Hanseator

Musik, Fußball und manchmal auch ein bisschen Hansa

Noch ein Spiel

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Schottland 2014 – Tag 2

Man kann ja von der abendlichen Sperrstunde auf der Insel halten, was man will, aber einen Vorteil hat sie: Man ist immer früh genug im Bett, um nicht den halben nächsten Tag zu verschlafen, was auf Reisen ja nicht ganz unpraktisch ist. Von Sonnenstrahlen, einem in Schottland seltenen Naturphänomen, wachgekitzelt, führt mich mein Weg zum Frühstücksbüffet ins „Mint & Lime“. Es gibt weiterhin die kontinentale Variante mit drei verschiedenen Marmeladensorten, Butter, Toast und staubigem Körnerfutter. Nun gut, man kann ja im Laufe des Tages noch richtige Nahrung zu sich nehmen.

Den Vormittag nutze ich, um mich ein wenig in der Nachbarschaft umzuschauen, und vertreibe mir die Zeit unter anderem im Celtic-Fanshop, der ein umfangreiches Sortiment an mehr oder weniger nützlichen Artikeln im Angebot hat. Es gibt sogar das aktuelle Auswärtstrikot für nur 20 Pfund, allerdings kann ich mich für die gelb-grüne Farbgebung nicht wirklich erwärmen und lasse es bei einer grünen Bommelmütze als Auftragskauf bewenden.

Am Nachmittag steht dann erneut Fußball auf dem Programm, diesmal in zwei Gruppen. Dirk, Lars und Anja zieht es nach Dumbarton, wo der dortige FC, immerhin viertältester Verein Schottlands in der Scottish League First Division – also zweite Liga – auf den Cowdenbeath F.C. trifft. Das Spiel endet 5:1, ist also rein ergebnistechnisch schon mal eine gute Wahl. Die übrigen Reisenden entscheiden sich für ein weiteres Spiel der Scottish Professional Football League: Partick Thistle, ein traditionsreicher Glasgower Verein empfängt den Hibernian FC aus Edinburgh. Sportlich sind beide Mannschaften in etwa auf dem Niveau von Kilmarnock einzuordnen, so dass erneut keine fußballerische Feinkost zu erwarten ist. Dies wird aber durch das Kennenlernen eines neuen, unbekannten Stadions mehr als ausgeglichen.

Auf dem Weg zum Firhill Stadium, der Heimstätte von Partick, fahren wir ein paar Stationen mit der U-Bahn. Die Züge wirken von außen recht klein, aber erstaunlicherweise kann man drinnen doch aufrecht stehen und gehen. Dass auf dem Gleisbett Wasser fließt, irritiert ein wenig, gibt uns aber andererseits die Zuversicht, zumindest nicht verdursten zu müssen, wenn der Aufenthalt unter Tage mal länger dauern sollte.

Es sind nur wenige Stationen von St. Enochs bis zum St. George’s Cross zu fahren und von dort aus noch knapp 30 Minuten Fußweg (netto) zu absolvieren. Dass wir an dem in perfider Weise direkt neben unserer Wanderroute gelegenen Pub „Woodside Inn“ nicht einfach so vorbei gehen können, versteht sich von selbst, dass wir uns dann sputen müssen, um rechtzeitig zum Anstoß im Stadion zu sein, übrigens auch.

Das Stadion liegt inmitten eines Wohngebietes, man geht von der Straße aus durch eine schmale Tür in einen engen Gang, links gibt es an einem kleinen Fenster die Tickets, dahinter muss man sich durch ein verdammt schmales Drehkreuz zwängen, zwei Treppen nach oben gehen und schon liegt einem die Haupttribüne – ein wunderbarer, klassischer Holzbau, bei dem nur die Dachpfeiler die Sicht etwas einschränken – zu Füßen. Von uns aus gesehen rechts befindet sich hinter dem Tor eine freie Fläche, wo in Zukunft eine neue Tribüne entstehen soll, im Moment erinnert die Anlage ein wenig an das alte Georg-Melches-Stadion in Essen.

