„Alternativlos“ ist das neue „Keine Experimente!“. Letzteres diente vor 25 Jahren zur Ruhigstellung „ewig gestriger“ Nörgler, denen die rasende Hatz von „(Wir sind) das Volk“ zu „ein Volk“ etwas zu hektisch geriet. Wirtschafts- und Währungsunion („Kommt die D-Mark nicht hier, dann gehen wir zu ihr“) und späterer „Beitritt“ konnten der übergroßen Mehrheit der mündigen Bürger gar nicht schnell genug gehen, da war keine Zeit für ruhige Überlegung oder gar Skepsis.
Was das alles mit Hansa zu tun hat? Nichts, sieht man einmal von der Geschwindigkeit ab, mit der die Vereinsmitglieder in wenigen Tagen eine tiefgreifende Entscheidung, die das Gesicht unseres Vereins für immer und unumkehrbar verändern wird, treffen sollen. Die zur Verfügung stehende Zeit des Nachdenkens und Abwägens ist sogar noch viel kürzer als damals, nicht zuletzt deshalb, weil dieses Mal aus dem Hansa-Umfeld nichts vorher nach außen drang und bis auf ein informelles Gespräch mit ausgewählten Vereinsmitgliedern am Vorabend die Öffentlichkeit tatsächlich erst bei der eigens anberaumten Pressekonferenz von den aktuellen Plänen der Vereinsführung erfuhr.
Von den Teilnehmern des Informationsgespräches (das ich übrigens ausdrücklich begrüße, eine überaus lobenswerte Handlungsweise des Vereinsvorstandes, aktiv auf die Mitglieder zuzugehen!) ist zu vernehmen, am 10. Mai würde keinesfalls schon die Ausgliederung der Profiabteilung verbindlich beschlossen, sondern lediglich der Vorstand beauftragt, Verhandlungen aufzunehmen und zur ordentlichen Mitgliederversammlung ein beschlussfähiges Konzept der Umstrukturierung vorzulegen, und im Falle der Ablehnung fiele die ganze Sache ins Wasser.
Machen wir uns nichts vor, der mit der Einladung versandte Beschlussantrag des Vorstandes ist eindeutig formuliert (Hervorhebung von mir):
„Der Profifußballbereich des Fußballclub Hansa Rostock e.V. wird nach Maßgabe der in der Begründung dargestellten Rahmenbedingungen auf eine GmbH & Co. KGaA mit der beabsichtigten Firma ‘F.C. Hansa Rostock GmbH & Co. KGaA‘ ausgegliedert. Die rechtlich notwendigen Maßnahmen und die Einzelheiten der Ausgliederung werden auf einer weiteren Mitgliederversammlung beschlossen.“
In der Begründung heißt es dann unter anderem (Hervorhebung von mir):
„… Der gestellte Antrag beinhaltet nur den Grundsatzbeschluss, dass eine Ausgliederung … erfolgen soll. …“
„Dass“, und nicht „ob“! Das bedeutet schlicht und einfach, dass unsere Kogge im Falle der zu erwartenden Zustimmung der außerordentlichen Mitgliederversammlung auf ihrem Törn ins Ungewisse den „Point of no return“, wie das in der Seefahrt so anschaulich genannt wird, hinter sich lassen wird. Dies sollte allen Mitgliedern bei der Abstimmung am 10. Mai bewusst sein. Es ist dann eben nicht so, wie verschiedentlich kolportiert wird, dass die Mitgliederversammlung den Prozess noch einmal stoppen könnte. Es gibt dann kein Zurück!
Ich bin kein Betriebswirt, Finanzgenie oder Jurist, daher verkneife ich es mir, die angekündigte Umstrukturierung mit all ihren Folgen zu bewerten. Anders ausgedrückt, ich bin darauf angewiesen, den Erklärungen des Vorstandes zu vertrauen, gleiches gilt für den ominösen, unbekannten „strategischen Partner“, der – vereinfacht ausgedrückt und wie ich es verstehe – ohne praktische Gegenleistung Millionen investiert, weil er einfach ein Hansaherz hat, und der gleichzeitig auch noch dem Ostseestadion seinen Namen zurück gibt. Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Ich glaube nicht an gute Feen, bei solchen Stories spukt mir der Name Maschmeyer durch die Gehörgänge.
