Hanseator

Musik, Fußball und manchmal auch ein bisschen Hansa

Ein frohes Fest

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Alle Jahre wieder … keine Angst, das wird jetzt keine Weihnachtsansprache. Wobei … ein bisschen was von weihnachtlichem Familientreffen hat die alljährliche Wallfahrt der Fußballverrückten ins brandenburgische Outback am ersten Juli-Wochenende schon – nur dass es bei mancher Familie nicht annähernd so harmonisch zugeht wie beim Fanturnier der Wildauer Kickers.

Der Freitag bestand wie üblich aus Anreise, Zeltaufbau und einer kleinen Stadion… Verzeihung, Wohnzimmerführung für frühzeitig Angereiste, zu denen ich – ebenfalls wie üblich – nicht zählte. Die Abendgestaltung wich ansonsten von der üblichen Routine ab. Da war natürlich das WM-Viertelfinale, das sich viele gemeinsam ansahen, und zwar mit jeder Menge farbenfrohem Rauch und bunten Funken, so wie es sich gehört.

Zur Wohnzimmeraktion an der Alten Försterei sind die Meinungen geteilt, ich habe in Senzig kaum Unioner getroffen, die sich damit anfreunden konnten oder wollten. Allgemein war eine gewisse Sorge über die weitere Entwicklung des Vereines greifbar, wie ich sie so bei Union bislang nicht erlebt hatte. Der sportliche Erfolg der letzten Jahre und die stabile wirtschaftliche Entwicklung lassen so manchen ins Träumen von (immer) Größerem geraten, was grundsätzlich ja nichts Schlechtes sein muss, aber es mehren sich eben auch mahnende Stimmen, die ihrer Sorge um den Erhalt der Werte, die Union ausmachen wie kaum einen anderen Verein, Ausdruck verleihen.

Nach dem umjubelten Sieg der DFB-Elf über Frankreich folgte dann der erste sportliche Höhepunkt. Erstmals wurde die Gruppeneinteilung nicht im Losverfahren bestimmt, sondern per Neunmeterschießen. Die Kriterien, die dabei zur Anwendung kamen, blieben weitestgehend im Dunkeln. Jedes Team musste drei Schützen antreten lassen, danach durften alle irgendwie nochmal ran. Aber letztlich war das auch egal, denn keine Mannschaft blieb ohne Gruppe. Mal ganz abgesehen von dem hohen ästhetischen Wert, den die eine oder andere sportliche Darbietung hatte. Und wer kann schon von sich sagen, Thommy, der für die Wildauer Kickers antrat, beim Kicken zugesehen zu haben.

Unser Team (ich hatte erneut die Ehre, das Celtic-Trikot zu tragen) erwies sich bei dieser Prüfung als relativ glücklos. Von unseren sechs Versuchen traf sage und schreibe einer das Tor: Jen, unsere Krabbelgruppen-Prinzessin bei der Schottlandtour im März, konnte unsere Ehre retten. Ich selbst habe mit traumhafter Sicherheit zwei Bälle an den linken Pfosten gesetzt, einmal mit Schuhen, einmal ohne, beide Male an die gleiche Stelle. Gelernt ist gelernt. Zumindest war es schon mal ein kleiner Vorgeschmack für das Turnier, wie sich am nächsten Tag herausstellen sollte.

Zusammen mit mir waren, wie schon 2013, weitere Celtic-Freunde im „Kader“, die Krabbelgruppe war dank Norma zu zwei Dritteln komplett, nur Lukas, unser Bierkönig, fehlte unentschuldigt. Außerdem von der Partie: Daniel, Alex, David und nochmal Daniel (alle aus dem Wildauer Dunstkreis), Jannis und Maximilian aus Hamburg, Big George (der ja eigentlich als Schotte durchgeht) und unser „Küken“ Max.

Die Vorrunde beendeten wir nach zwei Siegen und einer Niederlage sowie drei Punkten am grünen Tisch (eine Mannschaft war nicht zum Turnier erschienen) erstaunlicherweise wieder mit dem Gruppensieg. Im Viertelfinale waren die Fans aus Senzig der Gegner, auch hier reichte es zu einem knappen Sieg, so dass es im Halbfinale dann zu einer Neuauflage des Vorjahresfinales gegen Red Flame United kam, die auch dieses Mal die Oberhand behielten und später im Finale erfolgreich ihren Titel verteidigen konnten.

Für uns blieb ja noch das „kleine Finale“ gegen Chemie Leipzig (CHEMIE LEIPZIG, und das mir!!). In einem ausgeglichenen Spiel stand es nach der regulären Spielzeit 1:1, so dass die Entscheidung vom Punkt fallen musste. Gut, dass wir am Vorabend schon ein bisschen geübt hatten – das Ergebnis der Gruppeneinteilung konnte noch einmal eindrucksvoll bestätigt werden. Nachdem Max, unser Jüngster, seinen Versuch gekonnt in den Armen des später als „Bester Torwart“ geehrten Chemikers platziert hatte, war ich an der Reihe.

