Es war am St. Patrick’s Day 2014, als ich zum ersten Mal mit einer schottischen Band in Berührung kam, deren Musik mich vom ersten Ton an gepackt hat: The Wakes (bzw. ein Teil davon) sorgten für einen unvergesslichen Abend in der Glasgower Tolbooth Bar. Ich hatte mir damals vorgenommen, die Band unbedingt mal in kompletter Besetzung zu sehen. Und ich musste nicht mal lange warten, denn am 26. Juli, also gerade mal vier Monate nach dem „Erstkontakt“, war es bereits so weit: The Wakes spielten in Hamburg.
Einen Haken hatte die Sache allerdings, es war die Saisoneröffnung des FC St. Pauli, nicht gerade ein naheliegender Termin in der Saisonplanung eines Hansafans. Aber wie sagt der Mecklenburger immer so schön: Wat mutt, dat mutt. Und außerdem war ja auch noch Celtic als Testpartner am Millerntor zu Gast. Dankenswerterweise hatte der DFB bei der Spieltagsplanung für die dritte Liga mitgedacht und das Auftaktspiel des FC Hansa in Münster (wir haben übrigens gewonnen, kaum zu glauben!) auf den Sonntag gelegt, so dass die einzige Veranstaltung, die meinem Wunsch noch in die Quere hätte kommen können, genau das nicht tat. Perfekt.
Um Gegengeraden-Tickets für das Fußballspiel hatte sich mein Freund „Paulchen“ gekümmert (vielen Dank nochmal an dieser Stelle!). Wir trafen uns rechtzeitig am Stadion, um möglichst vor dem Einsetzen des großen Andranges schon unsere Plätze auf der Tribüne einzunehmen. Etwas Zeit war aber noch, und so hätten wir uns fast die Ausstellung „Fuck you, Freudenhaus“ angesehen, die bis zum 30. August unter der Gegengerade zu sehen ist. Fast, denn der Eintritt von 5 Euro lässt vermuten, dass man sich für die Inhalte wohl etwas mehr Zeit nehmen und nicht schnell mal eine Viertelstunde vorm Spiel hindurch flitzen sollte, also verzichteten wir.
Im Stadion füllten sich die Stehplätze dann erwartungsgemäß schnell. Vor dem Spiel lernte ich noch den mir bereits virtuell bekannten Maik vom „Übersteiger“ nun auch kurz persönlich kennen. Was den bevorzugten Fußballverein angeht, werden wir wohl eher nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen, aber zu Wahl seiner Hausbäckerei kann man nur gratulieren.
Über das Spiel gibt es nicht allzu viel zu berichten, ein typischer Vorbereitungskick eben. Celtic war mit einer (mir) weitestgehend unbekannten Mannschaft am Start und konnte spielerisch nicht wirklich überzeugen. Die Hausherren hatten die Begegnung im Griff, konnten sich aber auch nicht übermäßig viele Chancen erspielen. Am Ende reichte es für einen knappen St. Pauli-Sieg, nicht zuletzt auch dank eines doch recht kläglich verschossenen Celtic-Elfmeters. Den meisten Beifall erhielt ein Flitzer, der kurz vor dem Schlusspfiff eine kleine Ehrenrunde auf dem Platz drehte und sich dabei seinen Verfolgern – frei von jedem Ballast – läuferisch überlegen erwies.
Die Stimmung auf den Tribünen war für ein Testspiel durchaus annehmbar, nicht durchgängig (natürlich), aber immer wieder mit lautstarken Momenten. Dank der fehlenden, weil bei einem solchen Spiel unnötigen Fantrennung gab es überall im Stadion bunt gemischte Blöcke, die konsequenterweise auch beide Teams unterstützten.
Nach dem Spiel ging es dann auf dem Stadionvorplatz weiter mit der stimmungsvollen Saisoneröffnungsparty. Der Platz war gut gefüllt, das Bier floss in Strömen, auf der Bühne begeisterte die „Millerntor Brigade“ mit leidenschaftlich und mitreißend vorgetragenen irischen Folksongs, dabei gab es traditionelle und auch eigene Stücke zu hören. Insgesamt eine tolle Einstimmung auf das, was noch folgen sollte.
Gegen 19:30 Uhr war es dann endlich so weit. The Wakes legten los mit „Bella Ciao“/“The lonesome Boatman“. Hmm, gleich zu Beginn wurde mein heimlicher Musikwunsch erfüllt, nicht gerade die optimale Konzert-Dramaturgie, aber woher sollten sie das auch wissen? Andererseits ist man so auch gleich auf Betriebstemperatur.
Doch auch das weitere Programm hielt genügend Höhepunkte bereit, die den sich immer mehr füllenden Platz immer wieder zum Beben brachten. Ein sehr intensiver Moment war die Interpretation der „Moorsoldaten“, die ich so auch noch nicht gehört hatte. Und natürlich wurde immer wieder die Freundschaft zwischen den beiden Vereinen zelebriert. So fand ich mich auch einmal in der Umarmung eines jungen, aber sehr stabil gebauten Schotten wieder, der mit mir „Fans of St. Pauli“ besang – wenn der gewusst hätte. 😉
Die Atmosphäre blieb auch mit steigendem Pegel im Publikum weitestgehend frei von Aggression, es war wirklich sehr entspannt. Lediglich „Paulchen“ sorgte mit seinem Outfit immer mal wieder für Irritationen. Er trug ein Shirt der brasilianischen Fußballlegende Zico in den Farben von Flamengo. Das Vereinslogo besteht aus den Anfangsbuchstaben des offiziellen Vereinsnamens Clube de Regatas do Flamengo – CRF. Deren Anordnung auf dem Trikot brachte ihm wegen ihrer verblüffenden Ähnlichkeit mit einem anderen Glasgower Verein trotz komplett anderer Vereinsfarben und des Namens Zico so manchen fragenden Blick und einmal sogar eine schon etwas weniger wohlwollend formulierte direkte Nachfrage ein. Die jungen Leute wissen jetzt zwar immer noch nicht, wer Zico ist, aber geglaubt haben sie ihm.
The Wakes spielten ungefähr zwei Stunden, auch „elektrisch“ verliert die Musik nichts von ihrer faszinierenden Wirkung, wie ich sie schon akustisch am St. Patrick’s Day erleben durfte. Nicht so recht dazu passen wollte die mit zunehmender Dauer der Veranstaltung immer häufiger fliegenden Bierbecher, die eher an einen Torfrock-Auftritt erinnerten, aber natürlich sollten auch die „Paadie-Paulis“ nicht zu kurz kommen. Alerta Alcoholista!
Dem positiven Gesamterlebnis tat das jedoch keinen Abbruch. Vielleicht mache ich das ja irgendwann mal wieder.