Hanseator

Musik, Fußball und manchmal auch ein bisschen Hansa

Vierzig Wochen

3 Kommentare

Thees Uhlmann „Songs & Stories“, Schloss Schwerin, 6. September 2020

„Fünf Jahre nicht gesungen“ ist der erste Track auf dem aktuellen Thees-Uhlmann-Album „Junkies und Scientologen“. Und es ist auch das Eröffnungsstück eines großartigen Konzertabends im Schweriner Schloss-Innenhof, von dem ich nur dank einer glücklichen Fügung kurz vor dem Termin erfahren habe, dass er überhaupt stattfindet. Das Event wäre sonst wohl völlig an mir vorbei gegangen. Werbung gab es kaum, vielleicht ja sogar bewusst, um nach der langen Durststrecke große Massenansammlungen dehydrierter (im übertragenen Sinne) Kultur- und Kunstfreunde zu vermeiden. Somit gebührt meinem Tippgeber ein riesiges Dankeschön.

Der Innenhof des Schweriner Schlosses bietet eine faszinierende Kulisse und den perfekten Rahmen für die Art von Musik, die heute geboten wird. Nun gut, Thees Uhlmann muss ich hier sicher nicht mehr vorstellen, obwohl ich da vielleicht nicht so den Mund aufreißen sollte. Es ist noch keine drei Jahre her, da sah ich ihn selbst zum ersten Mal auf der Bühne und kannte zu diesem Zeitpunkt auch gerade mal eines seiner Lieder wirklich. Die Zeit danach konnte ich jedenfalls gut nutzen und habe nun schon mal zwei seiner Alben und ein Buch in meinem Besitz.

Fünf Jahre also … ganz so lange hat es zwar seit meinem letzten Konzertbesuch nicht gedauert, dass ich mich mal wieder vor einer Bühne einfinden darf, aber vierzig Wochen sind auch schon eine Hausnummer. Vierzig Wochen, seit ich im Dezember 2019 zum vorläufig letzten Mal ein Konzert besucht hatte. Für Feine Sahne Fischfilet war ich eigens ins sächsische Zwickau gereist, was ja nun nicht gerade um die Ecke liegt, aber nützt ja nix. Schließlich sollte es für mich die letzte Gelegenheit sein, die Band vor ihrer angekündigten Auszeit noch einmal auf der Bühne zu erleben. Konnte ja niemand ahnen, was danach folgen sollte. Mit Feine Sahne schließt sich nun irgendwie auch ein Kreis, denn es war ja ihr „Wasted in Jarmen“, bei dem ich Thees erstmals sehen und hören konnte.

Zurück zur Gegenwart – mit dem letzten Konzert der „Songs & Stories“ Tour geht endlich meine erzwungene Konzertabstinenz zu Ende. Wie ein roter Faden zieht sich das Thema Dankbarkeit durch das Programm: Dankbare Musiker, die endlich wieder das tun dürfen, was sie am liebsten tun und womit sie ja auch ihren Lebensunterhalt bestreiten. Ein dankbares Publikum, das sich diszipliniert an die (hygienischen) Spielregeln hält, dabei manchmal gar nicht wie ein „typisches“ Publikum wirkt und doch mit konzentrierter Aufmerksamkeit und wachsender Begeisterung für eine schon sehr spezielle Konzertatmosphäre sorgt.

Dankbarkeit gebührt allen, die mit ihrer Arbeit den Abend ermöglichen und zu seinem Gelingen beitragen: Management und Techniker und nicht zuletzt Security und Platzanweiser, es war wirklich alles perfekt vorbereitet und reibungslos organisiert, so dass jede*r Besucher*in den perfekten Platz findet.

Aus jedem Song und den unterhaltsamen Wortbeiträgen strahlt die Begeisterung des Künstlers und seiner Kollegen, die Liebe zur eigenen Musik sowie die Freude, diese mit dem Publikum zu teilen, dies nach schwierigen Monaten wieder zu dürfen und zu können.

