F.C. Hansa Rostock – Hamburger SV 0:2, 5. Februar 2023, Ostseestadion, 2. Liga, 19. Spieltag
Wir hatten echt schon bessere Zeiten. Das war mal wieder ein Spiel, das niemand wirklich gebraucht hätte, aber wenigstens waren wir an der Luft. Und doch war nicht alles schlecht.
Fangen wir mit dem Positiven an:
- Die beste Nachricht kam schon ein paar Tage vor dem Spiel aus Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat das „Sicherheits- und Ordnungsgesetz in MV“ in weiten Teilen für verfassungswidrig erklärt, „… ein großer Erfolg für die Grundrechte …“, wie das Bündnis „SOGenannte Sicherheit“ in seiner Erklärung feststellt, und was während des Spiels auch mit Tapeten auf der Südtribüne gewürdigt wird. Danke an alle Beteiligten, die sich dem Gesetz vom Entwurf an entgegengestellt haben, für euren stabilen Einsatz!
- Am Spieltag ist es bis jetzt friedlich geblieben. Und mit „jetzt“ meine ich tatsächlich JETZT, während ich das schreibe, also am Tag danach. Selbst die Polizeiinspektion Rostock fand in ihrem abschließenden Statement kaum etwas zu meckern. (findet ihr sicher allein). Ich konnte nach dem 0:2 sogar beobachten, wie in den unteren Reihen meines Blockes Leute beim Schlusspfiff völlig ungeniert und für alle sichtbar feierten und trotzdem das Stadion unbehelligt auf eigenen Füßen verließen. Wer hätte es gedacht? Wo sich bekanntlich die schlimmsten Finger unter das Volk mischen und, verkleidet als Meckeropas, Treibjagden auf „Wessis“ veranstalten, dürfen jetzt schon Tore gegen Hansa offen bejubelt werden. „Die West“ ist echt nicht mehr, was sie nie war. Kaum haben wir im Ostseestadion Mehrwegbecher, sind gleich alle weichgespült.
- Wie immer, bin ich frühzeitig auf meinem Tribünenplatz erschienen, um traditionsgemäß Vorspiel-Atmosphäre zu saugen. Das Stadionprogramm rieselt leise an mir vorbei, ohne irgendwelche Aufreger zu produzieren, was schon mal an sich sehr gut ist. Man hat Ruhe, noch ein bisschen im Stadionheft oder dem amtlichen Ultra-Informationsblatt zu blättern. Die Verlesung der Mannschaftsaufstellung, besonders der Moment, als „Stadionkind“ Tabea ihren Lieblingsspieler Kai Pröger ansagen darf, holt mich emotional sogar ein bisschen ab. Und dann nach fast 80 Tagen „Hansa forever“ aus 25000 Kehlen. Einfach zu schön.
- Das Musikprogramm kommt sogar mal ohne öhde Songz aus, was niemand zu vermissen scheint. Alice Cooper fetzt sowieso viel mehr. Und jetzt alle: „POISON running through my veins …“ – MEIN Song, nach all dem Gift, das die letzten Jahre durch meine Venen strömte.
- Auf dem Platz sehe ich ein ähnliches Bild wie letzte Woche: Hansa müht sich redlich, Einstellung und Einsatz stimmen. Fast gelingt unserem Helden im vorläufigen Ruhestand JV18 sogar ein schneller Führungstreffer, aber knapp daneben ist bekanntlich auch vorbei. Ich weiß, „knapp“ ist Ansichtssache. Hansa schafft es, das Spiel gegen einen insgesamt schon stärkeren Gegner lange offenzuhalten, bis dann (mal wieder!) ein sehr unglücklicher Moment alles zunichtemacht. In Halbzeit 2 dürfen wir sogar zweimal jubeln, immerhin! Wenigstens diese kurzen Sekunden der Glückseligkeit können uns diese blöden Fußballregeln nicht nehmen.
Und was war negativ?
- Das Aussehen der Anzeigetafel beim Abpfiff, klar! Und, um ehrlich zu sein, so unglücklich unser Rückstand auch zustande kommt, sehr ideenreich oder gar erfolgversprechend wirken unsere Offensivaktionen nicht. Was soll’s? Weiter- und vor allem bessermachen.
- Beim Spiel in der vergangenen Saison war ich nicht im Ostseestadion, so dass ich gespannt dem Auftritt des HSV-Blockes entgegensah, es waren ja doch einige Jahre vergangen seit meinem letzten Mal (2008). Der Generationswechsel macht auch um den HSV keinen Bogen, der Trend geht wohl auch da zu möglichst „krassen“ (krass gewollten) Auftritten. Verschwunden ist die hamburgisch-großmäulige Lässigkeit, die ja lange Zeit aus relativ soliden sportlichen Leistungen auf dem Platz gespeist wurde und somit fast gerechtfertigt war, wobei der Gegner-Diss meist beinahe witzig, mit Augenzwinkern, vorgetragen wurde, ich würde es sogar als souverän bezeichnen. Von alledem entfernen sich die heutigen tonangebenden Akteure zunehmend, es scheint wichtiger zu sein, möglichst „aggro“ rüberzukommen. Dazu gehören wohl auch „Halbzeitaction“ und Leuchtraketen, die gezielt in Richtung der Heimblöcke abgefeuert werden. Muss jeder selbst wissen. Ich weiß, ich schreibe hier im Glashaus, also belasse ich es dabei.
Und nun? Das Tabellenende rückt immer näher, aber wir haben es in der eigenen Hand, da heraus zu kommen. Ist das Glas halb voll oder leer? Schauen wir nun erst mal am Freitag, ob es auf der Alm wirklich koa Sünd‘ gibt. Alles für den F.C.H.!
Lange Schlange am Sonntagmorgen beim Ticketverkauf für das Spiel beim FC St. Pauli, danke für das Foto an Lisa!

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