Hanseator

Musik, Fußball und manchmal auch ein bisschen Hansa

Herz und Stolz

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SSV Jahn Regensburg – F.C. Hansa Rostock 0:3, 29. Oktober 2022, Jahnstadion, 2. Liga, 14. Spieltag

Vorgeschichte(n)

Hansa tritt die Reise nach Regensburg unter sportlich äußerst schwierigen Bedingungen an. In der Liga droht der Härtel-Elf nach einer anhaltenden Serie siegloser Spiele ein Abrutschen unter „den Strich“, also auf die den direkten Abstieg bedeutenden Tabellenplätze. Von außen betrachtet, rumort es im Verein gewaltig, die vorübergehende Suspendierung von drei Spielern aus dem Profikader lässt nichts Gutes ahnen. Ohne dass das aus ernstzunehmenden Quellen explizit so verlautet, scheint der Trainerstuhl zu wackeln wie noch nie, seit Jens Härtel bei Hansa die Verantwortung übernommen hat. Ein in vielerlei Hinsicht richtungweisendes Spiel steht bevor, das ist unstrittig.

Bei mir kommt eine persönliche Komponente dazu. Am Donnerstag, dem 27. Oktober, sind genau vier Jahre seit dem Tag vergangen, an dem mein Körper bei voller Fahrt vorübergehend auf „Standby“ geschaltet hatte, was gravierende Veränderungen im Bestreiten meines Lebensunterhaltes zur Folge und somit auch Auswirkungen auf meine Freizeitaktivitäten hat, all das überlagert von vorher nie gekannten psychischen Belastungen.

Um die Kurve zum Spiel zu bekommen: So wie „früher“ einfach in (m)ein Auto steigen und zum Fußball fahren kann ich nicht mehr, nie wieder. Zum Glück habe ich Freundinnen und Freunde, die mich fast immer mitnehmen können. Aber mir bedeutet es sehr viel, nicht vor jedem Spiel erneut Mitfahrgelegenheiten suchen zu müssen. Nun bot mir Regensburg mit dem günstigen Spieltermin und der ausgezeichneten Erreichbarkeit per Bahn die Chance, mir selbst zu beweisen, dass ich „es“ noch allein kann, wenn es mal nicht anders geht. Und mit allein meine ich auch allein, womit wir noch einmal bei „richtungweisend“ sind.

Zwischen Reiseplanung und -termin liegen fast zwei Monate, in denen immer wieder Situationen eintreten, in denen ich überlege, es ganz bleiben zu lassen, trotz schon erfolgter Bahn- und Hotelbuchungen. Oft reichen scheinbare Kleinigkeiten, die ich „vorher“ nicht mal zur Kenntnis genommen hätte, aber jetzt, wo ich selbst erlebt habe, wie die Realität jede Planung über den Haufen werfen kann, sieht das anders aus. Ein Beispiel nur: Vor kurzem, die durchschnittenen Bahnkabel. Ich habe „Visionen“ davon, irgendwo im fränkischen Hinterland allein festzusitzen, ohne zu wissen, wie ich wieder wegkomme. Anrufen kann ich niemanden, der Handyakku ist leer. Wisst ihr eure wichtigen Telefonkontakte auswendig? Eben. Aber reicht nun auch, ich bin ja gefahren.

Die Reise

Was soll ich sagen? Die Fahrt nach Regensburg verläuft beinahe völlig unspektakulär, sieht man davon ab, dass im letzten meiner drei ICE ab Nürnberg die Platzreservierungen nicht gelten, worüber ich kurz nach der Abfahrt aus Schwerin benachrichtigt werde. (Ich sag’s ja: Planung vs. Realität …). Hmm, nun sitze ich aber im Zug, also Augen zu und durch! … Augen wieder auf: Ich steige in Nürnberg in den Zug nach Regensburg, finde sofort einen freien Platz und der Zug rollt los, zwar mit 70 Minuten Verspätung, aber scheiß drauf, so bekomme ich ja sogar noch ein bisschen Geld wieder. Positives Denken ergreift von nun an Besitz von mir. Dass ich in Regensburg sofort nach der Ankunft in den richtigen Bus steige, der mich 20 Minuten später nahe meines Hotels absetzt, versteht sich jetzt von selbst. Geschafft.

Ich springe schnell zur Rückreise vor. Die verläuft wirklich komplett reibungslos, selbst auf den Bus nach KF City (meine Hood) muss ich nur 15 Minuten warten. Der fährt sonntags nur alle 60 Minuten!

