Hanseator

Musik, Fußball und manchmal auch ein bisschen Hansa

Das Stöhnen Mannheims

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SV Waldhof Mannheim – F.C. Hansa Rostock 1:1, Carl-Benz-Stadion, 29. September 2019, 3. Liga, 10. Spieltag

Ist es möglich, über ein Spiel in Mannheim zu schreiben und dabei komplett ohne Anspielungen auf seltsame Musik(er) auszukommen? Ein Selbstversuch.

Eines war von vornherein klar: Dieser Weg wird kein leichter sein. (Da geht es schon los, Versuch im ersten Absatz gescheitert!) Sonderzug oder Bus sind für mich aktuell keine Optionen, erfreulicherweise darf ich bei einem bekannten Hansafotografen im Auto mitfahren. Die einfache Entfernung von Schwerin nach Mannheim beträgt knapp 700 Kilometer Fahrstrecke, als Bonus gibt es schier endlose Baustellenabschnitte, inclusive einer nächtlichen Vollsperrung der A7 kurz vor Northeim, die eine unfreiwillige Safari über Straßen, die geringfügig besser mit Fahrbahnmarkierungen und Wegweisern ausgestattet sind als Feldwege in Ostvorpommern, zur Folge hat.

Unser Navi aus französischer Produktion ficht dies nicht an: Bitte biegen Sie rechts ab.“ … „Fahren Sie weiter gerade aus.“ … „Demnächst links halten.“ … So geht es in einem fort, während kaum merklich die am Fahrbahnrand aufgestellten Umleitungsschilder immer weniger werden. Dass die per GPS für uns ausgesuchte Route plötzlich beinahe an einer nur für den landwirtschaftlichen Verkehr freigegebenen Durchfahrt jäh endet, kann ja mal vorkommen, ist aber halb so wild, solange die uns offenbar in blindem Vertrauen folgenden Fahrzeugführer hinter uns nichts zu meckern haben und – noch wichtiger – nicht hessische Wegelagerer im Straßengraben auf ihre Gelegenheit lauern. Ihr merkt schon: eine völlig normale Auswärtsfahrt Nordost-Südwest durch Niedersachsen und Hessen. Ich bin echt lange nicht mehr so weite Strecken gefahren. (Ein kurzer Blick ins persönliche Archiv gibt mir Gewissheit: Mein letzter vergleichbarer Ausflug führte vor einem Jahr nach Großaspach.)

Mein tapferer „Chauffeur“ steuert unsere Kogge auf Rädern äußerlich unbeeindruckt zu unserem Reiseziel. Witzig wird es in unmittelbarer Umgebung des Carl-Benz-Stadions, als wir wiederholt versuchen, einzelnen mutmaßlich ortskundigen Ordnungs- und Sicherheitskräften den richtigen Weg zur Presseakkreditierung und von da aus weiter zum Gästeparkplatz zu entlocken. Sie sind alle – egal ob mit oder ohne Uniform – ausgesprochen freundlich und zuvorkommend, unglücklicher Weise aber auch „ned von Monnem“, was den Safari-Charakter unserer Tour bis zum letzten Meter aufrecht erhält. Egal, geschafft!

Vom Parkplatz bis zum Gästeeingang ist es nur ein kurzer Fußweg, den wir tatsächlich bewältigen, ohne die Hilfe lokaler Scouts in Anspruch nehmen zu müssen. Die Sonderzugfahrer sind noch nicht am Stadion, das heißt, ohne Anstehen geht es zügig in den Block, ein schönes Stück Oldschool-Stadionarchitektur im Stil der 1990er Jahre – ohne überflüssigen Schnickschnack, so macht Fußballgucken Spaß.

Da es keine bauliche Verbindung zwischen der Gästetribüne und den beiden Geraden gibt, stehen alle drei Blöcke hinter dem Tor tatsächlich für die angereisten Fans zur Verfügung, ohne dass noch irgendwelche „Pufferzonen“ freigehalten werden müssen. So vergeht die Zeit bis zum Anstoß ganz unaufgeregt, das Choreo-Material (eine tribünenüberspannende Blockfahne und Doppelhalter in Blau, Weiß und Rot) kann in Ruhe und ungestört vorbereitet und verteilt werden.

