1. FC Heidenheim – F.C. Hansa Rostock 2:0, 28. Januar 2023, „Voith-Arena“, 2. Liga, 18. Spieltag
Die Reise zum Rückrundenstart nach Ostälbien hatte mich schon seit Saisonbeginn angelacht, die Entscheidung, sie nun auch wirklich anzutreten, war am Ende jedoch relativ kurzfristig gefallen, es waren zu viele Faktoren zu berücksichtigen. Sofort war klar: Nach dem in jeder Hinsicht perfekten „Piloten“ im Oktober (Regensburg) lag natürlich nahe, diesen zu wiederholen: Reise per Bahn, zwei Übernachtungen und dazwischen drei Punkte einsacken. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert. Das hat dieser zwar nicht in Gänze, aber gelohnt hat sich der Ausflug allemal, sind es doch die unerwarteten Ereignisse die das Leben oft bereichern.
Anreise
Erst mal fahren die ausgewählten Züge so exakt nach Plan, so dass es mir fast schon Angst macht, und doch ist es eine schöne Erfahrung. Sogar die hohe Auslastung der Sitzplätze tritt nach und nach ein, wie es angekündigt wurde. Winterferien eben.
Meine Reiseroute führt von Schwerin über Hamburg, Nürnberg und Aalen nach Heidenheim. Mutig, wie ich bin, trage ich eine Hansa-Trainingsjacke, ich will außerhalb der Hansazone endlich mal selbst der Gefahr ins Auge blicken. Ist ein bisschen wie in dem Grimm-Märchen über den Typen, der auszog, das Fürchten zu lernen. Ich stelle dazu fest: 1. Klasse ICE eignet sich hierfür weniger. Zwei „Ellesse“-Träger im Nachbarabteil schauen zwar etwas skeptisch drein, aber nur der freundliche Mitarbeiter im Bordrestaurant reagiert wenigstens verbal auf die Kogge: „Hansa! Das sieht man gern.“, dann lassen wir die Fäuste zum Minimalkontakt-Gruß (statt Handschlag) aufeinanderprallen. Das ist schon (fast) alles an echtem Abenteuer, worüber ich berichten kann.
Eine große Überraschung erwartet mich nach dem vorletzten Umstieg in Nürnberg, da sitzen doch nebenan „Pfütze“, „Opi“ und „Maître J.“, gute Freunde, die auf anderer Strecke, teils aus Vorpommern, hierher gelangt sind. Den Rest des Weges teilen wir, einschließlich der Ungewissheit, ob wir denn unser Ziel heute noch erreichen werden, denn unser Zug muss erst mal repariert werden. Um es kurz zu machen, wir verpassen den letzten Anschluss in Aalen, schaffen es dann aber mit wenig Verspätung, ausgehend vom Gesamtplan. Nichts gegen die Bahn!
Und: Egal, wohin uns der Spielplan führt, mit jedem Kilometer näher am Ziel wächst die Wahrscheinlichkeit, Hanseaten zu treffen. So will es das Gesetz, es gibt keinen Zufall. Und das ist gut so! Tout va bien, wie Ridge Munsy sagen würde. (Wie komme ich jetzt gerade auf den? Ach ja, ich habe gerade noch die Zusammenfassung im TV gesehen.
Am Bahnhof trennen sich unsere Wege, wir sind in verschiedenen Hotels untergebracht. Ich finde meins mittels Smartphone-Navigation. Bei meiner „Nachtwanderung“ durch menschenleere Straßen überwinde ich etwa 60 Höhenmeter, ein gutes Aufstiegstraining. Morgen zum Stadion wird es noch etwas krasser, denn dazu muss ich dann wieder abwärts und einen weiteren Gipfel erklimmen. Gibt es eigentlich so etwas wie das „Seepferdchen“ für Bergwanderer oder -steiger? Her damit!
Spieltag
Meine persönliche Bilanz in der „Voith-Arena“ seit meinem ersten Besuch dort 2011 sieht eigentlich ganz gut aus, zwei Hansa-Siege und eine Niederlage. Ich bin also guter Dinge, als ich mich auf meinem Platz schräg vor dem Gästeblock niederlasse. Nach der anstrengenden, aber erfolgreichen zweiten Bergwanderung innerhalb weniger Stunden bin ich voller Adrenalin, ein zarter Hauch von Euphorie hält die Körpertemperatur im Normbereich. Der Gästeblock füllt sich allmählich und wird sich später auf drei Blöcke hinter dem Tor erstrecken, auch in „meinem“ Block werden mehr und mehr Hansa-Devotionalien sichtbar. Regensburg reloaded – was soll hier heute schiefgehen?
