Hanseator

Musik, Fußball und manchmal auch ein bisschen Hansa

Trainspotting revisited

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FC Erzgebirge Aue – F.C. Hansa Rostock 2:2, 24. April 2022, Erzgebirgsstadion, 2. Liga, 31. Spieltag

Was für ein schönes Wochenende! Innerhalb von nur 30 Stunden hatte ich all das zurück, was mir dieses Scheiß Virus (und nicht nur das) zwei Jahre lang nur eingeschränkt oder über lange Zeit gar nicht gestattete: Nimm das Thema meines Blogs und gestalte damit ein Wochenende: Musik, Fußball und ein bisschen Hansa. Einfach nur geil. Viel Liebe an alle, die das möglich gemacht haben.

Zur Musik gibt es möglicherweise in den nächsten Tagen noch ein paar Zeilen, hier nur so viel: Sie sind zurück in der Stadt. Und wie!

Aber nun zum Spocht am Sonntag:

In der Spielvorschau war eine Frage aufgeworfen worden: Lebt denn der alte Holzmichl noch? Die glasklare Antwort nach dem 2:2 ist ein entschiedenes „Vielleicht!“ mit starker Abwärtstendenz. Schade für Wismut, die unter tatkräftiger Hansa-Mitwirkung entstandene schnelle Führung bot zwar die Gelegenheit zur spontanen Selbstheilung des siechen Bergtrolls praktisch auf dem Silbertablett, aber der nun von mir befürchtete und vom Heimpublikum erhoffte Angriffsorkan Richtung Kolke-Tor fand schlicht und einfach nicht statt, gleiches Bild in Halbzeit 2 mit nochmaliger Führung im Rücken. So wird das nichts und die „Veilchen“ müssen sich wohl an den Gedanken gewöhnen, am letzten Spieltag Abschied von der 2. Liga zu nehmen, und dabei, als wäre der Abstieg nicht schon übel genug, das letzte Geleit auch noch von ihren speziellen Freunden an der Elbe zu erhalten.

Mit etwas mehr Einfallsreichtum und stärkerem Zug unserer Mannschaft zum Tor hätten wir diese Aufgabe durchaus schon erledigen können, aber mit dem einen Punkt war das Minimalziel (das unterstelle ich mal), den Vorsprung auf Dynamo zu halten, erreicht. Wäre ich Jens Härtel, würde ich jetzt sagen: „Ihr habt den Klassenerhalt bestellt? Da habt ihr ihn.“

Für unser voraussichtlich vorerst letztes Gastspiel im Erzgebirgsstadion hatte die Fanszene zur Mottofahrt aufgerufen, Thema 80er Jahre. Genialer Move, schließlich steht kaum ein Standort im höherklassigen Fußball mehr für 80er-Jahre-Spirit als Aue, das sage ich ohne jede Häme, abgesehen vom Verkehrs-„Konzept“ für die Anfahrt zum Stadion (irgendwas ist ja immer). „Ostiger“ ist es nur wenige Kilometer nördlich in der früheren Bezirksstadt, deren Namen ich aus Respekt für Aue und als Nachfahre der „Generation Lauter“ heute ausdrücklich verschweige. Soviel Sportsgeist muss sein.

Viele der angereisten Hansafans hatten noch einmal tief in der KlaMOTTENkiste gewühlt, um mit angemessener Optik glänzen zu können. Selbst die übertragenden TV-Anstalten kamen daran nicht vorbei und zeigten endlich mal „Bilder, die wir alle sehen wollen“. DAS nenne ich journalistische Sorgfalt, geht doch!

Einen prachtvollen Anblick bot der Zaun vor den Gästeblöcken, denn auch hier war tief in die Kiste gegriffen worden, und zwar in die Schatzkiste. Nicht hundertprozentig zum Thema „80er“ passend, aber eine derart gelungene Ansammlung historischer Flaggen bei einem Auswärtsspiel so effektvoll in Szene zu setzen, das muss man erst mal hinbekommen. Ich habe in letzter Zeit ja doch ab und zu Schwierigkeiten damit, alles gut zu finden, was auf den Rängen passiert, aber hier ist der Hansa-Szene echt ein großer Wurf gelungen. Wie ein berühmter Ex-Fußballer, der ja sogar mal kurzzeitig Hansa-Trainer war, sage ich nur ein Wort: „Vielen Dank!“ Besonders an alle, die diese Schätze seit Jahren aufbewahren und pflegen.

Leider hat man aus dem Block heraus nicht die Möglichkeit, sich ganz diesem Anblick hinzugeben, aber zum Glück gibt es ja doch das Internet, gern verdammt, aber eben doch nicht völlig unnütz. Mir wurde eine schöne Aufnahme zugespielt, einfach nur anschauen und genießen. Und mit „Vietnam“, „FRÖSI“, „Neukloster“, „0:2“ u.v.a. sind wir sogar ganz dicht dran an den 80ern.

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Also dann: Alles Gute für Wismut, kommt bald wieder, wie ihr es ja immer getan habt.

Als wir auf der Heimreise die Autobahnausfahrt Berlin-Spandau passieren, glimmt kurz der Gedanke an einen Abstecher zum Olympiastadion (Hertha gg. Stuttgart) auf, wird aber sofort verworfen, denn die Zeit ist zu kurz, um noch eine komplette Halbzeit zu schaffen. Die Hopperpolizei kennt da bekanntlich kein Erbarmen. Außerdem haben wir den Ground alle schon mehrfach. Ein berühmter Hansafotograf auf der Rückbank wendet ein: Aber nicht mit Magath auf der Hertha-Bank. Immer diese Hinterbänkler kurz vor dem Kofferraum, eine Art FDP unter den Auswärtsfahrern. Groundhopping im 21. Jahrhundert muss „neu gedacht“ werden.

Ein ganz wichtiger Aspekt dieser Auswärtstour darf natürlich nicht fehlen: Die Fanszene hatte einen Sonderzug auf die Beine gestellt, der ganz besondere Beachtung erhielt. Nicht die Art Aufmerksamkeit, die ihr vielleicht sonst erwartet, wenn die Begriffe Hansafans und Eisenbahn in einem Satz vorkommen, sondern ein völlig neuer Kontext. „Späher, auf der Suche nach den Gästefans“, mal anders. Der Zug erwies sich als Magnet für Menschen, die ein von manchen vielleicht belächeltes Hobby pflegen, das aber durchaus zu faszinieren weiß. Also, wenn ihr irgendwann „alle“ Grounds gekreuzt habt, versucht es einfach mal mit Trainspotting. Wer von diesen Bildern nicht gerührt ist, hat Fußball und Bahnfahren nie geliebt.

Bis es so weit ist, entfliehen wir weiter mit Hansa dem oft so tristen Alltag.

Dritte Liga, nie mehr!

 

 

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