Schottland 2014 – Tag 5
Für unseren letzten Tag in Schottland haben wir uns noch einmal etwas Besonderes vorgenommen. An Bord eines Kleinbusses werden wir durch die Highlands nach Norden bis Inverness fahren, unterwegs den einen oder anderen Halt einlegen und dann am Abend wieder nach Glasgow zurückkehren.
Nach den guten Erfahrungen aus bisherigen Touren ist unsere Wahl wieder auf Timberbush Tours gefallen. Diesmal werden wir sogar am Hostel abgeholt. Das ist sehr praktisch, denn so müssen wir nicht zu Fuß im strömenden Regen zum üblichen Abfahrtsort am George Square gehen. Abgesehen von unseren trockenen Füßen hat das auch den Vorteil, dass wir wirklich pünktlich losfahren können. Vielleicht.
Unser Fahrer Pete freut sich über meine Jacke mit dem gestickten Rostocker Greifen und erkundigt sich nach der „Rostock Tartan Army“. Ende 2013 war er mal mit ein paar Leuten aus Rostock unterwegs, die hatten ihm einen Aufkleber gegeben, vielleicht kenne ich sie ja? In mir keimt ein Verdacht und ich frage, ob er mit ihnen zur Glengoyne Distillery gefahren ist. Pete bejaht dies und liefert so einen weiteren Beweis für die vielzitierte Weisheit, die Welt sei ein Dorf. Schöne Grüße an die Ropiraten! *(siehe unten)
Viel Zeit zum Smalltalk ist jedoch nicht, und als pünktlich 15 Minuten nach der vereinbarten Zeit alle im Bus sitzen, geht es auch sofort los. Zum einen ist die Gesamtdauer der Fahrt zu beachten, für die Fahrer gelten strenge Regelungen der Fahr- und Ruhezeiten, die müssen natürlich eingehalten werden. Außerdem liegt auf dem Wege noch eine Autobahnbaustelle mit Staupotenzial, die wollen wir möglichst schnell hinter uns lassen. Also tritt Pete erst mal aufs Gaspedal, touristische Erläuterungen wird es dann später geben.
Das ist zunächst auch nicht so schlimm, denn erstens sieht man draußen sowieso nur Wasser vom Himmel fallen und zweitens hat fast jeder mit sich selbst zu tun, ein bisschen persönliche Einkehr nach dem St. Patrick’s Day und der darauffolgenden, viel zu kurzen Nacht gönnt sich jeder gern. Die erste Etappe unseres insgesamt 550 Kilometer langen Rundkurses führt aus Glasgow hinaus zum Loch Lomond, an dessen Westufer entlang nach Inveruglas, von wo es nicht mehr weit bis zum nördlichen Ende des Sees ist. Es ist Zeit für einen ersten kurzen Stopp – Gelegenheit für ein paar Fotos. Der Regen hat zwar inzwischen etwas nachgelassen, tropft aber weiterhin ohne Gnade vom Himmel. Als Fotomotiv eignet sich die Gegend trotzdem, die Atmosphäre rund um das überaus stille Gewässer strahlt einen großen, inneren Frieden aus.
Wie schon letztes Jahr hören wir während der Fahrt entlang des Loch Lomond das berühmte gleichnamige Lied – einmal in klassischer Interpretation durch einen Opernsänger, dann in der Version von Runrig. Dann gerät der Frieden plötzlich in Gefahr. Ich glaube, meinen Ohren nicht trauen zu können, als aus Richtung „Krabbelgruppe“ entsetzliche Geräusche zu mir dringen: Елена Рыбакова, wie die Lärmquelle in der Sprache ihrer Väter heißen würde, hechelt sich durch die Nacht. Einfach nur schrecklich, niemand unternimmt etwas. Im Gegenteil – Leute, denen ich das nie zugetraut hätte (Namen auf Nachfrage), singen auch noch mit. Für einen Moment fühle ich mich allein.
Wir fahren unterdessen weiter nach Norden, die Berge werden immer höher, die Artenvielfalt der Vegetation immer übersichtlicher. Hin und wieder sieht man Hirsche, die wie Feldherren von den Hügeln aus ihre Reviere betrachten. Unser nächstes Ziel ist eine Art Rastplatz, der eine tolle Aussicht auf „Three Sisters“, die südliche Begrenzung des Tals Glencoe, bietet. Glencoe erlangte schaurige Berühmtheit durch das Massaker von 1692, dem 38 Männer aus dem Clan der McDonalds zum Opfer fielen. Die großartige Landschaft diente schon als Filmkulisse, unter anderem (natürlich) für „Highlander“, „Braveheart“ und „Rob Roy“, aber auch in „Skyfall“ oder „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“, und nun endlich auch als Fotomotiv für mich.