Inzwischen wissen wir es ja. Hansa liefert eine ordentliche Leistung ab, besonders in der Defensive, so dass die Gastgeber praktisch keine Torgefahr erzeugen. Wir zwar auch nicht, aber vor allem in den zehn Minuten vor der Halbzeit geht ein spürbarer Ruck durch das Team, ich gehe sogar so weit, von einer Druckphase zu sprechen. Es springt leider nichts Zählbares dabei heraus, und doch macht es schon Freude, das anzusehen. Und fast hätte ja Johnny Erfolg gehabt, sein rechtes Bein ist einfach zu kurz.
Nach dem Seitenwechsel spielt Hansa in Richtung Gästeblock, was die Jungs zu beflügeln scheint, wir bekommen ein paar Torchancen zu sehen. Ein Kopfball von Verhoek trifft leider nur das Gebälk, besonders in dieser Spielphase sieht man wieder einmal das sprichwörtliche Wechselspiel von Spielverlauf und Atmosphäre, wenn der berühmte Funke zwischen Rasen und Rängen hin und her springt. Mein persönlicher Tageshöhepunkt ist erreicht, als ich aus dem Gästeblock auf meinem Platz erspäht und per Megaphone unter Namensnennung zur aktiven Beteiligung am Support aufgefordert werde. Jetzt habe ich alles erreicht, schöne Grüße an die Hansafans Schwerin!
Im Ergebnis schlägt sich all das leider nicht nieder. Die geduldig agierenden Gastgeber bekommen „ihre“ Situation etwa 10 Minuten vor dem Schlusspfiff. Bei einem Eckball steht am langen Pfosten Kleindienst frei, woran sich auch nichts ändert, während der Ball quer durch den Torraum auf seinen Kopf zusteuert und von dort aus im Netz einschlägt. „Tout va bien“ denkt jetzt auch der Torschütze, während Hansa mit leeren Händen die Heimreise antreten muss. Schade, aber kein Beinbruch. Das müssen wir nun eben gegen den ehemaligen „Dino“ reparieren, hat in der Hinrunde ja schon mal geklappt.
Nach dem Spiel treffe ich zunächst Dominic, Podcast-Betreiber („Die beste aller Zweiten“) aus Heidenheim, bei dem ich schon mal Gast in einer Sendung sein durfte. Nochmal beste Grüße an die Brenz.
Danach schließe ich meine gestrigen Reisegefährten in die Arme, weitere langjährige Freundinnen und Freunde kommen dazu, Grüße gehen nach Rudolstadt und Augsburg. Zusammen fahren wir mit einem Shuttle-Bus in die Innenstadt. Während der Fahrt ins Tal üben sich Hanseaten und Heidenheimer in einem schrägen Wechselgesang (nach der Melodie von „Row the boat ashore“), der heute mal von Fischgeruch und Spätzle handelt, eine interessante Kombination. Es gibt von dieser Darbietung keine Aufzeichnung, hoffe ich doch. Das wollt ihr nicht hören, glaubt mir.
Nach der Busfahrt muss ich mich leider aus der fröhlichen Runde ausklinken, Partyboy ist nun mal nicht mehr der Jüngste (und Fitteste sowieso). Und mein Hotel muss ich ja auch irgendwie finden. Ein Schreckensszenario entspinnt sich: Allein in kalter Winternacht, keine Ahnung, wo ich bin, und der Handyakku droht mit sofortiger Entladung, was wie der Anfang einer „Bergretter“-Folge klingt, ich sehe schon, wie der Hubschrauber abhebt. Na gut, heute ist es ein Taxi, das mich sicher „nach Hause“ bringt. Die gigantische Party im „König Wilhelm“ entgeht mir nun, aber das wird irgendwann nachgeholt.
Heimfahrt
Für die Rückreise darf ich mich einer motorisierten Schweriner Reisegruppe anschließen, was einige positive Nebeneffekte einschließt:
- Abfahrt mit geringfügiger Verspätung, die mir dafür genügend Zeit für das ausgezeichnete Hotelfrühstück lässt.
- Ankunft im warmen Zuhause gut eine Stunde vor der ursprünglich geplanten Zeit
UND
- Ich kann mit dem Stadion Lichterfelde beim Spiel FC Viktoria Berlin gegen FC Carl Zeiss Jena (1:1) sogar noch einen neuen Ground kreuzen, doch noch einen Punkt geholt!
Jetzt ist endgültig alles gut. Bis Sonntag dann. Macht euch nicht verrückt, es ist „nur der HSV“,