3 Kommentare zu “Die Fans sind eine Macht

  1. Danke für Deine Eindrücke, besonders für den Teil mit den Büfften, der brachte mich als Unioner heftig zum schmunzeln.
    Grüße nach Rostock.

  2. Danke Hanseator. Wenn wir uns das nächste Mal über den Weg laufen, nehmen wir uns die Zeit für´n Fischbrötchen 😉

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