Impressionen vom Groundhopping, zweiter Versuch
Die Reaktionen nach dem ersten Versuch waren ganz ermutigend, also schiebe ich mal eine kleine Fortsetzung nach, die chronologisch anschließt, ein Spiel nur, dafür ein bisschen ausführlicher.
Bei den Hopping-Beiträgen ist dann erst mal Pause angesagt, in der ich mich weiter durch Notizen und Bilder wühle. Nächste Woche ist dann wieder der F.C. Hansa dran, der zum nächsten Heimspiel die „Größten der Welt“ (Selbstauskunft) begrüßen wird. Das virtuelle Messerwetzen hat schon begonnen, es dürfte eine unterhaltsame Woche werden.
Aber jetzt erst mal ein bisschen Fußball:
03.09.22 Sportplatz Vietlübbe
TSV Vietlübbe – Ganzliner SV 3:3 (Kreisliga Westmecklenburg/Ost)
Es ist die spontane „Zugabe“ zum Spiel in Wittenberge (siehe Teil 1). Passt fast perfekt in den Zeitplan, danke nochmal an Veritas und Einheit, dass es ihr es ohne Verlängerung geschafft habt.
Das Navi geleitet uns auf der kürzesten Strecke zum Ziel. Das bedeutet schmale, holprige Chausseen und nur selten Verkehrszeichen oder Wegweiser, einmal quer durch die Prignitz, bis wir nahe Putlitz die Landesgrenze nach M.-V. hinein überqueren. Die ganze Gegend wäre perfekte Kulisse für ostdeutsche Adaptionen dieser amerikanischen Splatterfilme, in denen unheimliche Bewohner dünn besiedelter, waldreicher Regionen Treibjagden auf arglose Großstadt-Kids veranstalten, die am falschen Ort nach dem Weg gefragt haben. Also halten wir besser Abstand zu Tankstellen, die es entlang unserer vorgegebenen Route ohnehin kaum gibt, und machen die Augen ganz weit auf beim Abbiegen, damit wir nicht die Hauptrollen im nächsten Teil von „Wrong Turn“ übernehmen müssen.
So, genug gesponnen, das einzige, was uns wirklich im Nacken sitzt, ist die Zeit, schließlich wollen wir pünktlich sein. Anstoß ist um 17:00 Uhr. Wenn der Groundpunkt gelten soll, müssen wir spätestens dann auch drin sein. Die „Hopperpolizei“ kennt keine Gnade.
Wir kommen in Vietlübbe an. Die Anfahrt führt durch eine kleine Siedlung mit schmucken Gehöften beiderseits der schmalen Straße, an deren Ende plötzlich der Sportplatz auftaucht. Neben der der Zufahrt zur Parkplatzwiese wird Baumaterial gelagert. Von einem Stapel Pflastersteine grüßt leuchtend blau ein kunstvoll gesprühtes FCH-Tag. Home sweet home.
Als wir die letzte freie Parkfläche besetzt haben, sehen wir Sil vorfahren, den wir aus dem Ostseestadion kennen. Der ist komplett im Tunnel, gestresst von der Parkplatzsuche, denn die Uhrzeiger bewegen sich unerbittlich auf 17 Uhr zu. Persönliche Begrüßung und bisschen über den Tag und die nächsten Pläne schwatzen – nicht jetzt! Dafür ist später, wenn das Spiel läuft, genug Zeit. Regel ist Regel!
Sil ist im Gegensatz zu mir ein „echter“ Hopper, mit exakter Buchführung, er unternimmt sogar „Re-Visits“, und das alles mit detailgenauer Reiseplanung und -realisation. Das hier ist sein drittes Spiel an diesem Tag. In Fachkreisen nennt man das „Dreier“, während wir immerhin einen „Doppler“ vorweisen können. Krass, aber er gibt selbst zu, dass es dann für heute echt reicht. Hopper sind auch nur Menschen, was mich beruhigt. Und das wichtigste: Sie erfreuen sich am Spiel, lieben es, wenn viele Tore fallen oder überhaupt „Action“ ist, und können sich oft noch jahrelang an konkrete Ereignisse erinnern, praktisch wie Literaturfreunde, die jedes Buch, das in ihrem Regal steht, wirklich gelesen haben.
Wir erreichen rechtzeitig unsere Plätze am Spielfeldrand und saugen die einzigartige Atmosphäre auf. Sportplatz und Spiel fügen sich harmonisch in die ländliche Umgebung ein, es riecht nach Landwirtschaft, irgendwo muht eine glückliche Kuh vor sich hin. Sie scheint mit der Gesamtsituation zufrieden zu sein, wie auch wir mit dem heutigen Tag.
100 Zuschauer sehen ein abwechslungsreiches Duell, beide Mannschaften schenken sich nichts. Die Gäste haben das Spiel im Griff und führen schnell mit 2:0 (21.), aber der TSV schafft noch mit dem Pausenpfiff den Anschluss. Die Hoffnung bleibt.
In der Pause gönnen wir uns Bockwurst und Getränk in der „Dritten Halbzeit“, einem gläsernen Bierzelt mit guter Sicht auf den Platz, bestens zum Schauen geeignet, wenn das Wetter mal nicht mitspielt, also eine Art Loge, in der alle zu „VIP“ werden. Vergesst die Schickimicki-Lounges in euren Hochglanz-„Arenen“. Sehr bereichernd sind die Durchsagen zum Spielverlauf vom Sprecherturm, so dass man immer auf dem Stand des Geschehens bleibt. Sogar Hinweise für zweckmäßiges Verhalten an die, die nicht gefilmt werden möchten, werden gegeben. Nochmal zur Erinnerung: Das ist Kreisliga. Alle Achtung!
In der zweiten Halbzeit drängt die Heimelf auf den Ausgleich, es geht beiderseits etwas körperbetonter zur Sache, die „Hinweise“ von den Seitenlinien für den bedauernswerten Schiedsrichter gewinnen ebenfalls an Intensität und Lautstärke. Wer tut sich das immer wieder freiwillig an? Insgesamt bleibt aber alles im Rahmen. Mit dem 1:3 (80.) scheint alles entschieden, aber Vietlübbe gibt nicht auf und schafft tatsächlich noch den erneuten Anschlusstreffer (85.) und das umjubelte 3:3 (90.+3‘). Der Schiedsrichter ist pfiffig genug, danach sofort abzupfeifen, und irgendwie können alle mit dem Unentschieden leben. Schön war’s.
Pingback: Lage am Millerntor - 12. September 2022 - MillernTon
5. Oktober 2022 um 14:17
Bockwurst und Getränk wird ja zur inneren Stärkung immer wieder gern genommen, ganz klar, aber für mich könnte es durchaus auch mal Bratwurst sein. Und wenn dann noch zum Relaxen und Fachsimpeln ein gläsernes Bierzelt zur Verfügung steht….was will man mehr ?
Danke für den schönen Bericht!