1. FC Nürnberg – F.C. Hansa Rostock 0:0, 21. Mai 2023, Max-Morlock-Stadion, 2. Liga, 33. Spieltag
Vorwort
Erst mal Gratulation an den Trainer und sein Team. Wer hätte ernsthaft gedacht, dass Pieckes letzter Bossmove tatsächlich so dermaßen ins „Schwartze“ trifft? Hammer, weißt? Einer wusste es: Stichwort „Akte S“ Abgesehen vom Spiel in Magdeburg ist das alles wie „geplant“ eingetreten, einschließlich des Abholens der beim Ausräumen des Trainerbüros im Hardtwaldstadion von A.S. vergessenen 3 Punkte. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.
Dass ich nach Nürnberg fahren würde, war schon lange vor dem Sandhausen-Coup beschlossen, nur mit den Details hatte ich mir Zeit gelassen, beinahe zu lange. Es stand ja auch einiges auf dem Spiel. Und so war es nun:
Reise nach und Aufenthalt in Nürnberg
Eine Bahnreise mit Umsteigen am Hamburger Hauptbahnhof, inclusive sparsam kommunizierter Gleiswechsel, ist immer ein sportliches Vergnügen. Für alle, die noch seltener als ich mit der Bahn fahren: Stellt euch einfach vor, wie im Supermarkt die Leute aus allen Richtungen auf direktem Wege zur gerade zusätzlich geöffneten Kasse stürmen, nur gibt es hier anstelle von Einkaufswagen Rollkoffer in die Hacken. Auf-/Abstiegsrelegation kann nicht schlimmer sein. Aber ich will nicht meckern, die Platzreservierungen haben perfekt geklappt, ich hatte sogar trotz hohen Reiseaufkommens mehr Bewegungsspielraum als erwartet, und über jeweils 10 Minuten „Verspätung“ bei Hin- und Rückreise muss man eigentlich kein Wort verlieren. Nichts gegen die Bahn!
Für die letzte Auswärtsfahrt der Saison konnte ich mich natürlich nicht lumpen lassen, es ging ja nicht zuletzt darum, dass es wirklich die letzte bleibt. In kurzer Entfernung zum Hauptbahnhof war trotz späten Planungsbeginns (nur zwei Wochen Vorlauf, manchmal macht mir Angst, wie „spontan“ ich sein kann, wenn es nötig ist) schnell ein angemessenes Quartier gefunden, auch noch mit dem Hansa-Mannschaftshotel gleich um die Ecke. „Zusammenstehen“ ist für uns nicht bloß ein platter Spruch.
In der nahegelegenen Altstadt lässt sich die Zeit am Vortag des Spiels und auch danach gut vertreiben, nicht nur mit leckeren Speisen und Getränken. Es ist so entspannend, ziellos umherzulaufen. Besonders die Atmosphäre am frühen Sonntagabend hat etwas Magisches. Aus Bars und Restaurants dringen die typischen Kneipengeräusche, überlagert von Reaktionen auf die überall laufende Fußballübertragung, ins Freie. Schnell wird deutlich, wem in Franken die Sympathien im Bundesliga-Titelkampf gehören, Jedes BVB-Tor gegen den FC Augsburg wird lautstark bejubelt, begleitet vom zeitlos schönen Evergreen „Zieht den Bayern die Lederhosen aus!“ Es kann manchmal so einfach sein, die gespaltene Gesellschaft zu einen, sogar in Söderland.
Matchday: Berlin! Berlin! Wir fahren nach Berlin!
Einmal gehoppt, nie mehr gestoppt
Zwar beginnt unser Spiel schon um 13:30 Uhr, aber die Umstände machen es möglich vorher noch mit dem Max-Morlock-Platz Valznerweiher einen neuen Ground zu kreuzen, um 10:30 treffen die A-Junioren des 1. FCN und des 1. FC Union Berlin in der Bundesliga-Sonderrunde aufeinander, mit 6:1 eine klare Angelegenheit für die Gastgeber, nach der die Köpenicker sicher froh sind, dass sie gleich wieder nach Berlin fahren dürfen.
Wie sehr kann man sein Publikum hassen? – 1. FCN: Ja!
Bis zum Max-Morlock-Stadion ist es nicht weit zu laufen, und so erreiche ich rechtzeitig meinen Platz auf der Haupttribüne, wo ich bis zum Anpfiff noch ein bisschen … ihr ahnt es … „Atmosphäre saugen“ möchte. Ich habe mir mal einen richtig guten Platz gegönnt, dicht am Spielfeld (bzw. der Laufbahn) hinter der Bank des 1. FCN. Was soll’s? Die 2. Liga wird niemandem geschenkt. Nach etwas komplizierterer Suche finde ich auf Umwegen in „meinen“ Block. Sogar der hilfsbereite Ordner stimmt mir zu: Ein bisschen besser könnten sie das schon ausschildern.