Das exzellente Trio auf der Bühne (Thees Uhlmann, Simon Frontzeck, Rudi Meier) „versorgt“ das Publikum mit klarem, gut strukturiertem Sound, jede einzelne Saite ist wirklich gut zu hören, wobei der Klang dank der akustischen Gegebenheiten im Schlosshof praktisch ein Selbstgänger ist, wahrscheinlich würde das hier auch ohne Strom funktionieren – käme mal auf einen Versuch an. Welche Lieder zur Aufführung kommen, könnt ihr unten der Setlist entnehmen. Viel darüber zu schreiben gibt es nicht, die Songs erschließen sich ja doch am besten beim Hören. Sogar kleine Ausflüge in andere Genres, wie ein paar Sekunden Death Metal oder ein kurzes Marteria-Zitat (Endboss) gibt es, es ist wirklich für alle etwas dabei. Vielleicht würde ich wieder öfter Radio hören, wenn außer dem „geilsten Hitmix“ ab und zu auch mal Songs wie die des heutigen Abends gespielt würden.

Ein Abend mit Thees Uhlmann wäre nicht dasselbe ohne seine mitunter etwas ausufernden Monologe zwischen den Songs, er ist eben auch ein begnadeter Erzähler (Baby we were born to talk?). Wer es nicht glaubt, sei noch einmal auf sein Tote-Hosen-Buch, gern auch als Hörbuch, da bekommt man eine kleine Ahnung davon, verwiesen. Stichwort: „Eisverkäufer“. Auch ein kleines Transfergeheimnis zur bevorstehenden Drittliga-Saison wird noch gelüftet, schließlich sind wir in der Hansazone, wovon sich Thees beim Spaziergang in der Schweriner Innenstadt an jedem Verkehrsschild und Laternenmast überzeugen kann. Neven Subotic, der bei der Geschichte eine wichtige Rolle spielt, wird zu Hansa kommen und als Torwart und Stürmer für den Aufstieg sorgen und wir werden alle gemeinsam beim nächsten Hansaspiel am Millerntor am Mittelkreis einen gigantischen Blumenreigen tanzen.

Oder ein legendärer Dialog mit seiner Tochter:

Darf ich dich was zu deiner Musik fragen? * Klar * Du machst Rockmusik mit deutschen Texten? * Ja. * Feine Sahne Fischfilet spielen Punk? * Ja. * Und Helene Fischer singt Schlager? * Jaha. (?) * Und warum klingt das alles gleich? … Treffer, versenkt!

Zum Ende der Veranstaltung fühle ich mich kurz in die 1970er Jahre zurückversetzt, als eine Zuschauerin einen Strauß Blumen auf die Bühne reicht. Also doch Hitparade?

Danke nochmal an Thees Uhlmann und seine Musiker für einen wunderbaren Abend, ich freue mich auf das nächste Jahr, meinetwegen auch wieder im Sitzen.

Setlist:

Fünf Jahre nicht gesungen

Danke für die Angst

& Jay-Z singt uns ein Lied

Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach HipHop Videodrehs nach Hause fährt

Junkies und Scientologen

Was wird aus Hannover

Ich sang die ganze Zeit von dir

Liebeslied

Das Mädchen von Kasse 2

Avicii

Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf

48 Stunden

Die Schönheit der Chance

3 Kommentare zu “Vierzig Wochen

  1. „Das ist nicht die Sonne, die untergeht/Sondern die Erde, die sich weiterdreht…“

    Ich habe Uhl 2x live erlebt (2011 und 2013 in Wien) und weine immer noch der verpassten, weil abgesagten, Gelegenheit am 31. Juli 2020 in Jena nach. Ich wäre dann am 1. August 2020 nach Leipzig gefahren, aber ist nun auf nächstes Jahr verschoben und „Junkies & Scientologen“ steht immer noch in OVP in meinem CD-Regal.

    Aber es wird alles gut werden und danke für Deinen Bericht, den ich gern gelesen habe!

    Liebe Grüße aus Wien,

    S.

    PS: Das Konzert von „Dritte Wahl“ findet doch noch statt?

    • Dritte Wahl findet statt, ich habe aber meine Karte weitergegeben. Ist mir derzeit mit Reise und Übernachtung doch etwas zu aufwändig. Aber im nächsten Jahr kommen sie nach Schwerin.

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