Wir finden uns im den Gästen vorbehaltenen Bereich am rechten Ende, oberhalb des Spielertunnels wieder, der supportwillige Teil der Hibs-Anhänger steht am linken (nördlichen) Ende der Haupttribüne. Leicht wird es den Fans von ihrer Mannschaft nicht gemacht, in einem recht zerfahrenen Spiel gewinnen die Gastgeber am Ende relativ ungefährdet mit 3:1. Noch in der ersten Halbzeit gelingt Paule ein kleiner Erkundungsgang auf eigene Faust, bei dem er in den Reihen der Gäste sogar ein paar BFCer ausmacht, was automatisch zu der Frage führt: Gibt es eigentlich außerhalb Deutschlands irgendeinen Verein, mit dem die nicht befreundet sind? Wenigstens haben sie keine Fahnenimitate dabei, von denen sich unsere Unioner provoziert fühlen könnten.

Auf der Heimseite gibt es hinter dem Tor einen kleinen Supporters-Block, bei den Toren wird genüsslich zum benachbarten Gästebereich gepöbelt, was jedes Mal sofort den Ordnungsdienst auf den Plan ruft. Spaß haben die Jungs trotzdem. Überhaupt hat man bei Thistle einen besonderen Sinn für Humor. Stellt euch folgende Situation vor: Du stehst irgendwo im Gästeblock, deine Mannschaft spielt den seit Wochen perfektionierten Grottenfußball, bekommt kurz vor der Halbzeit ein Gegentor und in der Pause lässt man dann etwa 50 Kinder im Trikot der Heimmannschaft im Innenraum vor deinem Block entlang laufen und ihren Verein bejubeln. Und die Kids machen dabei keine Gefangenen. Glaubt ihr nicht? Bitte sehr:

Einige von uns nutzen die Halbzeitpause, um ein Häppchen zu essen. Lukas versucht sich an einem Stück „Scotch Pie“, was ihm die väterliche Ermahnung einträgt: „Denke daran, wir haben keine Klobürste in der Hoteltoilette!“ Jetzt werde ich neugierig und probiere die Leckerei auch mal. Es handelt sich um so eine Art Hackfleisch in Teigmantel, in erwärmtem Zustand grundsätzlich essbar und ohne spätere Nebenwirkungen. Es schmeckt gar nicht mal schlecht, so richtig gut aber auch nicht. Es wäre interessant, mal die Version mit Gewürzen zu probieren, falls es eine gibt.

Nach Spielschluss gehen wir langsam wieder zurück zur U-Bahn, natürlich legen wir noch einmal einen Zwischenstopp im „Woodside Inn“ ein, wo es jetzt nicht mehr ganz so voll ist wie auf dem Hinweg. Dann fahren wir wieder in die Innenstadt, unser nächstes Ziel ist „Waxy O’Connor’s“. Der Laden ist brechend voll, auf Leinwand und mehreren Bildschirmen läuft das letzte Spiel der „Six Nations“, eine Art Europameisterschaft im Rugby. Irland und Frankreich stehen sich gegenüber, der Sieger dieser Begegnung wird auch das Turnier gewinnen.

Am Ende eines spannenden Spiels steht es 22:20 für die Iren, mit dem Schlusspfiff bricht ein ohrenbetäubender Jubel aus, die Begeisterung kennt keine Grenzen. Ich muss gestehen, dass ich von den Regeln dieses Spiels keinen blassen Schimmer habe, es scheint aber ein sehr ehrlicher Sport zu sein und die Hingabe von Spielern und Fans ist beeindruckend. Der DJ legt „Galway Girl“ auf, die Siegesfeier startet und gibt uns schon einen kleinen Vorgeschmack auf St. Patrick’s Day am Montag.

Den Abend beschließt ein kurzer Abstecher in McSorley’s Bar, wo eine Band mit einer tollen Sängerin Hardrock-Klassiker, u. a. von Whitesnake und AC/DC vorträgt. Bis zur Sperrstunde lassen wir es uns noch ein bisschen gut gehen, dann wird es Zeit für ein paar Stunden Ruhe. Am Sonntag steht ein Tagesausflug in die schottische Hauptstadt bevor. Kurzzeitige Überlegungen, stattdessen noch das Finale des Scottish League Cup zwischen Aberdeen und Inverness im Celtic Park anzusehen, finden keine Mehrheit, schließlich muss auch ein bisschen Kultur sein.

Was wir in Edinburgh so angestellt haben und warum vor allem unser Jüngster besonderen Spaß hatte, davon handelt der dritte Teil.

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