Ich sitze in vorderster Reihe, direkt neben dem Spielertunnel mit bestem Blick auf dessen Außenwand. Eine Besucherin hinter mir registriert meine zunehmende innere Aggressivität und versichert mir: Das wird nachher eingefahren. Damit wird sie Recht behalten, aber mich nervt es trotzdem maximal, vom Geschehen im Innenraum, besonders auf der „Hansa-Seite“, und in der Gästekurve dahinter optisch überhaupt nichts mitzubekommen. Das ist für mich nun mal elementarer Bestandteil des Stadionerlebnisses. Sie werden in Nürnberg ihre Gründe haben, aber schön ist das nicht. Wenn ich wenigstens Aufkleber dabei hätte …
Meine Laune bessert sich, als ich erst Bruce Springsteens „No surrender“ akustisch inhaliere und kurz danach urtümliches Gebrüll wahrnehme, das aus dem Tunnel kommt. Die Hansaspieler feuern sich gegenseitig lautstark an, bevor sie zum Aufwärmen den Platz betreten. Es ist zu spüren, die sind heiß, eigentlich ist das Warmmachen unnötig. Ist es natürlich nicht, aber auf diesen „Wortwitz“ Strupp’schen Kalibers (Hansafans wissen Bescheid) kann und darf ich einfach nicht verzichten.
Als sich die Mannschaften und Schiedsrichter zur Begrüßung aufstellen, wird der Tunnel tatsächlich endlich eingefahren. Nun ist die Sicht endlich so, wie ich es mir beim Ticketkauf vorgestellt hatte, ein wirklicher Top-Platz, ich verzeihe dem „Glubb“ ein kleines bisschen, erwarte als Wiedergutmachung nun aber mindestens einen Punkt für uns.
Die Sicht auf Spielgeschehen und Aktivitäten in den Blöcken ist wirklich hervorragend, und ab Mitte der ersten Halbzeit werde ich wiederholt Zeuge, wie rechts von mir Robert Marien in einem Abstand von wenigen Armlängen das Geschehen verfolgt und mit der Mannschaft mitfiebert. Kurz vor dem Pausenpfiff eskalieren wir sogar gleichzeitig, als der Ball im Nürnberger Tor liegt. Den Einspruch des Videoassistenten registriere ich erst lange nach unserem Vorstand. Kompliment an die Ultras Nürnberg, die sich per Banner gegen die unsägliche VAR-Praxis artikulieren, noch während die Video-Überprüfung läuft, ganz stark! Danach ist schnell Pause und der Tunnel versperrt mir wieder die Sicht.
Von der zweiten Halbzeit bleibt mir vor allem die ungeheure Anspannung im Gedächtnis. Ich genieße jede Minute, in der sich der Ball außerhalb der Hansa-Hälfte befindet. Nürnberg bleibt am Drücker, Hansa wehrt sich So richtig gefährlich wird es in der 89. Minute, als ein Nürnberger Spieler das Spielgerät aus vielleicht drei Metern Entfernung über Kolkes Tor prügelt, was mich ein wenig an eine vergleichbare Aktion von Roßbach am Millerntor erinnert und zugleich die Gewissheit stärkt, dass das hier für uns ein gutes Ende nehmen wird. Folgen noch 6 Minuten Nachspielzeit, dann ist es geschafft. Als Sky-Reporter würde ich jetzt sagen, das war das beste 0:0 aller Zeiten. Und wenn nicht? Egal, Hansa bleibt in der Liga, das zählt.
Neben mir schiebt sich wieder der Spielertunnel nach vorn, so dass ich unserem Vorstand leider nicht persönlich zum Erreichen des sportlichen Saisonzieles gratulieren kann. Wenigstens kann ich noch ein paar Meter nach vorn gehen, da die Rollstuhlfläche vor mir inzwischen frei ist, und sehe aus der Ferne den Feierlichkeiten in und vor der Gästekurve zu: Verdienter Jubel für Mannschaft und Trainer und jede Menge Adrenalin für ein gewaltiges Ego.
Zum Saisonfinale
Ich weiß noch gar nicht, ob ich damit klarkomme, zum letzten Spiel der Saison zu gehen, ohne vorher eine Woche voller schlafloser Nächte zu durchwachen. Das müssen nun andere. Da ich als Fan mit allen mitfühlen kann, die sich um die sportliche Zukunft ihrer Vereine Sorgen machen, wünsche ich allen, die das betrifft, nur das Beste, völlig ohne Hintergedanken. Na gut, einen schon: Besser ihr als wir, so ist eben das Spiel.
Dass nun die beiden Teams am meisten bedroht sind, gegen die Patrick Glöckner seine einzigen beiden Siege als Hansatrainer einfahren konnte, ist schon bemerkenswert. Also sage ich ohne jede Häme in Richtung der beiden B-Städte: Schaut auf euch selbst, dann wird das schon, notfalls eben über die Relegation, die ich einem der beiden ein bisschen mehr „gönne“, wem wird aber nicht verraten.
Funfact zum Abschluss
In Nürnberg gibt es einen Marientunnel. Verdammtes Universum!