Hanseator

Musik, Fußball und manchmal auch ein bisschen Hansa

Una serrata italiana

2 Kommentare

Zucchero – Black Cat Tour 2017

Schwerin, Freilichtbühne im Schlossgarten, 19. Juni 2017

Es ist der bisher heißeste Tag des Jahres, genau die richtigen Umstände, um im Spannungsfeld zwischen Iron Maiden und Feine Sahne Fischfilet auch mal meine romantische Ader auszuleben. Dankenswerter Weise ist die Sonne zu Beginn des zweistündigen Konzertes hinter den Baumwipfeln rund um die Freilichtbühne im Schweriner Schlossgarten abgetaucht, der jetzt auf der Anlage liegende Schatten sorgt für erträgliche Temperaturen. Hin und wieder streicht ein laues Lüftchen durch die Reihen, als Zuschauer lässt es sich am Ende eines heißen Tages jetzt echt aushalten. Die Künstler auf der Bühne haben es unter zahlreichen Scheinwerfern nicht so gut, aber das ist Berufsrisiko.

Zum wiederholten Mal wischt sich der berühmte Sänger aus Italien nach einer halben Stunde Konzert mit einem Handtuch den Schweiß aus dem Gesicht, bevor er sich dem Publikum zuwendet: „Ich freue mich hier zu sein. Ist das heiß hier, wie im Sommer in Italien.“ Es ist das erste Mal, dass der Künstler die Zuschauer direkt anspricht, bis dahin sind ohne verbale Unterbrechung Songs aus dem aktuellen Album „Black Cat“ zu hören, garniert mit gelegentlichen Mitklatsch-Aufforderungen. Nach der Begrüßung der etwa 3000 Konzertbesucher kündigt der Maestro nun für den zweiten Konzertteil einen Streifzug durch ältere Alben an. Und – nicht unwichtig: „Natürlich dürft ihr aufstehen und tanzen.“ Mit entsprechenden Gesten an die zu seinen Füßen Sitzenden und ins weite Rund verleiht er seinen Worten Nachdruck.

Ja, es gibt tatsächlich Sitzplätze. Die Bestuhlung des Innenraumes ist die erste (und einzige) negative Überraschung, nachdem die etwa 80 Meter lange, sehr disziplinierte Schlange vor dem Einlass in recht annehmbarer Zeit überwunden ist. Bei meinem Eintreffen, etwa eine Stunde vor dem angekündigten Konzertbeginn, gibt es zu ebener Erde vor der Bühne kaum noch freie Plätze. Was soll‘s, die Sicht von den erhöhten Plätzen ist ja auch nicht so schlecht, also lasse ich mich auf den zu diesem Zeitpunkt noch sonnendurchfluteten Stufen nieder. Vorher gönne ich mir noch ein Stück leckere Pizza und ein Kaltgetränk, leider gibt es nur kleine Gebinde, da nicht genügend 0,5-Liter-Becher vorhanden sind. Egal, positives Denken: Muss ich später zwischendurch wenigstens nicht dem Ruf der Natur folgen.

Allmählich füllt sich der Zuschauerbereich, inzwischen lassen sich auch Leute auf dem Hang rechts und links von den Sitzstufen nieder, auch hinter den Stuhlreihen nehmen immer mehr Menschen Aufstellung. Es ist heute mal ein Abend, an dem ich zu denen gehöre, die den Altersdurchschnitt im Publikum senken, das kommt ja nicht mehr so oft vor.

Mit der akademischen Viertelstunde Verspätung beginnt das Konzert, die 13-köpfige Band betritt die Bühne und startet das Intro, wenig später steht dann Zucchero Fornaciari höchstselbst vorn am Mikrofon. Auf seinem Kopf trägt er den charakteristischen Hut, ist damit allerdings nicht der einzige, denn auch Bassist Polo Jones und Hammond-Legende Brian Auger bedecken ihre Häupter. Ebenfalls von der Partie sind Kat Dyson (u. a. Prince) an der Gitarre, Queen Cora Dunham (Percussion, u. a. Beyoncé) und weitere erstklassige Instrumentalisten.

