Bei Fußballspielen unterscheiden wir bekanntlich solche und solche. Das Spiel unserer Hanseaten gestern in Darmstadt fiel in die Kategorie „solche“. Jedenfalls meinte das der Stadionsprecher am Böllenfalltor, als er eine Durchsage des Sicherheits-Chefs über die Stadionlautsprecher mit den Worten „… wie immer bei solchen Spielen …“ anmoderierte. Wie diese Kategorisierung gemeint war, sollte schnell deutlich werden, als wenige Minuten nach dem Anpfiff plötzlich die Aufforderung an den Gästeblock erging, die über zwei Fluchttoren hängenden Fahnen zu entfernen.
Grundsätzlich ist das sicher nachvollziehbar, im Fall der Fälle sollten diese Tore natürlich auch ihren Zweck erfüllen. Wer im vergangenen Jahr mit in Darmstadt war, erinnert sich sicher, dass es diese Aufforderung damals auch schon gegeben hat, die auch nach mehrfacher Wiederholung unbeachtet geblieben war, was letztlich in einer abschließenden Durchsage mit der (von mir) verkürzten Aussage „Ach, macht doch, was ihr wollt!“ endete.
Vor diesem Hintergrund dürfte es kaum überraschen, dass auch diesmal niemand im Gästeblock Anstalten machte, die Zaunbeflaggung zu korrigieren. Da es sich aber, wie bereits erwähnt, um ein „solches“ Spiel handelte, bot man nunmehr an, diese Dienstleistung durch die Polizei ausführen zu lassen, die wenig später auch in Zugstärke und in martialischem Outfit vor dem Block aufmarschierte. Auch die im Block verweilenden Beamten setzten die Helme auf und nahmen jetzt Wartepositionen im benachbarten Pufferblock ein.
Nur wenige Wochen nach den Ereignissen in Gelsenkirchen und zur gleichen Zeit, als dort Fans gegen den damaligen Polizeieinsatz demonstrierten, sah es also aus, als sollte erneut ein „Fahnenproblem“ gewaltsam „gelöst“ werden. Zufall? Letztlich kam es während des Spieles nicht zum Äußersten – vielleicht ein Zeichen vorsichtigen Umdenkens auch in den Leitstellen? Wünschenswert wäre es, nicht nur bei „solchen“ Spielen.
Spielverlauf und Ergebnis dürften hinlänglich bekannt sein, angesichts der Darbietungen auf dem Platz gebührt den etwa 1000 mitgereisten Hanseaten Respekt für die nahezu engelsgleiche Geduld und Leidensfähigkeit, mit der das Gesehene bis zum Schluss ertragen wurde. Um es mal ganz klar zu sagen: Es herrschte NULL Aggressivität im Gästeblock, die Spieler, die sich nach dem Schlusspfiff an den Zaun „wagten“, durften sich zwar das eine oder andere ernste Wort anhören, aber die seit dem Ende der vorletzten Saison in Mode gekommene „Todesangst“ musste keiner haben.
Umso unverständlicher ist daher, wie es beim Verlassen des Stadions auf dem Weg zu den Fahrzeugen und für die Bahnreisenden bereitstehenden Bussen dann doch noch zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kommen konnte. Fanrandale aufgrund des sportlichen Debakels, wie sie der HR-Kommentator schon während der 2. Halbzeit herbei halluzinierte, war das mit Sicherheit nicht.
Schade, dass am Ende dann wohl doch „Law&Order“-Kräfte am Vorabend der hessischen Landtagswahl noch ein letztes Zeichen setzen wollten. Schade vor allem auch, weil beim Spiel vor zwei Wochen in Chemnitz (das übrigens viel mehr in die Kategorie „solche Spiele“ fällt) demonstriert wurde, dass es auch anders geht.
Mehr zu den Vorfällen nach dem Spiel gibt es bei „Cantona – Superstar!“.
23. September 2013 um 13:49
> „…sollte erneut ein „Fahnenproblem“ gewaltsam „gelöst“ werden.“
Das Entfernen eines Transparents vom Notausgang seitens eines Ordners als „Gewalt“ zu bezeichnen, ist schon einigermaßen gewagt. Im übrigen hatten es die Fans in der Hand, dieses Problem „gewaltfrei“ zu lösen, wäre ganz einfach gewesen. Aber sei doch mal ehrlich: Es geht tatsächlich um Provokation und nicht wenige Fans freuen sich doch, wenn was abgeht. Oder?
23. September 2013 um 14:50
Danke für deinen Kommentar.
Natürlich wäre es das einfachste gewesen, die Fahnen einfach abzunehmen, gar keine Frage, genau so wie vor ein paar Wochen auf Schalke.
Ich habe aber auch nicht ohne Grund auf die Verfahrensweise im Vorjahr hingewiesen, die letztlich ja im Gedächtnis hängen geblieben war. Ein ähnliche Situation hatten wir in diesem Jahr schon gegen Elversberg in Saarbrücken, auch da ließ man es am Ende gut sein und die Fahnen blieben hängen.
Die Freude, „wenn was abgeht“, haben einschlägig interessierte Fans übrigens auch nicht exklusiv. Umso dankbarer bin ich dem SVD98, dessen Verantwortliche wohl maßgeblich den Polizeieinsatz während des Spieles verhinderten.
23. September 2013 um 16:29
Was nach dem Spiel ablief, kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht dabei war.
Wie Dir ist auch mir keine besondere Aggressivität während des Spiel aufgefallen, weder von Fans, noch seitens der Staatsmacht. Aber mir ist noch immer nicht klar, wo das Problem gelegen hätte, die zwei Fahnen woanders hinzuhängen. Es gab mehrfach eine freundliche Bitte des Stadionsprechers. Hintergrund sind Sicherheitsbestimmungen, für die der Veranstalter gerade zu stehen hat, und die letzlich in Ihrer Gesamtheit den Zuschauern zugutekommen.
Also ich versteh’s einfach nicht. Außer vielleicht die pupertäre Haltung „Mir sagt keiner was“ und die Hoffnung, dass bald „was abgeht“.
Leider werden solche Kindergartenspielchen zur Folge haben, das Fahnen und Transparente eben zukünftig untersagt werden. Schade.
23. September 2013 um 15:27
Und das Klohäuschen hat sich wohl von selbst angezündet?
„Da war die Kacke am Dampfen“. Die ach so friedvollen Fans und die böse, böse Polizei.
23. September 2013 um 15:52
Auch dir vielen Dank.
Ich habe zumindest keinen Fackelzug Richtung Toiletten bemerkt, die dann von einem wütenden Mob in Brand gesetzt wurden.
Damit will ich keine Brandstiftung schönreden, aber auch ein einzelnes rauchendes Klohäuschen hätte in meinen Augen keinen Polizeieeinsatz gegen einen ganzen Fanblock gerechtfertigt.