In einem unscheinbaren Ort namens Spean Bridge legen wir die erste längere Pause ein, es gibt etwas zu essen und wir schauen uns im Souvenirgeschäft um. Dann besuchen wir das nahegelegene „Commando Memorial“, das den britischen Soldaten gewidmet ist, die in der Gegend auf ihren Einsatz im 2. Weltkrieg vorbereitet wurden. Von der Gedenkstätte aus kann man Ben Nevis, den höchsten Berg der Highlands, sehen, sofern es die Wolken gestatten. Andeutungsweise gelingt das sogar.
Überhaupt sieht es jetzt so aus, als hätten wir unser Regensoll für den Tag erfüllt, denn allmählich klart der Himmel auf, ab und zu lässt sich sogar die Sonne kurz blicken. Das erleichtert uns nun auch die Entscheidung, was wir bei unserem nächsten Etappenziel Urquhart Castle machen wollen. Wir können es uns an Land ansehen oder uns per Schiff auf dem Loch Ness von der Seeseite aus nähern. Die Mehrheit entscheidet sich für die Bootstour, natürlich auch mit dem Hintergedanken, den berühmtesten Bewohner des Gewässers zu erblicken.
Nessie ist allgegenwärtig in der Gegend. Und man kann von der Geschichte halten, was man will, eins ist Fakt: Vielleicht hat noch niemand die Existenz des Wesens bewiesen, aber zumindest sichert die Kreatur jede Menge Arbeitsplätze und ist somit wichtig für die Region, so eine Art Kaiserslautern der Fauna und Flora. Wir bekommen sie trotzdem nicht zu Gesicht, die einstündige Bootsfahrt auf dem Loch Ness war wohl doch zu kurz.
Die Besichtigung von Inverness fällt noch kürzer aus, ein Halt ist hier aus den eingangs erwähnten Gründen nicht vorgesehen. Wenigstens zeigt uns Pete im Vorbeifahren das Stadion des Caledonian Thistle FC, aber für einen Groundpunkt reicht das nicht. Von Inverness aus schlagen wir nun wieder einen südlichen Kurs ein, auf dem Weg zurück nach Glasgow ist noch eine halbstündige Pause vorgesehen.
Pitlochry, etwa auf halber Strecke gelegen, ist ein kleiner Ort, der offenbar ausschließlich von Tourismus lebt. Jetzt, außerhalb der Saison, fühlt man sich in einen Morrissey-Song versetzt:
„This is the (coastal) town that they forgot to close down … come Armageddon come …” (Everyday is like Sunday)
Nun, ganz so böse sollte man dem Städtchen dann doch nicht mitspielen, nicht zuletzt wegen der sehr leckeren Fish’n’Chips, die es im “Plaice to Be” gibt. Leider darf ich sie nicht im Bus essen, Pete macht sich Sorgen, das Aroma könne sich zu stark verbreiten. So muss ich nun das heiße Zeug hinterschlingen wie nichts Gutes. Während der restlichen Heimfahrt nimmt Pete musikalische Rache für Helene F., indem er versucht, uns mit esoterischen Klängen ins künstliche Koma zu versetzen, sonst passiert nichts Aufregendes mehr.
Nach Ankunft in Glasgow besuchen wir noch einmal Tony Macaroni, das ist der mit dem Italienisch-Kurs auf dem Klo. Ich bräuchte eigentlich nichts mehr zu essen, aber als diszipliniertes Reisegruppenmitglied schließe ich mich natürlich an. Den Schlusspunkt hinter fünf erlebnisreiche Tage setzen wir dann in McSorley’s Bar, wo sich junge, erfolgversprechende Künstler am Open Mic austoben.
Wie immer ist die Zeit viel zu schnell vergangen. Vielen Dank an dieser Stelle an alle Mitreisenden für fünf coole Tage und natürlich besonders an Thommy für die umsichtige Vorbereitung und Organisation. Ich hoffe, wir sehen uns alle im Juli beim Turnier der Wildauer Kickers.
Stichwort: Cider Murphy Gang
*Nachtrag, 5. April 2014: Ich habe heute erfahren, dass die Ropiraten mit einem Fahrer namens Stephen unterwegs waren. Falls jemand die geheimnisvolle „Rostock Tartan Army“ kennt, schreibt es einfach in die Kommentare.
7. April 2014 um 10:01
Na Üwf, was hast Du denn gegen Helene? …Atemlos, durch die Nacht, hm hm hm hm hm hm hm…:-)
Ansonsten Danke für den schönen Reisebericht. Ist, als wäre man e bissel dabei gewesen.