Festivalhopping mit Feine Sahne Fischfilet
Teil 1: Rocco del Schlacko, Püttlingen, 9. August 2018
Now I’ve had the time of my life
No, I never felt like this before …
„Kannst du im Bus schlafen?“ Die wichtigste Frage wird mir noch vor dem Einsteigen in den Nightliner in Berlin gestellt. Also, wenn ich in der Zeit meines „Ehrendienstes“ eins gelernt habe, dann jede sich bietenden Gelegenheit zu nutzen, einen durchzuziehen, egal, wie ruhefeindlich die Umgebung ist. Meine Antwort kann daher nur lauten: „Ich hoffe, die anderen können es.“ Rückblickend betrachtet, war das wohl in den vier gemeinsam im rollenden Schlafsaal verbrachten Nächten der Fall, jedenfalls sind keine Klagen über unangemessene Lärmbelästigung zu mir durchgedrungen.
Zwei Busse starten am Mittwochabend von Berlin aus zu einer ganz besonderen Tour. Die Reise führt nach Püttlingen, Rothenburg ob der Tauber und Eschwege und von dort aus wieder zurück in die Hauptstadt. Kenner der Festivallandschaft im deutschen Süden und Südwesten wissen Bescheid: Es geht nacheinander zum „Rocco del Schlacko“, „Taubertalfestival“ und dem „Open Flair“. Im ersten Bus befinden sich Leute, die an solche Ausflüge gewöhnt sind, die Musiker und Crew von Feine Sahne Fischfilet, während das zweite Gefährt von „Touristen“ in Beschlag genommen wird.
Natürlich sind die Reisenden alles andere als Touristen, es handelt sich hier um DEN musikalischen Geheimtipp des Musiksommers 2018, und sowohl Musiker als auch Management von Feine Sahne Fischfilet lassen während der drei Festivalauftritte keine Gelegenheit aus, ihre Freude über die erfolgreichen Bemühungen kund zu tun, den Shanty-Chor „Rostocker Domspatzen“ für die Mini-Tour zu verpflichten. Und womit? Mit Recht. Die Festivalteilnahme ist aber vor allem ein Dankeschön der Band an Freunde, die sie schon seit Jahren begleiten und so auch beim jüngsten „Wasted in Jarmen“ tatkräftig und ehrenamtlich in verschiedenen Funktionen unterstützt haben und dies auch weiterhin tun werden.
Die erste Nacht im Bus verläuft (wie übrigens auch die folgenden) komplett störungsfrei. Die in Länge und Höhe unerwartet großzügig gestalteten Bettkabinen lassen selbst für mich ausreichend Bewegungsfreiheit, ich muss also keine Angst haben, mich oder andere zu verletzten, falls ich im Schlaf plötzlich um mich schlagen sollte. Einzig störend sind die nach der großen Hitze der vergangenen Tage noch recht hohen Temperaturen, aber mit jeder Stunde Fahrzeit gewinnt die Klimaanlage mehr und mehr die Oberhand. Motoren- und Fahrbahngeräusche überlagern, wie es aussieht, meine Atemzüge. Gut so!
Gewohnheitsmäßig werde ich gegen 7 Uhr wach, wir machen gerade eine kurze Pause an einem Rasthof bei Ramstein. Ich war hier schon mal vor Jahren, sicher im Zuge eines Hansa-Spiels, entweder in Saarbrücken oder auf dem Betzenberg. Wie der Kaffee damals war, habe ich vergessen, heute hilft er mir angemessen in den Tag zu starten. Gegen 9 Uhr erreichen wir unser erstes Reiseziel, Püttlingen im Saarland. Ich verlasse mit dem Bus zugleich mein gewohntes Leben und betrete eine mir komplett neue Welt. Auf mich warten drei Tage voller Erfahrungen, die ich mir so im Traum nie hätte ausmalen können, und für die ich der Band, der Crew und meinen Chorkolleg/innen auf ewig dankbar sein werde.
Die Sonne strahlt ohne Erbarmen vom saarländischen Himmel auf uns herab, als wir nach einem ausgiebigen Frühstück eine erste kleine Besichtigungsrunde über das Festivalgelände drehen. Es gibt zwei Bühnen, auf denen abwechselnd gespielt wird, wir teilen uns heute die Hauptbühne am Sauwasen mit Silverstein, In Flames und Kraftklub, auf dem „Ponyhof“ sind, zum Teil zeitversetzt, Donots, Zeal & Ardor und The Menzingers zu erleben.
Die Hauptbühne macht einen gewaltigen Eindruck auf mich, der Gedanke, dort in ein paar Stunden vor Tausenden aufzutreten, die mich auch noch über zwei riesige Screens sehen können, ist anfangs etwas verstörend, andererseits kennt mich am Sauwasen koi Sau, also … what shalls, wie die Engländer sagen würden, wenn sie ihre Sprache besser beherrschen würden.