Wie schon erwähnt, kommen die Musiker gleich zur Sache, das aktuelle Album „Black Cat“ wird ausführlich vorgestellt. Große musikalische Überraschungen gibt es nicht, die Songs bilden die bekannte Mischung aus großen Melodien mit bombastischen Arrangements, schnellen, druckvollen Rocksongs und leisen, melancholischen Tönen mit Blues-Anstrich. Über allem thront die markante Stimme des Sängers, die sich scheinbar mühelos jeder Stimmung anpasst, was auch für bisher unbekanntes Material sofort eine gewisse Vertrautheit erzeugt. Das Publikum geht jetzt schon begeistert mit, einige wenige „Rebellen“ verweigern sogar das Sitzen – Rock‘n‘Roll will never die!

Im zweiten Teil des Konzertes, jetzt also, wie erwähnt, mit „Steh- und Tanzerlaubnis“, bekommt das Publikum einige der erhofften großen Erfolgssongs aus dem langjährigen Schaffen des Künstlers. Erster Höhepunkt ist „Il volo“, für die perfekte Atmosphäre ist es leider viel zu hell, es wird auch bis zum Ende des Konzertes nicht wirklich dunkel. Irgendwas ist immer. Bei den rhythmisch intensiven „Vedo nero“ und „Chocabeck“ kommt richtig Bewegung in die Massen, bei etwas niedrigerem Altersschnitt würde man wohl von „Durchdrehen“ sprechen. Irgendwie macht es Spaß, die Begeisterung zu erleben, mit der auch die „reifere Jugend“ wie Springbälle durch die Gegend hüpft.

Einen nicht unwesentlichen Teil des musikalischen Schaffens Zuccheros nehmen gemeinsame Produktionen mit anderen Künstlern ein, so zum Beispiel Paul Young, Eric Clapton, Mark Knopfler, Randy Crawford, Bono. Die können natürlich nicht alle mit auf Tour gehen, aber ein ganz besonderes Duett bekommen wir doch geboten: „Miserere“ mit Einspielung der Stimme des 2007 verstorbenen Luciano Pavarotti. Viele halten den Atem an, ein beeindruckender Moment. Wenn es doch nur nicht so hell wäre …

Zwischendurch überlässt der Meister die Bühne für zwei Stücke seiner Band, dabei erklingt zur allgemeinen Überraschung auch ein Cover von Avicii‘s „Wake me up“, das nach meinem Geschmack aber nicht so richtig ins Programm passen will. Zum Glück übernimmt der Chef danach wieder.

Das bekannteste Lied wird – sehnsüchtig erwartet – schon bei den ersten Takten mit einem Raunen begrüßt. „Diamante“ untermalt akustisch die endlich einsetzende Dämmerung, in dem Moment wird deutlich, was für eine schöne Konzertatmosphäre die Freilichtbühne doch erzeugen kann. Fehlt nur noch freie Sicht auf das Schloss.

„Diavolo in me“ setzt den Schlusspunkt hinter den zweiten Konzertteil, die Musiker verschnaufen kurz hinter der Bühne und kommen dann noch einmal für zwei Nummern heraus: „Guantanamera“ versetzt alle für einige Minuten in die Karibik, bevor mit „Senza una donna“ der zweite absolute Pflichtsong erklingt, ohne den man den Künstler wohl auch nicht hätte gehen lassen dürfen. Ein toller Abend ist zu Ende.

2 Kommentare zu “Una serrata italiana

  1. Ich bin zwar kein Fan von Zucchero, aber Dein Bericht ist so gelungen, dass ich in das Konzert eintauchen und es genießen konnte!

    Liebe Grüße aus dem auch heißen Wien,

    Sori

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