Der letzte Tag unseres Aufenthaltes in Schottland beginnt mit dem obligatorischen Frühstück im Mint & Limes, die Rolle des Störenfriedes übernimmt heute eine Klasse aus Irland, die Schüler blockieren zwar nicht den Toaster, dafür aber sämtliche Tische mit den Hinterlassenschaften ihrer Mahlzeit. Ob sie sich auch einen Teller Haggis ansehen mussten und deshalb so verstört waren, entzieht sich meiner Kenntnis.
Egal, wir kommen in den Genuss des Frühstücks und brechen voller Erwartungen fast pünktlich um 10:05 Uhr Richtung Bahnhof auf. Um 10:08 Uhr passieren wir eine Bäckerei in der Union Street, es folgt die unvermeidliche Pause zur Proviantbeschaffung, die allerdings unerwartet kurz ist, oder besser wäre. Konjunktiv deshalb, weil wir doch noch auf Basti warten müssen. Von draußen können wir beobachten, wie er unbeweglich vor der Ladentheke steht, ohne dass wir den Grund dafür erkennen. Hoffentlich hat er nicht schon wieder etwas kaputt gemacht. Während wir rätseln und in Gedanken schon mal den Ablaufplan für eine gewaltsame Befreiungsaktion durchgehen, wendet sich das Blatt und Basti verlässt die Bäckerei als freier Mann und mit einem gründlich durchgetoasteten Sandwich für unterwegs in der Hand.
Unser Zug nach Edinburgh fährt von der Queen Street Station ab, wir besorgen Fahrkarten und stürzen uns ins Abenteuer Schienenstrang. Ein Gleis Neundreiviertel gibt es hier nicht, so dass wir auch keine Mauern durchbrechen, sondern lediglich ein Drehkreuz passieren müssen. Wir besteigen den bereitstehenden Zug und auf geht’s über die Stationen Falkirk High, Polmont, Linlithgow und Haymarket nach Edinburgh Waverley. Man mag es nicht glauben, aber der Zug stoppt tatsächlich zum ersten Mal in Falkirk. Thommy glaubt es bis heute nicht, deshalb hier exklusiv ein Link zum Fahrplan.
Die Bahnfahrt verläuft angenehm entspannt, der Zugbegleiter zeigt sich bei der Fahrkartenkontrolle begeistert, als Conny, die unser Gruppenticket aufbewahrt, ihm jeden einzelnen zeigt und sich jeder von uns ordnungsgemäß meldet, und ernennt sie zur Wagonkommandantin. Conny stellt sich dieser verantwortungsvollen Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit. Dass es draußen immer kälter wird und auch noch zu schneien beginnt, kann sie aber leider auch nicht verhindern.
Nach Ankunft in Edinburgh begeben wir uns zur Abfahrtsstelle der Edinburgh Bus Tours. Wie in vielen Städten bereits üblich, können Besucher der Stadt ein Busticket erwerben, das sie einen Tag lang berechtigt, diese Busse zu benutzen und an 9 verschiedenen Stationen aus- und einzusteigen. Für uns steht gerade ein Bus bereit, in dem bereits ca. 20 Kinder im Alter von etwa 8 Jahren erwartungsfroh und lautstark auf die Abfahrt warten. Nach gründlicher Abwägung des Für und Wider (Zitat Ajax: „I hate children.“) entscheiden wir uns schweren Herzens, doch erst mit dem nächsten Bus zu fahren.
Wir steigen alsbald in einen Doppelstockbus ein, natürlich gehen wir nach oben und wie immer sitzen die coolen Jungs (Basti und ich) hinten. Hinten bedeutet in diesem Fall, wir sitzen auf der letzten noch überdachten Bank, wobei hier die Betonung auf „noch“ liegt. An frischer Luft und frischem Niederschlag mangelt es jedenfalls nicht. Die Rundfahrt durch die historische Edinburgher Altstadt ist trotzdem ein Erlebnis, in einer knappen Stunde bekommen wir jede Menge Kultur, Architektur und Geschichte zu sehen.
An der letzten Haltestelle vor Rückkehr zum Ausgangspunkt steigen wir aus und werden uns nun in den nächsten Stunden zu Fuß die Royal Mile reinziehen. Vorher müssen wir uns aber erst mal ein bisschen aufwärmen, und womit könnte das besser gehen als mit einem eiskalten Cider? Eine Minute später sitzen wir an der Bar des „World’s End“, eines urgemütlichen Pubs – nicht allzu groß, aber mit tollem Flair. An den oberen Regalbrettern des Tresens sind unzählige Geldscheine und Münzen aus aller Welt befestigt, da ich aber keine Euro-Münzen dabei hatte, werde ich das dann beim nächsten Mal nachholen. Kurz nachdem wir Platz genommen haben, ist das Cider-Fass alle, unter uns muss jemand sein, der schottischen Pubs Unglück bringt. Im Gegensatz zu MacSorley’s in Glasgow am Sonntagabend ist aber noch genügend Vorrat vorhanden – Lebbe geht weidä.
