Hanseator

Musik, Fußball und manchmal auch ein bisschen Hansa

Zu Gast bei “Feinden”

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Es geschah am 12. Dezember 2012 – dem Tag, an dem das Konzept „Sicheres Stadionerlebnis“ verabschiedet wurde. An diesem Tag flatterte mir eine Einladung ins Haus. Na gut, „flattern“ ist nicht ganz korrekt, eher zwitscherte mir ein blaues Vögelchen, die virtuelle Brieftaube des 21. Jahrhunderts, ich möge mich doch am 3. Februar, so ich nichts besseres vorhätte, am Hamburger Millerntor zur (O-Ton) „Gegnerbeobachtung“ einfinden. Eingeladen hatte mich ein Blogger-Kollege von der anderen Seite der Macht. Die wahlweise Zuordnung zur hellen oder dunklen Seite überlasse ich gern dem geneigten Leser.  Mit dem FC Energie Cottbus sah der Spielplan jedenfalls einen Gegner vor, dessen „Dunkel“-Klassifizierung sowohl am Millerntor als auch im Ostseestadion mehrheitsfähig sein dürfte.

Mein überaus voller Terminkalender enthielt nichts, was diesem Vorhaben entgegenstünde, und so fand ich mich am besagten Termin tatsächlich am verabredeten Platz ein, um der Wiederaufnahme des Spielbetriebes in der 2. Liga nach der Winterpause beizuwohnen. Für die Hamburger war es kein gewöhnliches Spiel, denn nach etwa neunmonatiger Bauzeit sollte die fertiggestellte Gegengerade mit voller Kapazität zur Verfügung stehen und bei der Gelegenheit gleich ein neuer Zuschauerrekord im Stadion aufgestellt werden.

Dem Anlass entsprechend  herrschte an den Eingängen zur Gegengerade vor deren Öffnung eine fast an kindliche Weihnachtsfreude erinnernde Stimmung, die – man mag es kaum glauben – in ihrer positiven Aufgeregtheit an die Atmosphäre erinnerte, die ich eine Woche zuvor bei der Heimkehr der aktiven Hansa-Szene auf die Südtribüne erleben durfte. Als dann endlich der Einlass begann, füllten sich die etwa 10000 Stehplätze zügig, es wurde zusehends enger, so eng, dass man sich kaum noch rühren konnte. Also wurde schon mal eine Charakteristik der alten Gegengerade, wie ich sie beim „verbotenen“ Hansaspiel im letzten Frühjahr erlebte, in die neue mitgenommen. Dem Erlebnis Fußball tut das grundsätzlich keinen Abbruch, aber mit zunehmendem Alter weiß man es durchaus zu schätzen, wenn man sich hin und wieder auch mal bewegen kann.  Kleiner Abzug in der B-Note also.

Im Stadion wurde für jeden Besucher außerhalb des Gästeblockes eine aktuelle Ausgabe des USP-Fanzines „Basch“ kostenlos bereitgehalten, in der die Autoren anlässlich der Tribüneneinweihung ein bisschen Eigenwerbung in Sachen Ultrá betrieben und damit versuchten, dem „normalen“ Stadionpublikum diese Jugendkultur und ihr Selbstverständnis näherzubringen – insgesamt eine durchaus interessante und informative Abhandlung, deren Textmenge mich aber zweifeln lässt, dass sich große Teile der Zielgruppe das Gesamtwerk tatsächlich bis zum Ende durchgelesen haben.

Einen Eindruck von den akustischen Möglichkeiten lieferten dann erst zaghafte, dann aber schnell an Lautstärke zunehmende „Testgesänge“ aus dem mittleren Block, die auch die benachbarten Bereiche erfassten. Bereits da wurde deutlich, dass sich andere Stadionbereiche künftig schwer tun werden, wenn mal die gesamte Gegengerade am Lärmen ist. Schön, dass dieses „Warmsingen“ dank des Verzichtes auf überflüssige Stadionbeschallung aus der Konserve bis zum Beginn des Rahmenprogrammes vor dem Anstoß überhaupt möglich ist. Dass sich die dann erklingenden Melodien wohltuend von dem in vielen Stadien üblichen 08/15-Charts-Einheitsbrei unterschieden, war zwar nichts Neues, aber man nimmt es dennoch gern mit.

