F.C. Hansa Rostock – SC Paderborn 0:0, 30. April 2022, Ostseestadion, 2. Liga, 32. Spieltag
Es ist Samstagnachmittag, kurz nach viertel Vier, als sich ein Urschrei in den Rostocker Frühlingshimmel entlädt. Gerade ist das entscheidende „Null-zu-Null“ (Nüchterne Betrachter sagen dazu „Schlusspfiff“, who cares?) gefallen, mit dem das Realität wird, wovon Fans, in deren Adern weißblaues Blut fließt, monatelang geträumt haben, und wofür Experten aller Couleur meist nur ein skeptisch-hämisches Lächeln übrighatten:
Am drittletzten Spieltag der Saison sichert sich Hansa den Verbleib in der 2. Bundesliga. Aus eigener Kraft ist dies gelungen. Wie das sprichwörtliche Eichhörnchen hat die Mannschaft Punkt um Punkt gesammelt, bis eben nur noch einer gefehlt hat, um das Saisonziel auch rechnerisch zu erfüllen. Nicht immer schön anzusehen (wobei: Schönheit liegt im Auge des Betrachters!) und doch mitunter spektakulär (selbst bei der einen oder anderen Niederlage). Genau so hatte ich es mir (bei aller Bescheidenheit) vorgestellt, um mich ausnahmsweise mal selbst zu zitieren: „Wir brauchen Punkte! Wir sind gekommen um zu bleiben.“ Eine Saison wie ein 11Freunde-Fragebogen. Und damit genug der Selbstbeweihräucherung.
Offiziell 24.500 Zuschauer sind bei der saisonentscheidenden Partie gegen den SC Paderborn im Ostseestadion dabei. Das ist eine stattliche Kulisse, deren Explosion bei einem Siegtreffer durch JV18 dem ganzen sicher die Krone aufgesetzt hätte, aber schon die Stones wussten: „You can’t always get what you want.“ Immerhin sehen wir ein rasantes, kampfbetontes Spiel. Paderborn gehört nun mal nicht zur sportlichen „Laufkundschaft“ der Liga und macht auch nicht den Eindruck, einfach nur die Zeit verstreichen lassen zu wollen. Die haben ein spielstarkes Team, das bis zur letzten Minute dafür sorgt, dass ich immer wieder abwechselnd zur Uhr und zum Zwischenstand in Dresden schaue, um mich gleich wieder dem Support anzuschließen, wie es der größte Teil des Publikums tut, weshalb Struppi nicht müde wird, zu fordern: „Wir brauchen das ganze Stadion!“
Heute tut er das tatsächlich nicht völlig grundlos. Es gibt Leute, die im Ostseestadion hinter einem blau-weißen Banner stehen und es für eine gute Idee halten, wenn die Hanseaten auf dem Rasen jede Unterstützung brauchen, die sie bekommen können, irgendwelche Scheiße über Dynamo zu singen und zeitgleich per Tapete den Erhalt des Sportforums Hohenschönhausen einzufordern. Legt euch eure „9A“ gehackt. HIER REGIERT DER FCH!
Scheiß drauf, es gibt wichtigeres. Nach dem Abpfiff feiern Mannschaft und Fans im ganzen Stadion noch lange gemeinsam die erfolgreiche Saison. Die bestimmenden Gefühle sind Dankbarkeit und Erleichterung. Zur persönlichen Verarbeitung schaut euch die ebenso kurze wie entspannte Pressekonferenz mit beiden Trainern bei HansaTV (YouTube) an.
Nachdem wir unser sportliches Saisonziel erreicht haben, hält das Saisonfinale vielleicht noch eine reizvolle Aufgabe bereit. Je nachdem, welche Ergebnisse am vorletzten Spieltag eintreten, könnte es beim letzten Spiel im Ostseestadion noch darum gehen, ob vielleicht doch noch ein Hamburger Verein via Relegation eine Aufstiegschance bekommt, und falls ja, welcher. Wichtige Entscheidungen werden im Ostseestadion getroffen.