Mit uns am Tresen sitzt ein älterer Herr, der sich als Fußballfan (Celtic) erweist und wissen möchte, wo wir herkommen und wen wir unterstützen. * Union Berlin. * Kennt er nicht, welche Liga? * 2. Liga * Da spielt doch auch St. Pauli? * Kennen wir nicht. (Kleiner Scherz, natürlich bestätige ich ihm die Richtigkeit seiner Annahme). * Unsere Freunde. * Jetzt MUSS ich mich als Hansafan outen, aber er weiß auch nicht, dass wir „Feinde“ sind. Und so plaudern wir noch ein bisschen über Fußball im Allgemeinen: Er schaut im Fernsehen die Bundesliga, zuletzt die Niederlage von Schalke in Nürnberg. Vor ein paar Jahren fand er Hoffenheim ganz gut (böser Blick von mir), aber die sind auch nichts mehr. Schließlich würdigen wir noch Rod Stewarts Tränen nach dem Celtic-Sieg gegen Barcelona als Ausdruck wirklich wahrer Liebe, dann ist unsere Zeit leider um. Wir verabschieden uns und gehen wieder hinaus.
Auf unserem Weg entlang der Royal Mile schauen wir kurz in die St. Giles‘ Cathedral (auch High Kirk of Edinburgh) hinein, dann geht es weiter in Richtung Schloss. Wir machen dort ein paar Fotos auf der Esplanade, dann teilt sich die Gruppe. Conny, Ajax, Thommy, Matze und Basti schauen sich „The Scotch Whisky Experience“ an und fühlen sich wie im Schlaraffenland: In einem Whiskyfass zwischen tausenden Whiskyflaschen herumgefahren zu werden – mehr geht nicht. Ich begebe mich mit Maici und Rinne derweil auf Nahrungssuche, im „Bella Italia“ lassen wie es uns dann schmecken, der Name verspricht nicht zu viel.
Danach treffen wir uns am Souvenirshop „Heritage of Scotland“, der so riesige wie unübersichtliche wie mit Waren vollkommen überfrachtete Laden erinnert irgendwie an einen … Souvenirshop, wie es sie überall in der Welt gibt. Es gibt jede Menge Durchschnittsartikel, aber nichts, was mich wirklich vom Hocker reißen könnte. Inzwischen ist die Zeit fortgeschritten und wir treten die Rückfahrt an.
In Glasgow führt uns unser Weg auf direktem Wege zu „Waxy O’Connor’s“, wo wir nun ein letztes Mal den Abend verbringen und fünf erlebnisreiche Tage Revue passieren lassen. Schon wieder sind wir live dabei, als aus einem Cider-Zapfhahn nur noch Luft herauskommt. Zu allem Überfluss werfe ich erst mal mein Glas Guinness um. Sieht so aus, als bräuchte Schottland langsam wirklich eine Pause von uns.
Am Nachbartisch sitzen vier Damen (zwei jüngere und zwei … äh … etwas weniger jüngere) von jenseits des großen Teiches, sie bekommen zum Glück nichts davon ab, als sich mein Getränk über Tisch und Fußboden verteilt. Etwas befremdet schauen sie aber doch. Als später am Abend dann gegenseitig Gruppenfotos gemacht werden, kennt jedoch ihr Entzücken keine Grenzen mehr, als ich ihre Herkunft (New Jersey) mit einem formvollendeten „Oh, the home of Bruce Springsteen!“ zur Kenntnis nehme. Guter Musikgeschmack zahlt sich eben aus und das gute deutsch-amerikanische Verhältnis nimmt nach meinem anfänglichen Fauxpas nun doch keinen Schaden.
Als das Waxy’s um 23 Uhr schließt, begeben wir uns dann langsam zum Euro Hostel, natürlich nicht, ohne auch MacSorley’s noch einen Abschiedsbesuch abzustatten. Im Hostel sind in der Zwischenzeit unsere Zimmerkarten deaktiviert worden. Das ist etwas unpraktisch, wenn man noch eine Nacht da schlafen will und diese ja auch schon bezahlt hat. Der Fehler wird zwar umgehend behoben, dennoch stehen die Zeichen unverkennbar auf Abschied.
…
Schluss folgt.
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