Hanseator

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Wieder zu Hause

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Feine Sahne Fischfilet – Straßenabitour, M.A.U. Club Rostock, 29. & 30. Januar 2016

Samstagabend, gegen 21:30 Uhr im Rostocker M.A.U. Club. Gerade haben Stage Bottles einen furiosen Auftritt vollendet, die Menge stimmt sich so langsam auf das Hauptereignis des Abends ein, als mich ein junger Mann anspricht: „Sind Sie Herr Gorkow?“ Ich drehe mich kurz um, er meint wirklich mich, hinter mir ist niemand, ich stehe ja auch direkt vor der Wand. Ich versichere ihm, dass ich es nicht bin, mein Gegenüber fragt noch einmal nach: „Ganz sicher?“, wobei er verschwörerisch blinzelt, als wolle er sagen: „Ich verrate es niemandem.“ Ich überlege kurz, in meinem Ausweis nachzusehen, antworte dann aber doch: „Ganz sicher.“ So richtig überzeugt scheint er zwar immer noch nicht, aber der junge Mann bohrt nicht weiter nach und kehrt zurück ins immer dichter werdende Getümmel vor der Bühne.

Während mir bewusst wird, dass ich gerade bei einem Konzert gesiezt wurde (zum Glück hat das niemand aus meiner Begleitung mitbekommen!), überlege ich, wie der richtige Herr Gorkow wohl reagiert hätte. Vielleicht hätte der ewige Vater des längst erwachsenen Sohnes in ihm gefragt: „Was hat der Junge wieder angestellt?“ Oder er hätte dem neugierigen Bengel einfach empfohlen, einen Pfeffi reinzuhauen und ihn ansonsten in Ruhe zu lassen. Wer weiß das schon?

Es ist der letzte Abend des insgesamt dreitägigen Heimspiels der derzeit angesagtesten Band Mecklenburg-Vorpommerns, nach einem Jahr der Superlative, wie es sich wohl niemand auch nur annähernd ausmalen konnte, der die Entwicklung der Band von Anfang an verfolgt hat. Ein Jahr, in dem Monchi und Freunde auch nach Auftritten mit den ganz Großen oder Nightliner-Touren zu den „Mega-Festivals“ nicht einen Moment die Bodenhaftung verloren oder ihre Wurzeln vergessen haben. Wer die Jungs am Rande ihrer Konzerte persönlich treffen konnte, wird das sicher bestätigen.

Ich hatte das Vergnügen, Auftakt und Finale des einjährigen Wahnsinns mitzuerleben. Am Anfang stand das Warmup vor dem offiziellen Album-Release am 23. Januar 2015 im Schweriner Komplex. Vor der Show gab es damals noch einen interessanten und zugleich beklemmenden Vortrag von Katharina König (Die Linke), Mitglied im Thüringer Landtag, zum Thema „Der NSU, der Staat, die Gesellschaft“. Wer damals dabei war, ist heute von verbalen Entgleisungen eines Helmut Roewer, VS-Chef in Thüringen bis 2014, nicht wirklich überrascht.

Ohnehin sind Konzerte von Feine Sahne Fischfilet niemals nur bloßes Abfeiern, sondern auch und vor allem Gelegenheit zum Zuhören und Nachdenken. Dies gelingt nicht immer und nicht allen Adressaten, wie die wiederholte Zertifizierung durch den „Verfassungsschutz“ in der jüngeren Vergangenheit bewies. Wenn man so hört und liest, was der Dienstherr dieser Behörde regelmäßig verbal absondert, erscheint die Erwähnung im VS-Bericht allerdings nach wie vor eher als Kompliment für die Haltung und das Auftreten der Band.

Natürlich leben Musiker nicht ausschließlich von Attitüde, da trifft es sich gut, dass die Band auch musikalisch eine wirklich bemerkenswerte Entwicklung genommen hat. Die oben erwähnten Gigs, beispielsweise mit den Toten Hosen oder bei Rock am Ring/Rock im Park haben die Jungs ja auch nicht im Lotto gewonnen. Die Songs machen Spaß, auf den Alben und insbesondere bei Konzerten sind jede Menge Stücke mit Ohrwurmcharakter zu hören, weil die Mischung von Text und Musik einfach stimmt, die Musiker ihre Instrumente perfekt beherrschen und schließlich mit Monchi ein Frontmann mit bemerkenswerter Bühnenpräsenz am Mikrofon steht, der scheinbar mühelos jede Größenordnung von Publikum im Griff hat.

