Hanseator

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Neue Wege

Ein Kommentar

Außerordentliche Mitgliederversammlung des F.C. Hansa Rostock e.V., 10. Mai 2015

Nun ist es passiert, mit überwältigender Mehrheit hat die außerordentliche Mitgliederversammlung am vergangenen Sonntag die Ausgliederung der Profiabteilung beschlossen. Als „strategischer Partner“ wurde der Unternehmer Rolf Elgeti vorgestellt, der Anteile an der künftigen „F.C. Hansa Rostock GmbH & Co. KGaA“ erhalten soll. Das (für mich) unerwartet deutliche Votum der Mitglieder war zugleich Voraussetzung für die sofortige finanzielle Unterstützung durch den neuen Partner bei der Schließung einer vom DFB im Zuge des Lizensierungsverfahrens errechneten Liquiditätslücke, die zur Verweigerung der Lizenz für die Saison 2015/16 und als Konsequenz mutmaßlich in die Insolvenz des FCH geführt hätte.

Die Veranstaltung war (fast) bis ins letzte Detail gut vorbereitet. Lediglich am Einlass kam es zu (unerwarteten?) Verzögerungen, die Schlange vor der Registrierung wuchs so schnell, dass die Augen Mühe hatten, dem Ende zu folgen. Insgesamt waren fast 1800 Mitglieder der Einladung gefolgt, eine ordentliche Teilnahme. Somit begann die Versammlung dann auch mit 45 Minuten Verspätung. Im Geiste hörte man Karl-Heinz Kordt, der zum Zusammenrücken aufforderte, wenn draußen noch Tausende warteten.

Die Auftaktphase der Versammlung war geschickt durchkonzipiert. „Zusammen“ (Kollektiv Hein Butt) schwor die Anwesenden gleich auf Harmonie und Zusammenhalt ein, bei „Hansa Forever“ sangen dann alle Anwesenden auf und vor der Bühne schon lautstark mit. Hat man auch nicht oft bei Veranstaltungen dieser Art. Den ersten Paukenschlag gab es dann mit der Bekanntgabe der aktuellen Mitgliederzahl: 10.023! Ein solches Bekenntnis zum Verein nach sportlich und wirtschaftlich so deprimierenden Jahren ist schon etwas Besonderes. Der Jubel war dementsprechend lautstark.

Der AR-Vorsitzende Harald Ahrens nahm in seinem Vorwort zum Bericht des Vorstandes diese Stimmung auf der Tribüne auf und zog mit der Feststellung, der liebe Gott sei wohl doch ein Mecklenburger, und dem Appell, im Ostseestadion darf es nie so etwas wie ein RB Rostock geben, die emotionale Schraube weiter an.

Versammlungsleiter Gunnar Kempf griff in seiner Moderation auf maritime Metaphorik bester Klinkmannscher Schule zurück, dann bat Hansa-Vorstand Michael Dahlmann um Nachsicht, wenn in den letzten zwei Wochen der Eindruck entstanden sei, hier würde den Mitgliedern die Pistole auf die Brust gesetzt. Na ja, das ist bei Entscheidungen dieser Dimension mit zwei Wochen Vorlauf wohl nicht zu vermeiden. Mit der anschließenden Vorstellung der „Strategie 2020“ wurde den Mitgliedern ein Konzept präsentiert, das unseren gebeutelten Verein nicht nur aus der aktuellen Krisensituation befreien, sondern nun auch dauerhaft auf ein solides wirtschaftliches und sportliches Fundament stellen soll. Es wurden sehr ambitionierte Ziele und Visionen formuliert, für deren Erreichung eine Menge Arbeit auf Vorstand und Mitglieder wartet.

Dann folgte mit der Vorstellung des künftigen Partners der Moment, auf den die meisten Anwesenden besonders gespannt waren. Herr Elgeti konnte einige Sympathiepunkte sammeln und durchaus glaubwürdig vermitteln, mit seinem finanziellen Engagement für unseren (und auch seinen) Verein keine weitergehenden Ambitionen hinsichtlich einer Funktion in Vorstand oder Aufsichtsrat zu verfolgen, auch sind keine medienwirksamen Statements seinerseits zu sportlichen Fragen zu erwarten. Als einzige Belohnung winkt in irgendeiner (fernen?) Zukunft im Erfolgsfall die Wertsteigerung seiner erworbenen Anteile an der neuen Gesellschaft. Ist er also doch so eine Art Märchenfee? Wir werden es eines Tages wissen – so oder so.