Fest entschlossen, nicht ein drittes Mal den Pfosten zu treffen, hämmerte ich den Ball mittig aufs Tor. Der Torwart hatte keine Chance und musste zusehen, wie der Ball an die Lattenunterkante donnerte und von da auf den Boden sprang. Leider bin ich nicht Geoff Hurst und es stand auch gerade kein russischer Linienrichter zur Verfügung, also entschied der Schiedsrichter brutal: Kein Tor. Aus! Ge! Rech! Net! Gegen! Chemie! Nächstes Jahr erwarte ich den Einsatz der neuen Torlinientechnologie. Unabhängig davon kann sich Platz 4 aber durchaus sehen lassen, gerade angesichts unserer recht bunten Truppe. Spaß gemacht hat es uns allen.

Ganz ungetrübt war die Freude in diesem Jahr leider nicht, da die Union-Familie von einem schweren Verlust betroffen war. In der Nacht vor dem Turnier hatte Eddy, ein auch über die Vereinsgrenzen hinaus bekannter und geschätzter Union-Anhänger, Betreiber einer kleinen rot-weißen Flotte auf den Berliner Gewässern, seinen Kampf gegen den Krebs verloren. Es war ein sehr bewegender Moment, als während des Turniers für einen Augenblick alle Aktivitäten unterbrochen wurden, Kickers-Präsident Bomber ein paar Worte des Gedenkens für das Union-Original sprach und nach einem dreifachen, durch Mark und Bein gehenden „Eisern Union!“ alle Anwesenden eine Schweigeminute für den Verstorbenen einlegten. Mein Mitgefühl gilt seiner Familie, seinen Freunden und allen Unionern.

Es ist schwierig, an solchen Tagen einfach zur Tagesordnung überzugehen, und vielen Unionern, gerade den älteren, merkte man an, wie schwer ihnen die Situation zu schaffen machte. Ich kann mir aber vorstellen, dass es sicher in Eddys Sinn war, dieses traditionsreiche Treffen von Fans so vieler verschiedener Vereine fortzusetzen und seiner so zu gedenken.

Nach der Siegerehrung, für die sich als prominenter Gast Christian Beeck zur Verfügung gestellt hatte, formierten sich alle Teilnehmer zu einem gemeinsamen „Mob-Foto“, um ein farbenfrohes Bild traditioneller Fankultur über Vereinsgrenzen hinweg zu zeichnen, und natürlich nicht ohne einen verbalen Gruß an „DFB & ÖFB: Handlanger des Teufels“.

Damit waren die Weichen gestellt für eine rauschende, an Höhepunkten nicht arme Abschlussparty. Die Stimmung wuchs von Minute zu Minute, beispielsweise als die Stauder-Kommilitonen aus Essen ihren Fanclub-Song vorstellten. Auch das traditionelle Höhenfeuerwerk gefiel wieder sehr gut. Die Musikauswahl war phasenweise etwas schräg, wobei ich nicht sicher bin, wovor ich mehr Angst habe – vor „Künstlern“ wie Tim Toupet und Helene F. oder vor Teenagern, die deren Machwerke vom ersten bis zum letzten Ton mitsingen und merkwürdige Tänze dazu aufführen.

Zu vorgerückter Stunde traten dann auch noch die obligatorischen Flitzer auf den Plan, die Offenbacher haben da ja mit ihrem Fernbleiben doch eine Lücke hinterlassen, die nun wieder geschlossen ist. Fast fühlte man sich in eine Show der Chippendales versetzt, zum Glück kamen die Akteure nicht an die Tische.

Es gibt ja auch durchaus subtilere Wege in die Herzen der Damen, oder es wenigstens zu versuchen. Die neueste Masche ist der „Physiotherapeut“. Frauenfüße sind – wie die ihrer männlichen Kollegen – beim Fußball nicht vor Schmerz gefeit, auch wenn sie meist schöner anzusehen sind. Gibt es also eine kleine Prellung oder Verstauchung, ist der „Physiotherapeut“ zur Stelle und betastet, von medizinischen Kenntnissen völlig unbelastet, das Objekt der Begierde, hin und wieder illustriert mit treuherzigem Augenaufschlag. Sieht so Anmache im 21. Jahrhundert aus? Lassen Sie mich durch, ich bin Physiotherapeut. Schrecklich.

Auch die Wissenschaft sollte nicht zu kurz kommen. Sicher erinnert sich jeder an die legendäre Sendung „Hart, aber fair“, bei der Johannes B. Kerner vor zwei Jahren demonstrierte, wie einfach es ist, im Stadion ein Kind anzuzünden. Seit Sonnabend ist bewiesen: Im Trikot von Hertha BSC wäre dem „Kind“ nichts passiert. Also nichts gegen Hertha, würde ich mal sagen.

Um Mitternacht wurde es dann noch einmal emotional. Tobi von den Salzburger Stierwaschern feierte im Schein der Fackeln und unter den Klängen der Austria-Hymne seinen eben angebrochenen 30. Geburtstag. Auch an dieser Stelle nochmal alles Gute und beste Wünsche.

Abschließend möchte ich an dieser Stelle noch Paul grüßen, der in diesem Jahr als einziger Teilnehmer aus Schottland angereist war. Im nächsten Jahr, dazu ist er fest entschlossen, will er wiederkommen, dann mit einer „richtigen“ Mannschaft. Während der Abschlussparty erzählte er, dass er oft gefragt wird, warum er das eigentlich alles auf sich nimmt: den Flug, die Übernachtung im Zelt und das alles auch noch ganz allein. Seine Antwort darauf: Ich bin da nicht allein. Besser kann man den Geist dieses Turniers nicht auf den Punkt bringen.

Wir sehen uns 2015, dann übrigens zu meinem zehnten Turnier.

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