Den Höhepunkt erreichte das „Vorspiel“ dann etwa 10 Minuten vor dem Anstoß, als die neue Tribüne mit „You’ll never walk alone“ offiziell in Betrieb genommen wurde. Das hörte sich gut und routiniert an, hat mich aber trotzdem nicht annähernd so stark beeindruckt wie das kurz nach dem Anstoß zelebrierte „Aux armes!“ Dieses kurze, aber intensive Ritual sorgt dafür, dass man selbst als neutraler Beobachter automatisch zur Waffenkammer eilen will, um dem martialischen Ruf unverzüglich Folge zu leisten.

Auf die beiden Mannschaften zeigte dies leider keine Wirkung. Bei den Gastgebern fehlte es weitestgehend an kreativen Ideen, um eine konzentriert verteidigende Cottbuser Mannschaft ernsthaft in Bedrängnis zu bringen. Energie wiederum mangelte es nicht an Mitteln, so etwas wie Spielfluss möglichst im Keime zu ersticken. Insbesondere Sanogo erfreute sich bald der ungeteilten Sympathie des Heimpublikums ob seiner zum Teil bühnenreifen Einlagen bei Zweikämpfen.

Bei den wenigen Torchancen, die sich so ergaben, hatte Energie dann leichte Vorteile, am Ende sprang aber nichts Zählbares heraus, nicht zuletzt aufgrund eines aberkannten Tores (vermutlich Abseits?) und einer sehr wohlwollenden Zweikampfbeurteilung durch den Schiedsrichter, als Thorandt kurz vor Spielende Mosquera im Strafraum … ähm … vom Ball trennte. Folgerichtig konnte es letztlich kein anderes Ergebnis als 0:0 geben. Toll war‘s echt nicht, wobei ich diesbezüglich aber ohnehin nicht verwöhnt bin.

Äußerst dürftig präsentierte sich der Gästeanhang. Zum einen hatte Energie vor dem Spiel bereits 1000 Karten zurückgegeben, eigentlich unverständlich fürs erste Spiel nach der Winterpause und dann noch am Millerntor. Der somit nicht voll besetzte Gästeblock war – mit Ausnahme des nicht gegebenen Tores – praktisch während des gesamten Spieles nicht zu hören. Der akustisch schwache Auftritt konnte auch optisch nicht aufgewertet werden, lediglich drei oder vier Zaunfähnchen gaben ein tristes Bild ab. Einzig Energie-Manager Christian Beeck konnte mal neben dem Platz ein Zeichen setzen, als ihn der Schiedsrichter von der Bank schickte, und fand dabei mehr Beachtung als der Gästeblock während des gesamten Spieles.

Der Heimsupport war sicher auch noch ein Stück von dem entfernt, was man sich bei St. Pauli vorgenommen hatte. Es ist aber auch verdammt schwierig, sich ein eher tristes Spiel „schön zu supporten“. Für meinen persönlichen Geschmack gibt es auch zu viele fremdsprachige Gesänge, da geht doch einiges an Spontaneität verloren. Beeindruckend wurde es immer dann, wenn spielbezogen agiert wurde – sprich: Brachiale Anfeuerung, wenn doch mal so etwas wie ein Angriff gelang und dann vielleicht zu einem Eckball führte, oder auch die Verspottung der gegnerischen Mannschaft als „Schauspielertruppe“.

Insgesamt kann man also die neue Gegengerade durchaus als gelungen betrachten, da steckt viel Potenzial drin, bei entsprechendem Spielverlauf kann sich die Südtribüne durchaus Sorgen machen, ob sie noch gehört wird, und nicht nur die. Auch Gäste, die etwas mehr Energie mitbringen als Cottbus, werden es dann schwer haben, sich bemerkbar zu machen. Insofern hoffe ich natürlich auch, dass bei einem künftigen Neubau der Nordtribüne eine gewisse Chancengleichheit gewahrt wird.

Nach dem Spiel gab es dann noch ein Bierchen auf dem Stadionvorplatz, bevor ich zusammen mit dem regelmäßigen Lesern dieses Blogs sicher schon bekannten „Paulchen“ noch dem Fanladen einen kurzen Besuch inklusive konspirativer Toilettenbenutzung und Kauf des „Übersteigers“ abstattete. Leider hatte ich keine Aufkleber dabei, die Jungs dort hätten sich bestimmt über farbliche Abwechslung gefreut. Machen wir dann beim nächsten Mal. Es gibt doch eines?

2 Kommentare zu “Zu Gast bei “Feinden”

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