Ich glaube persönlich nicht, dass die Zustimmung in der Mitgliederschaft des FCH so ungeteilt und vor allem unkritisch ist, wie es das Abstimmungsergebnis erscheinen lässt. Hansa-Vorstand Michael Dahlmann sprach später bei Hansa-TV von 99 Prozent, aber da hat er wohl die nicht ausgezählten Stimmenthaltungen übersehen: Stimmberechtigt waren 1696 Mitglieder, für den Antrag stimmten 1488 bei 10 Gegenstimmen. Da bleiben ja doch noch ein paar übrig. Die tatsächliche Quote von 88 Prozent ist ja trotzdem deutlich genug.

Ich denke ja, dass die Dunkelziffer der Zustimmungen mit Fragezeichen – sozusagen ein „Ja, aber …“ – nicht unerheblich ist, auch wenn das bei der Abstimmung oder während der Diskussion kaum deutlich wurde. Einzelne Wortbeiträge mahnten aber schon an, bei aller Euphorie, die mit dem Griff zum Rettungsring einhergeht, und vor lauter Finanzgedöns niemals die Werte zu vergessen, die unseren Verein in all den Jahren seiner Existenz ausgemacht haben. Und nicht zuletzt hatten wir uns irgendwie immer gewünscht, nie vor eine solche Entscheidung gestellt zu werden, was auch Michael Dahlmann in seinem Vortrag so ausführte.

Ich selbst habe schweren Herzens für die Ausgliederung gestimmt, gerade weil ich mich beim Thema „moderner Fußball“ in den Reihen der Skeptiker sehe. Nach wie vor freue ich mich für jeden „klassischen“ Fußballverein, dem dieser Schritt erspart bleibt. Ausschlaggebend für meinen „Sinneswandel“ waren zwei Gesichtspunkte: Zum einen bereiten mir die Unwägbarkeiten und unkalkulierbaren Risiken im Falle der Lizenzverweigerung und Insolvenz äußerstes Unbehagen, das größer ist als die Skepsis gegenüber dem (inzwischen nicht mehr unbekannten) Investor. Und letztlich hat mich der Auftritt von Herrn Elgeti inhaltlich, aber auch was die menschliche Komponente angeht, zunächst etwas beruhigt.

Nur ein kleines Häuflein Aufrechter stemmte sich eisern gegen den übermächtigen Strom der Ausgliederungsbefürworter und stimmte mit „Nein“. Diese zehn Mitglieder unseres FCH verdienen großen Respekt für ihre Prinzipienfestigkeit und nicht etwa gönnerhafte Klugscheißerei darüber, was sie angeblich nicht verstehen können oder wollen, wie sie schon kurz nach Ende der Mitgliederversammlung in so mancher virtuellen Diskussion über sie herein brach.

Vorstand und Aufsichtsrat stehen nun vor der Herkulesaufgabe, die Ausgliederung auf den Weg zu bringen, dazu sind Satzungsänderungen vorzubereiten, Verträge zu verhandeln und jede Menge gesetzlicher Bestimmungen zu beachten, um nicht auf juristisches Glatteis zu gelangen. Dabei sitzt die Zeit den Akteuren gewaltig im Nacken, denn die Einreichungsfrist für Satzungsänderungsanträge endet am 30. Juni. Die Mitglieder sollen die Möglichkeit bekommen, sich aktiv in diesen Prozess einzubringen, dazu hat sich der Vorstand in einer „Selbstverpflichtung“ ausdrücklich bekannt. Es werden Informationsforen veranstaltet, alle zwei Wochen bis zum 30. Juni, danach monatlich, außerdem sollen alle Fragen, Vorschläge und Anregungen an den Vorstand kurzfristig per E-Mail beantwortet oder bei einem der Informationsforen thematisiert werden.

Unsere Pflicht als Mitglieder ist es, den Prozess wachsam und kritisch zu begleiten und dafür zu sorgen, dass die Werte und satzungsgemäßen Ziele, für die unser Verein immer stand, auch in einer neuen Struktur erhalten bleiben. Schlüsselworte auf dem Weg dahin sind: Hoffnung, Vertrauen, Begeisterung. Wir werden eine Menge von allem brauchen.

Ein Kommentar zu “Neue Wege

  1. Wird schon, wir kennen das alles hier 🙂

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