Eintracht Braunschweig – F.C. Hansa Rostock 0:1, 12. November 2022, Eintrachtstadion, 2. Liga, 17. Spieltag
Es ist das „Topspiel“ der 2. Liga am Sonnabend, Anstoßzeit: X= 20:30 C.E.T., Hansa spielt auswärts in überschaubarer Entfernung, und ich hatte rechtzeitig Anschluss an eine nette Reisegruppe gefunden, der von Szenekennern ein beachtliches Niveau attestiert wird. Dass unter diesen Umständen die schnöde Standardroutine aus Hinfahrt, Spielgucken und Heimreise keine Option ist, versteht sich von selbst. Die Grundsatzentscheidung, was wir denn machen wollen, war schnell getroffen: Wir suchen uns einen netten Ground entlang der Reiseroute für den frühen Nachmittag heraus und dann gönnen wir uns vor dem Spiel ein erlesenes Mahl in einer angesagten Lokalität.
Den Plan mit Inhalt zu füllen, dauerte ebenfalls nicht lange, es ist eben von Vorteil, für jeden Aspekt einer Auswärtsfahrt kompetente Fachleute im Team zu haben. Und so war ein beinahe auf die Minute pünktlicher Start am Spieltag letztlich nur noch Formsache, gegen 12:00 (X-8:30) rollt unser Neunsitzer los. Ich fasse mich kurz:
Anreise und Rahmenprogramm
Wir besuchen das Waldstadion in Bismark (Altmark), eine hübsche Sportanlage, die mit originellen Details schnell mein Herz erobert. Ausführlicher werde ich darüber bei Gelegenheit berichten, wozu haben wir schließlich die lange Winterpause? Kleiner Appetitshappen: Es gibt bei den Tageskarten eine Ermäßigung für Frauen.
Nach dem Landesligaspiel des TuS Schwarz-Weiß gegen den SSV Havelwinkel Warnau (3:0) müssen und wollen wir zügig weiterfahren. Es ist 16:00 (X-4:30)
Am Reiseziel wartet um 17:30 Uhr (X-3:00) ein Tisch auf uns. Klingt knapp? Ist es auch. Etwa 100 Kilometer sind zu bewältigen, überwiegend auf Landstraßen, einzelne Abschnitte sind so neu, dass uns das Navi regelmäßig ermahnt, doch auf befestigte Straßen zurückzukehren. Das ficht unsere tapfere Fahrerin nicht an und wir schaffen es, fast zur vereinbarten Zeit, um 17:50 (X-2:40) im „Braunschweiger Parlament“ auf der Matte zu stehen. Meine ausdrückliche Besuchsempfehlung für einen bevorstehenden Aufenthalt in BS ist hiermit ausgesprochen.
Schon bei dieser ersten Ortsdurchquerung wird deutlich, dass wir uns beim Essen nicht allzu lange aufhalten sollten, wenn wir das Spiel von Anfang an sehen wollen. Unser „Saaldiener“ (das steht auf seiner Arbeitskleidung) ist mächtig auf Draht, rundum gesättigt treten wir um 19:15 (X-1:15) die letzte Etappe unserer Stadionanfahrt an, die sich als die ultimative Geduldsprobe erweisen wird. Was für eine Riesenmenge Blech, die sich da nutzlos durch die Stadt quält. Wie heißt es so schön? Sie stehen nicht im Stau, Sie SIND der Stau! Ein bisschen beschleicht mich der Gedanke, Reisezeiten zukünftig wieder etwas großzügiger zu kalkulieren, wobei die Fairness gebietet festzustellen, dass uns das heute auch nichts genutzt hätte, denn:
Wir rollen um 19:45 (X-0:45) vor die Zufahrt zum Gästeparkplatz, dürfen aber nicht hinein fahren: „Alles voll, kein Platz mehr! Konnte ja niemand ahnen, dass von euch so viele mit PKW anreisen. Versucht mal, ob ihr irgendwo in der Nähe etwas findet.“ Kurzer Umgebungs-Check, nein, das ist nicht „Versteckte Kamera“. Was soll’s, wir machen jetzt genau das, was uns empfohlen wurde, Versuch macht kluch. Hey, das reimt sich ja auf Fluch! Höchste Zeit, unsere sensationelle Fahrerin beim Namen zu nennen, die es tatsächlich schafft, nach zweimal rechts und einmal links abbiegen steht unser Gefährt um 20:00 (X-0:30) auf einem Parkplatz, der zwar nicht für uns vorgesehen ist, aber darauf können wir leider keine Rücksicht nehmen. Tanja, du bist eine Göttin, und für die Rückfahrt nach dem Spiel unter widrigen Umständen hast du einen Orden verdient.