Das Spiel

Ich sitze im Jahnstadion auf der Westtribüne, diagonal gegenüber vom Gästeblock, 5. Reihe, Höhe Eckfahne. Ein Traum von Stadionsitz: Bei bester Sicht auf das Spielfeld und im akustischen Kraftfeld des Hansamobs werde ich keine Chance haben, mich dessen mitreißender Wirkung zu entziehen, was übrigens auch den wenigen Einheimischen in meinem Block nicht gelingen wird. Es sind unfassbar viele Hanseaten da, darunter viele „Hansa-Touristen“, die schon in früheren Zeiten überall hingefahren sind, wenn der „Leuchtturm des Ostens“ zu Gast war, und dies weiterhin tun.

Den ersten magischen Moment erlebe ich, als die Hansa-Elf zur Erwärmung auf den Rasen läuft. Gleichzeitig läuft im Stadionfunk ein Song, der für heute zum Programm wird: Perkele mit „Heart full of pride“. Das kann kein Zufall sein. Mich durchzuckt wie ein Blitz der Gedanke, dass wir das heute schaffen werden. Zum ersten Mal habe ich einen Kloß im Hals. Als mit Spielbeginn alle Hanseaten im Gästebereich und auf „meiner“ Tribüne „Hansa forever“ zelebrieren, fangen meine Augen an, verdächtig zu jucken, mir wird gerade bewusst, dass ich wirklich hier bin, wo ich unbedingt sein wollte, allen Selbstzweifeln zum Trotz und aus eigener Kraft, und es ist gigantisch.

Die „Augenstörung“ hält fast die gesamte erste Halbzeit an, ich bin froh, dass ich trotzdem den Blick für das Wesentliche behalte. Kai Pröger. KAI! PRÖGER! Markus Kolke! Okay, die beiden haben bis hierher die herausragenden Aktionen im Spiel, aber es bleibt festzuhalten, dass wir da eine geschlossene Mannschaftsleistung sehen, mit Willen, Einsatz und viel Herz – HEART! Und kaum gelingen Tore, stellt sich Stolz ein – PRIDE! So „einfach“ ist das manchmal.

Zweite Halbzeit – das Motto ist „Deckel drauf“, oder wie Jens Härtel (JENS! HÄRTEL!) in der Pressekonferenz sagt, „erwachsen“ zu Ende gespielt. Ich habe sogar richtig Lust und Spaß, mich am lautstarken Support zu beteiligen, und das, ohne dass mich jemand „im Auge behält“, hoffe ich jedenfalls.

Mit dem … nun ja … glücklichen 3:0 (Svante, für mich ist das DEIN TOR,) ist dann endlich Gewissheit: Hansa zieht wieder einmal den „Kopf aus der Schlinge“, „liefert auf den Punkt“. Das wird auch so weitergehen müssen, da sollten wir uns nichts vormachen. Es ist und bleibt immer noch Hansa.

Randnotiz 1

Nach der insgesamt etwas zermürbenden, am Ende aber doch erfolgreichen Anreise am Freitag bin ich froh, schnell den Check-In zu erledigt zu haben, als aus dem Fernseher eine leider vertraute Stimme an mein Ohr dringt. Sie gehört Markus Söder, der den Satz „Möge die Macht mit Bayern sein,“ in sein Parteitagsmikrofon schmarrt. Was ich natürlich schon jetzt weiß, werden keine 24 Stunden später alle erfahren: Die Macht ist nicht mit, sondern IN Bayern, und ihr Name ist HANSA!

Host mi, oida Sauwaafn?

Randnotiz 2

Gute Nachricht für Freunde gepflegter Fankultur: Am Rande des Spiels war ein Kamerateam des bayerischen Independent-Labels „USK“ im Einsatz, das unermüdlich Impressionen des Gästesupports in hochauflösenden Bildern einfing. Aus gut unterrichteten Kreisen war zuletzt wiederholt zu vernehmen, dass das junge Multimedia-Startup regelmäßig vor Ort ist. Leider war nicht in Erfahrung zu bringen, ob und wann das Material veröffentlicht wird. Gerüchte besagen, dass eine DVD/BluRay mit dem Titel „Best of Gästesupport – Live in Regensburg 2022“ in Planung ist. Gestochen scharfe Bilder, die „wir“ sehen wollen, sicher interessant für viele Vereine.

Nicht nur Randnotiz

Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich bei der Vorbereitung und Umsetzung meiner Pläne unterstützt haben: die meisten, ohne sich dessen bewusst zu sein. Ganz besonders bei „Sibbi“ für die hilfreiche Entschärfung der letzten Ausrede.

Danke und liebe Grüße an die ganze #Hansabande!

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