Als „Fußball-Romantiker“ hängt mein Herz an der klassischen (altmodischen?) Vereinskultur, in der es nicht um Renditen, Kapitalanteile oder „die Marke Hansa“ geht. Diese Kultur ist, so höre und lese ich immer wieder, im „modernen Fußball“ nicht konkurrenzfähig. „Willst du Hansa in der 1. oder 2. Liga sehen, geht es eben nicht anders“, ist eines der beständig und mit zunehmender Lautstärke wiederholten Argumente für eine Ausgliederung. Wahrscheinlich stimmt das ja sogar. Die Frage ist dann eher: Will ich die 1. oder 2. Liga um jeden Preis? Abgesehen davon, dass es ja erst mal um das wirtschaftliche und (im Moment auch noch) sportliche Überleben in Liga 3 geht. Alternativlos eben!
Ich habe nun die Wahl:
Ich stimme der Ausgliederung zu. Wenn ich mich mit dieser Entscheidung auf Seiten der Mehrheit befinde (wonach es aussieht), bedeutet das den Abschied von einem Verein in seiner jetzigen Form, den ich seit meiner Ankunft in Mecklenburg vor 27 Jahren langsam und immer mehr kennen- und allmählich lieben gelernt habe.
Oder:
Ich stimme der Ausgliederung nicht zu. Wenn das die Mehrheit tut, gibt es keinen Investor und folglich keine Lizenz für die neue Drittliga-Saison. Ob und wie es in diesem Falle für den Verein weiterginge, spielt in der aktuellen Diskussion kaum eine Rolle, dennoch ist genau das die angeblich nicht vorhandene Alternative, die jedoch niemandem gefällt, denn auch das, soviel ist klar, hätte den Abschied von meinem Verein in seiner jetzigen Form zur Folge.
Irgendwie eine beschissene Situation, oder? Bis zur außerordentlichen Mitgliederversammlung sind noch ein paar Tage Zeit. Zeit zum Nachdenken, zum Abwägen. Zeit vor allem, um offene Fragen zu sammeln, auf die es am 10. Mai vielleicht Antworten gibt. Der weit verbreiteten Euphorie mag ich mich vorerst nicht anschließen. Es wird eine schwere Entscheidung, soviel ist sicher.
Aber eins ist auch sicher: Keine „Marke“, keine Rendite, keine Anteile mit oder ohne Stimmrecht können mir die wunderbare Zeit nehmen, die ich mit vielen Freunden im Ostseestadion oder bei den Fahrten quer durch die Republik hatte, die Momente der Freude und Enttäuschung, des Hinfallens und Wiederaufstehens und nicht zuletzt die ungebrochene Hoffnung, die uns durch die schwierigen letzten Jahre begleitet hat und auch immer begleiten wird. Die Hoffnung, dass wir uns am Sonntag richtig entscheiden und auch in ein paar Jahren noch Spiele des F.C. Hansa Rostock im Ostseestadion erleben können.
Wenn wir zusammen gehen,
Wenn wir zusammen stehen,
Werden wir niemals, niemals untergehen!
5. Mai 2015 um 06:38
Du bekommst auch jeden Investor wieder raus und jede Struktur geändert. Stell dir vor es ist Spieltag und keiner geht hin.
Ein Verein lebt durch die Fans. Leider besteht bei allen Vereinen die Gefahr der Redbullisierung oder des Auditismus.
Als Thiago im Halbfinale des DFB Pokals ausgewechselt wurde meinte der Moderator es gebe tosenden Beifall, der Ton in meinem TV hab normales Klatschen wieder, tosend geht anders. So verkommt Fankultur zum Musikantenstadlmitklatschclub
.
Pingback: Vor dem Wagnis | Fußball Jobs