Ich erfahre später, dass die Parkplatzkapazität am Stadion schon um 17:30 ausgeschöpft gewesen sein soll. Ich kann mich noch erinnern, dass es bei früheren Spielen in Braunschweig (vielleicht 2006, oder auch später?) mal einen etwas entfernter gelegenen Gästeparkplatz mit Busshuttle gab. Was ist daraus geworden?
Wir treffen zum Glück einen netten Eintrachtfan, der uns den kürzesten Fußweg zum Gästeeingang beschreibt, den wir auch tatsächlich in Rekordzeit finden. Nach ebenfalls rekordverdächtiger Einlasskontrolle stehe ich um 20:20 (x-0:10) an der Treppe zu meinem Block, der Durchgang ist komplett mit Menschen verstopft, ein Durchkommen scheint mir unmöglich. Ich höre von außerhalb, wie der Stadionsprecher die Mannschaftsaufstellung verliest, und nehme mir vor, es in der Halbzeitpause zu versuchen, wenn sich der Block erfahrungsgemäß etwas leert. Wenn das auch nicht klappt, wird das wohl nach Sandhausen 2010 das zweite Spiel meiner „Karriere“, bei dem ich von draußen „zusehen“ muss.
Plottwist: Wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Ropirat her. Meine lieben Freunde „Pfütze“ und „Opi“ waren vor Spielbeginn noch kurz dem Ruf der Natur gefolgt, in ihrem Windschatten schaffe ich es tatsächlich in den Block hinein und finde sogar noch einen Platz mit guter Sicht auf das Spielfeld. Es ist 20:30 (X+0:00), das Spiel wird angepfiffen. Ich verstehe diese glückliche Wendung als Zeichen des Fußballgottes, der heute offenbar auf unserer Seite steht. Nicht, dass wir hier sogar gewinnen.
Das Spiel
Wieder einmal lastet vor dem Spiel großer Erwartungsdruck auf unserer Mannschaft. Mit einem Sieg kann (und muss) die Punktzahl zur Saisonhalbzeit auf 21 erhöht werden, was laut Fußballarithmetik die „halbe Miete“ für den Ligaverbleib bedeutet. Die Lieferung „auf den Punkt“ bleibt aus meiner Sicht eine unbedingt erhaltenswerte Charakteristik der „Ära Härtel“. Und nun sieht es erst mal so aus, als könnte Patrick Glöckner an dieses Erfolgsrezept anknüpfen. Mit dieser Gewissheit lassen sich auch Spiele wie dieses aushalten. Wichtig ist auf der Anzeigetafel.
Mein Blocknachbar ist sich von Anfang an sicher: „Braunschweig macht mir keine Angst. Aber wir denen bestimmt auch nicht.“ Ich würde zu gern wissen, wie oft während der TV-Übertragung gejammert wurde, dass in den Nachmittagsspielen so viele Tore gefallen wären … und jetzt sowas? Tja, willkommen in unserer Welt, liebe Abonnenten. Und dann diese Glückseligkeit, als Svante unverhofft einnetzt. Auswärtssieg!!!! (Wie viele Ausrufezeichen sind eigentlich erlaubt, wenn gerade aller Ärger und alle Last von mir abfallen?
Mit der Führung im Rücken spielen wir die 90 Minuten relativ souverän zu Ende. Beim Lesen verschiedener Online-Kommentare wird deutlich, dass dem Braunschweiger Publikum die Darbietung unserer Mannschaft wohl nicht so gefallen hat, mir springt das garstige Wort „Trümmertruppe“ ins Auge. Gern geschehen, für euch hat es gereicht.
Mögt ihr es lieber seriös? Dann habe ich hier eine Leseempfehlung zum Spielverlauf aus Braunschweiger Fanperspektive, den offiziellen Hansa-Bericht findet ihr hier. Seht euch gern die angenehm kurze Pressekonferenz mit beiden Trainern an, u.a. bei HansaTV, bei der zu erkennen ist, dass sich unser neuer Trainer im Angesicht der Medienmeute weniger unwohl fühlt als sein Vorgänger.
Am Sonntag, 13.11.2022, um 2:30 (X+6:00) bin ich zurück in meinem HQ: Drei Punkte im Gepäck, Mission erfüllt. Danke an alle Beteiligten!
Jetzt ist erst mal Pause. Gönnen wir den Spielern ihren Urlaub und den Verantwortlichen im Verein die nötige Ruhe, um ihrer Tätigkeit nachzugehen und den Grundstein für eine erfolgreiche Rückrunde zu legen.