Hanseator

Musik, Fußball und manchmal auch ein bisschen Hansa

Im Pokalfieber

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VfB Lübeck – F.C. Hansa Rostock, 30. Juli 2022, Stadion Lohmühle, DFB-Pokal, vor dem Spiel

Langsam und beständig lässt der Gesichtsmuskelkater vom dreitägigen Dauergrinsen seit unserem Gastspiel im Volksparkstadion nach. Es war aber auch traumhaft schön. Nun ist es Zeit, zur Pflicht zurückzukehren, und die heißt DFB-Pokal. Wie immer stand am Anfang die Auslosung der 1. Hauptrunde am 29. Mai. Dabei vollzog Hansa einen weiteren symbolträchtigen Schritt auf dem langen Weg „up where we belong“. In der Rangliste der deutschen Profivereine beendeten wir die Saison 2021/22 auf Platz 31, Hansa fand sich daher erstmals seit 2009 zur Auslosung der ersten Runde wieder im „Profi-Topf“. Was bedeutete das konkret? Die Frage vor der Auslosung war nicht mehr, gegen wen wir wohl spielen dürfen. Nein, jetzt hieß es wieder „spielen müssen“, kein Heimspiel, eine mögliche Blamage gegen Fünft- oder Sechstligisten oder Schlimmeres im Hinterkopf.

Wie hatte ich das vermisst, aber viel mehr noch die vorhersehbaren Gesichtsentgleisungen bierseliger Dorfclubpräsidenten, die in ihren Vereinsheimen noch selbst am Zapfhahn stehen. So groß war die Vorfreude auf Bayern, der Ehrenplatz für das gemeinsame Foto mit Franz und Uli im Goldrahmen über dem Stammtisch war schon ausgesucht. Und nun Hansa?! Ganz liebe Grüße nach Hasborn-Dautweiler, wir werden 2007 nie vergessen.

Nun kam es ja ganz anders, das Los bescherte uns einen Ausflug nach Lübeck, zum „Küstenderby“, wie die Sportschau-Moderatorin sofort geistesgegenwärtig feststellte. Zum Glück gibt es in meinem Wohnzimmer keine Pressefotografen, ich hatte in dem Moment wahrscheinlich den gleichen Gesichtsausdruck wie einer dieser südwestdeutschen Mäzene: Ein Traumlos sieht für mich nämlich anders aus. Nun denn, die Ansetzung hat positive wie negative Aspekte, die sich kaum trennen lassen.

Schlagbarer Gegner

Das sagen wahrscheinlich beide. Im bisher einzigen Hansa-Pflichtspiel in Lübeck blieben die Punkte an der Lohmühle. Kleiner Vorteil diesmal für Hansa: Wir haben schon zwei Ligaspiele absolviert, gerade das letzte sollte unseren Spielern schon ein wenig zusätzlichen Schwung mitgeben. Im Übrigen gelten, wie wir ja alle wissen, im Pokal „eigene Gesetze“, also lassen wir den Dingen einfach ihren Lauf.

Geographische Nähe

Die relativ geringe Entfernung zwischen beiden Städten bedeutet einen vergleichsweise kurzen Anreiseweg für (fast) alle Stadionbesucher bei zugleich großem Publikumsinteresse. Das kann enormes destruktives Potenzial bergen: Der Weg zum Spiel, egal, ob auf Straße oder Gleis, und erst recht das unmittelbare Umfeld der Lohmühle sind für alles mögliche geeignet, aber sicher nicht für die konfliktarme Bewältigung großer Menschenströme, innerhalb derer auch noch die Fantrennung praktiziert werden muss. Und egal, wie kurz die Entfernung von zuhause bis zum Stadion sein mag, ob auf Heim- oder Gastseite, mehr Zeit als nötig für eine spielvorbereitende Druckbetankung mit ihren Begleiterscheinungen ist für alle gegeben, die das wollen. Die Kinder! DENKT AN DIE KINDER!

Guten Gewissens dürfte ich also für ein solches Spiel eigentlich keine uneingeschränkte Besuchsempfehlung geben, es sei denn, man steht gern in einem engen, bis zur Unerträglichkeit gefüllten Block mit mieser Sicht auf das Spielgeschehen, mag hochmotiviertes Sicherheitspersonal oder nervöse Beamte mit geringem Interesse an verbaler Kommunikation. Ich will jetzt aber auch nicht so tun, als würden sich auf den Stadiontribünen nur harmonietrunkene Freunde des mehrstimmigen Chorgesangs versammeln, um gemeinsam „Kumba-ya“ zu performen. Wer sowieso schon immer wissen wollte, wie sich Legehennen in ihren Batterien fühlen, sollte das Spiel möglichst nicht versäumen.

Aber nützt ja nix, Hansa spielt nun mal da, Pokalspiele sind PFLICHTspiele, und zwar für Jede/n! Alle hin da! Es kann nur gut werden.

Eine kleine Extraportion Brisanz

Der Pokalschlager ist das erste Hansa-Gastspiel in Schleswig-Holstein seit dem abrupten Weggang des legendären, vorübergehenden Oberbürgermeisters von der Hansastadt als Minister an die Förde. Dieser viel diskutierte Transfer schlug in der Sommerpause riesige Wellen im Warnowdelta, beinahe höhere als die Flucht des (leider nicht mehr) Hansa-Leitwolfes Hanno Behrens nach Indonesien. Für beide Wechsel gilt wohl gleichermaßen: „So ein Angebot kriegst du nur einmal im Leben.“ [/Phrasengenerator aus]

An der Frage, wer nun den schwereren Verlust zu verkraften hatte, ob Kommune oder Verein, scheiden sich die Geister. Klar ist: Der pragmatische Unternehmer M. hatte sich in seinem vergeblichen Ringen mit der „deutschen Bürokratie“ (wusstet ihr eigentlich, dass er Däne ist?) komplett aufgerieben, so dass der „echte Norden“ (Selbstbeschreibung S.-H.) mit seinen Verlockungen bestimmt offene Türen einrannte. Wer wollte da den ersten Stein werfen?

Ob „CRM“ aus alter Verbundenheit zu Rostock an der Lohmühle zugegen sein wird, weiß ich natürlich nicht, aber die Gelegenheit für einen tränenreichen persönlichen Abschied ist zu verlockend. Lasst euch also nicht entgehen, wie der Gästeblock beim Schlusspfiff singt: „Wir fahren nach Haus‘ und ihr nehmt Claus!“

… und wir holen den Pokal!

Bild0997

Ende des Platzsturmes (2011)

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