Dritte Wahl, „Sommer-Sonne-Corona-Konzert“, IGA Park Rostock, 4. September 2021
Was habe ich auf dieses Wochenende gewartet, mich darauf gefreut, nach langer Zeit gute Freunde wieder zu treffen, und das auch noch bei einem richtigen Konzert, also beinahe wie „früher“. Alles war von langer Hand geplant und vorbereitet: Ticketkauf im Januar, erfolgreiche Quartiersuche, Reiseplanung – alles fix, auch die laufenden Behandlungstermine und die allmählich abklingenden Therapie-Nebenwirkungen standen dem störungsfreien Wochenendverlauf nicht im Wege.
Damit jetzt noch etwas schiefgehen könnte, müssten schon sämtliche vorgesehenen Bahnverbindungen ausfallen. Äh … egal, ich will hier nicht mit Einzelheiten langweilen, wichtig ist, dass sich für alle, teils kurzfristig aufkommenden, Probleme Lösungen fanden.
Mein lieber Quartiergeber Tomas sorgte über die Bereitstellung eines gemütlichen Nachtlagers (einschließlich des Blickes auf einen Flutlichtmast des Ostseestadions) hinaus auch noch mit einem geführten subkulturellen KTV-Rundgang für das passende Rahmenprogramm, gekrönt von überaus schmackhaften Pelmeni im „Arbat“ in der Wismarschen Straße (Versteht das bitte als klaren Besuchsauftrag für künftige Ausflüge in die Hansastadt!).



Am Sonnabend schauen wir schnell bei einem sich langsam entfaltenden Straßenfest am „Magger“ vorbei, bevor wir uns, rundum versorgt und bespaßt, kurz vor Toröffnung am Eingang zum Konzertgelände einfinden. Als bekennendes „Team Emotion“ wollen wir schon vor dem Konzert Atmosphäre saugen.
Als wir hineindürfen, bin ich doch etwas von der bestuhlten Fläche irritiert. Ja, das gab es auch 2020 schon, aber da konnte ich leider nicht dabei sein. Premiere also für mich. Um es vorweg zu nehmen, mit dem Erklingen des ersten Gitarrenakkordes sitzt niemand mehr. Es wird sogar flächendeckend getanzt und mitgesungen, alles wie bei einem „echten“ Konzert. Aber nun reicht es auch mit dem Gejammer. Und ganz ehrlich – während der Wartezeit auf den Konzertbeginn nicht stundenlang im dichten Gedränge stehen zu müssen, hat durchaus seinen Reiz, auch wenn die Stühle später schon etwas im Wege stehen, womit sich letztlich alle irgendwie arrangieren können. „Team Emotion“ ist eben auch „Team Empathie“.
Ein bisschen Meckern muss nun aber doch sein: Die Versorgung mit Speisen und Getränken war im IGA Park auch schon mal qualitativ besser, von den abenteuerlichen Preisen ganz zu schweigen. Zwei Getränkewagen, ein Schwenkgrill und ein bisschen Popcorn für (geschätzte) 2000 Besucher sind schon etwas dürftig. Nächstes Mal wird das wieder besser.


Schwerstarbeit müssen die fleißigen Mercher verrichten. Die Nachfrage ist so groß, dass die Schlange vor Luckas‘ Pavillon mitunter länger ist als die an den Bierwagen. Punk trifft das 21. Jahrhundert.
Die Zeit bis zum Konzertbeginn vergeht beim Wiedersehen mit lange vermissten Freundinnen und Freunden, bei denen wir immer wieder feststellen, wie alt wir geworden sind. Teilweise ist es wie im Wartezimmer, dies und das tut weh, ich darf meine Medikamente nicht vergessen. Ja, wir werden es nicht, wir sind alt. Aber es gibt Grund zur Hoffnung: Meine frühere Kollegin Angelika (mehr als 20 Jahre ist das her) bringt inzwischen schon ihren ältesten Enkel (7) mit zu Dritte Wahl. Immer weiter!
Um 20 Uhr geht das Konzert los. Pünktlich auf die Sekunde, nichts gegen das 21. Jahrhundert. Es werden abwechslungsreiche zwei Stunden in einer stimmungsvollen Atmosphäre. Songs der letzten beiden Alben dominieren die Setliste, „vertragen“ sich dabei gut mit älteren Liedern, vom Publikum wird jedes Stück mit der gleichen Euphorie begrüßt und fast ausnahmslos lautstark mitgesungen.
Die Musiker sind in bester Spiellaune, man spürt in jeder Note die Freude, endlich wieder unterwegs zu sein. Bleibt zu hoffen, dass der aktuelle Weg der Rückkehr zu einem halbwegs regelmäßigen Kulturbetrieb nicht plötzlich wieder ein abruptes Ende findet.
Auf liebgewordene Rituale wie das Weitersingen nach Liedschluss bei „Zeit bleib stehen!“ oder „Fliegen“ müssen wir nicht verzichten. Und noch immer läuft es mir bei Liedern wie „Mainzer Straße“, die nach mehr als 30 Jahren nichts an Aktualität eingebüßt haben, kalt den Rücken hinunter. Oder die komplette Publikumseskalation in „Greif ein!“ – immer noch und weiterhin für mich DER Höhepunkt jedes Dritte-Wahl-Konzertes. Dass später für „Runde um Runde“ Ölmütze Karsten mit seiner Engelsstimme den Bühnengesang bereichert, bildet den musikalischen Höhepunkt des Abends.
An das neueste Werk der Band, „Ali Baba“, muss ich mich wohl noch gewöhnen, aber den Leuten hat es durchaus gefallen. Immerhin können wir die Erkenntnis mitnehmen, dass der Held des Liedes nach seinem Coup glücklich bis ans Ende seiner Tage lebte und seine Sklaven (!) gut behandelte, also (zusammengefasst) auch nur ein Arschloch wie viele andere war.
Mit „Fliegen“ und dem traditionellen Publikums-Dauergesang geht der Abend nach etwa zwei Stunden so stimmungsvoll zu Ende, wie er begonnen hat. Aus den Lautsprechern klingt „Griechischer Wein“, wozu sich alle, freudetrunken grölend, in den Armen liegen, diese Reaktion konnte ich in der Vergangenheit beim Rausschmeißer „Wind of Change“ nie wahrnehmen.
Ich freue mich nun auf mein nächstes Mal, wenn nichts dazwischenkommt, werden wir im Februar 2022 in Schwerin #ZSMMN sein. Bis dahin keep on rockin‘!


Setlist
Der Himmel über uns * Was zur Hölle? * Der Spiegel * Zu wahr, um schön zu sein * Wo ist mein Preis * Der große Tag * Abends halb zehn * Störung * Ali Baba * Scotty * Zum Licht empor * 25 Cent * Auge um Auge * Ikarus * Mainzer Straße * Zur See * Halt mich fest * Greif ein
Zeit bleib stehen * Zusammen * Vorbei
Runde um Runde * So wie ihr seid * Fliegen
7. September 2021 um 09:01
Sehr schöner Bericht und ich konnte wieder in dieses Gefühl „Konzerte wie damals“ hineintauchen. (Erinnert mich auch ein bisschen an mein bestes Konzert aus 2021: Granada in Wien.)
Liebe Grüße!