Um die Mittagszeit verdunkelt sich der Himmel, ein Unwetter ist im Anmarsch: Starkregen, Windböen, Gewitter. Wie ich später erfahre, steht sogar eine Absage der Veranstaltung im Raum. Wir haben Glück, es regnet zwar eine Zeitlang sehr heftig, auch der Wind ist nicht von schlechten Eltern, aber der Kern des Gewittergebietes zieht in einiger Entfernung vorbei. Um 15 Uhr treffen wir uns zur historischen ersten (und letzten) Chorprobe. Auf dem Programm steht unser Beitrag zu „Wo niemals Ebbe ist“, als Vollprofis singen die wenigen, die das Lied (noch) nicht können, natürlich vom Blatt. Schon im ersten Versuch wird klar, dass das nur gut werden kann.
Um 18:15 Uhr, fünf Minuten nach der geplanten Zeit, legt die Band los. Es wird ein Abriss allererster Güte. Das Publikum auf der gut gefüllten Fläche vor der Bühne ist bestens aufgelegt. Höhepunkt ist die Begrüßung von Freunden der Band aus dem Saarland auf der Bühne, die „Saarland asozial“-Fahne ist in den letzten Jahren auf fast jedem Feine-Sahne-Gig präsent, Anfang 2018 hatte die Band sogar als Geburtstagsüberraschung für Alex aus Wolfersweiler ein Wohnzimmerkonzert gespielt.
Und so wird die Show beim Rocco del Schlacko mehr oder weniger ein Heimspiel. Als Monchi das letzte Lied ankündigt, ist unser großer Moment gekommen. Wir stellen uns links und rechts von Olafs Schlagzeug auf und treiben auf einer Welle der Euphorie durch die nächsten Minuten. Ehe wir uns dessen richtig bewusst sind, ist es auch schon vorbei, wir sind nicht mal sicher, ob wir überhaupt zu hören waren. Und doch ist es gigantisch. Unter dem Jubel des Publikums gehen wir von der Bühne, hinter der nun eine feuchtfröhliche „Premierenparty“ steigt, in deren Verlauf unter dem Motto „Grenzen weg!“ der berüchtigte Karl-Dall-Smashhit „Heute schütte ich mich zu“ in die Tat gesetzt wird:
Heute wackelt hier die Wand,
und was kümmert mich der Brausebrand?
Gegen 22 Uhr beginnt das Konzert von Kraftklub mit dem Beck-Cover „Karl-Marx-Stadt“. Ich sehe die Band heute zum ersten Mal und verfolge den Anfang des Programmes von vor der Bühne. Der von Feine Sahne begonnene Bühnenabriss wird von den Chemnitzern konsequent fortgesetzt. Die Band wird dabei von zahlreichen Tänzerinnen und Tänzern unterstützt. Grundsätzlich bin ich kein großer Fan derartiger Einlagen, da meiner Meinung nach Songs für sich selbst stehen sollten, aber die gut choreografierten und umgesetzten Bewegungsabläufe ergeben zusammen mit der Musik von Kraftklub ein stimmiges und mitreißendes Gesamtpaket.
Nach etwa 10 Minuten begebe ich mich wieder nach hinten und verfolge die weitere Show von der Bühnenseite aus. Kurze Zeit später folgt ein weiterer unerwarteter Höhepunkt unseres ersten Tour-Abends. Zusammen mit den Donots und SXTN performen Monchi am Mikrofon und Olaf am Schlagzeug „Blitzkrieg Bop“, wir dürfen auch nochmal mit raus, unser Part besteht darin, völlig durchzudrehen. Das gelingt uns, die Euphorie lässt bis zum Ende der Show nicht mehr nach und mündet in einer gewaltigen Backstage-Sause, bei der die Wände wackeln. Aber das sagte ich, glaube ich, schon.
Während sich nach und nach alle zur geplanten Weiterfahrt am Bus einfinden, erfahren wir von den Donots, dass diese nach Osnabrück weiterfahren, wo ein Konzert mit den Dropkick Murphys und Fiddlers Green auf dem Plan steht. Nein, einen Chor brauchen sie dabei nicht. Aber wir haben ja auch eigene Pläne. Unser nächtlicher Weg führt uns nach Franken, ins schöne Rothenburg ob der Tauber, mit dem Taubertal Festival wartet das nächste Highlight auf uns.
Setlist Feine Sahne Fischfilet
Zurück in unserer Stadt * Alles auf Rausch * Solange es brennt * Mit Dir * Schlaflos in Marseille * Wir haben immer noch uns * Niemand wie ihr * Geschichten aus Jarmen * Wut * Warten auf das Meer * Zuhause * Komplett im Arsch * Wo niemals Ebbe ist
15. August 2018 um 12:04
Schön und flüssig, fast süffig, geschrieben – da steigt die Vorfreude auf das nächste FSF-Konzert :-)))