Zum Einlaufen der Mannschaften zeigen beide Kurven stattliche, aufwändige Choreografien und setzen damit schon mal optische Glanzlichter. Der notorische Klugscheißer in mir kann es sich nicht verkneifen darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Choreografie“ streng genommen aus dem Ballettwesen stammt, es aber irgendwie in das Vokabular der Fankultur geschafft hat. Dabei kommt das Wort noch nicht mal aus dem Italienischen. Irgendwer muss ja mal damit angefangen haben, vielleicht als die ersten geschlossenen Hüpfaktionen in den Fanblöcken einstudiert wurden, nach dem Motto „Tanze deinen Verein“, möglicher Weise bei einem Spiel von Waldorf Mannheim?

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(c) Foto: Se_Ahr

Heute tanzen die „Buwe“ an allen Fronten. Wird interessant zu beobachten, ob im stolz vom Heim-Anhang präsentierten Partymobil die Tanzfläche ausreichend groß dimensioniert wurde.

Ja, ja, der Panzer. Das heute soll wohl das Vaterlandsgeschwurbel bei unserem Pokalspiel gegen Stuttgart aufgreifen? Der Trend in den Kurven scheint überhaupt derzeit zu schrägen Bildern zu gehen. Nach Dynamos „Krieg dem DFB“ vor zwei Jahren in Karlsruhe nun also die nächste Steigerung.

Es ist zwar nicht komplett unlustig, wenn du vom Parkplatz (der heißt übrigens Friedensplatz!) in den Gästeblock kommst und in die Mündung einer Panzerkanone schaust, aber bei aller im Fußball üblichen Kampf- und Krampf-Rhetorik (nicht zuletzt auch in den Medien) würde ich es mir manchmal doch eine Spur dezenter wünschen. Zu Thema Fronten wird ein guter Freund von mir nach dem Spiel launig bemerken: „Mehrfrontenkriege gehen meistens verloren.“

Glück haben wir mit der Musikauswahl der Gastgeber, mit „Fanfare for the common man“ wird eine der nach meinem Geschmack am besten für Sportveranstaltungen geeigneten Melodien (leider nur kurz) angespielt, es folgen das unvermeidliche „Rufo‘s Theme“ und ein Waldhof-Lied, dessen Text über die wohltuend leisen Lautsprecher im Gästeblock kaum zu verstehen ist und es nicht in mein Gedächtnis geschafft hat.

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(c) Foto: Se_Ahr

Die gut gefüllte Gästetribüne erstrahlt in den Rostocker Farben, unterstützt wird das mit passendem Rauch und schicken Leuchtkügelchen – insgesamt ein schöner Anblick und ein gutes Beispiel für angemessenen Pyro-Einsatz: keine Böller, es fliegt nichts auf den Platz oder in andere Blöcke.

Zum Spiel gibt es nicht übermäßig viel zu sagen. Wir sehen ein insgesamt gerechtes Unentschieden. Jede Mannschaft kann eine Halbzeit für sich beanspruchen. Breiers Führungstreffer kurz nach dem Seitenwechsel reicht leider nicht für den erhofften Auswärts-Dreier, dass der Ausgleich von einem Ex-Rostocker erzielt wird (Ich wette, der TV-Reporter hat gesagt „AUSGERECHNET!!!!!“), rundet den durchwachsenen sportlichen Gesamteindruck irgendwie ab. Ein Spiel wie ein Naidoo-Song: Schmerzen über Schmerzen, am Ende ist man nur noch froh, dass vom Stöhnen Mannheims keine Schäden zurückbleiben.

Sehr erfreulich, dass es außerhalb des Stadions keine Nebengeräusche gibt, was nach der martialischen Mobilmachung ja auch anders hätte ausgehen können.

Nächster Stopp: Heimspiel gegen SV Meppen am Sonnabend, dem 5. Oktober. Bis dann!

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