Und nun also das Tourfinale – zwei Abende im ausverkauften M.A.U. Club Rostock, der Ticketverkauf ging rasend schnell über die Bühne, so schnell, dass mancher erst von den Konzerten erfuhr, als schon alle Karten weg waren. Ein zusätzliches Solidaritätskonzert zugunsten der Blau-weiß-roten Hilfe im Peter-Weiß-Haus am Donnerstag war (natürlich) auch ausverkauft, dort konnte ich aufgrund anderer „Konzertverpflichtungen“ nicht zugegen sein.

Die beiden Abende verlaufen bei nahezu identischer Setlist atmosphärisch doch recht verschieden. Der Freitag erinnert an ein Familientreffen, wie Eltern und Geschwister ins Geschehen auf und vor der Bühne einbezogen werden, singend bei „Geschichten aus Jarmen“ mit der blau-weiß-roten Mütze auf dem Kopf oder beim Crowdsurfing, ist einfach nur schön und strahlt Harmonie aus. Auch die Auswahl der Supportbands – „Rising“ und „La Pack“ aus Greifswald – fügt sich gut ins Gesamtprogramm, für beide ist es sicher ein Erlebnis, vor so großem, euphorischem Publikum zu spielen.

Am Sonnabend sind vor dem Konzert noch ein paar Pflichten zu erledigen, so trifft man sich natürlich beim Hansaspiel. Danach gibt es mehr als 100 Frei-Döner im (Achtung, Werbung!) besten Bistro der Stadt, dem „Diyar“. Ich bin eine kleine Idee zu spät da, gönne mir dann eben einen auf eigene Rechnung. Ob es wirklich das beste Bistro in Rostock ist, kann ich mangels Erfahrung nicht beurteilen, der Döner ist allerdings vom Feinsten. Ich weiß jetzt endlich, dass Fladenbrot nicht zwingend nach Pappe schmecken muss. Ein hier geplanter Auftritt von „Akktenzeichen“ entfällt leider wegen aktueller Ereignisse, in Lichtenhagen muss mal nach den Rechten gesehen werden. Viel gibt es dort erfreulicherweise nicht zu sehen, aber sicher ist sicher.

Motto des zweiten und nun endgültig letzten Abends im M.A.U. ist ganz klar: Durchdrehen, und zwar auf der ganzen Linie. Mit Stage Bottles eröffnen gewissermaßen Punk-Veteranen das Programm, die Songs elektrisieren das Publikum und bewegen die Stimmung schon mal zügig in Richtung Siedepunkt. Zu meiner persönlichen Freude gibt es eine treibende Version des Angelic Upstarts-Klassikers „Solidarity“, einfach grandios!

Nach einem kleinen Gruppenfoto unter dem Motto „Rostock sagt Moin“ steigt dann eine gigantische Abrissparty, bei der kein Auge beziehungsweise keine Körperfaser trocken bleibt. Ich halte mich vorsorglich am Rand des Saales auf, da ich es nicht mehr so mit dem Herumtoben habe, wer von Punks gesiezt wird, darf das aber auch, oder? Die Luft brennt, das Publikum ist noch einen Zacken tanzfreudiger als am Freitag, es geht richtig gut zur Sache. Sogar eine kurze Unterbrechung wird nötig, als in der ersten Reihe ein kleiner Schwächeanfall auftritt, dies wird aber von Band und Umstehenden sofort bemerkt und gut gelöst.

Natürlich darf an einem Hansaspieltag, noch dazu nach der tollen Geburtstagschoreografie im Ostseestadion, ein Song nicht fehlen: Bei „Ostrava“ verstärken bekannte Gesichter der Fanszene das Line-up, der eine oder andere findet daran so sehr Gefallen, dass man ihn nach dem Lied kaum wieder von der Bühne bekommt, so dass das Konzert kurzzeitig aus dem Takt zu geraten droht, aber auch das wird schnell „repariert“. So ist das manchmal eben live.

Zum Ende hin wird es dann wieder emotional. Mit den letzten Songs der Tour hält Monchi noch einmal kurz Rückschau auf das bewegteste Jahr der bisherigen Bandgeschichte, verbunden mit dem Ausblick, das Hier und Jetzt zu genießen, da ja doch keiner weiß, was in ein paar Jahren, nach dem Hype sein wird. Alle setzen sich hin, „Weit hinaus“ fängt die Stimmung perfekt ein, dann ist Schluss. Feine Sahne Fischfilet ist nach einem Jahr auf großer Fahrt zu Hause.

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