Feine Sahne Fischfilet – Alles auf Rausch Tour
Hamburg, Inselparkhalle, 10. Februar 2018
Nun hat sie begonnen, die erste Feine Sahne-Tour als Top 40-Band. Zuerst zu bemerken ist das am großen Menschenauflauf rund um die Inselparkhalle in Hamburg-Wilhelmsburg. Gut zweihundert Meter lang ist die Schlange, die sich sehr zähflüssig in Richtung Einlass quält. An die zwei Stunden Wartezeit liegen vor den Besuchern – jedenfalls vor denen, die sich diszipliniert hinten in die Wartegemeinschaft einreihen. Die Gelassenheit, mit der die zunehmende Zahl von Leuten, die sich das Warten ersparen und weiter vorn einreihen, zur Kenntnis genommen wird, ist beeindruckend. Ist das noch Punk?
Dem Vernehmen nach ist das heute das erste Konzert in dieser Größenordnung, das in der noch relativ jungen Halle stattfindet. Insofern können hoffentlich Besucher künftiger Veranstaltungen von den Erfahrungen beim „ersten Mal“ profitieren. Klar ist aber: Vier Schleusen bei 4000 verkauften Tickets sind doch ein bisschen wenig.
Die schattigen Temperaturen machen uns mit der Zeit doch etwas zu schaffen – nicht auszudenken, wenn jetzt Winter wäre. Unsere Herzen sind zwar noch erwärmt vom nachmittäglichen Hansasieg, die daraus resultierende innere Hitze, die uns verleitet hat, unsere warmen Jacken im Auto zu lassen (der Parkplatz ist ja gleich nebenan), verringert sich dennoch mit jeder Minute Wartezeit exponentiell. Achtung, es folgt ein Geständnis: Nach einer Stunde Anstehen und zwei Dritteln der absolvierten Schlange nehmen wir jetzt doch die Abkürzung. Die schon erwähnte beispielhafte Toleranz der Anstehenden wird auch uns zuteil. Punk eben: Accept no rules. Es tut uns leid!
Bevor wir unsere Konzertplätze aufsuchen (ich habe mich, meinem Alter angemessen, für einen Sitzplatz entschieden, meine Mitreisenden werden das Konzert vom Balkon an der Hallenstirnseite aus verfolgen), ergeben sich noch verschiedene Begegnungen mit Fußballbekanntschaften, darunter auch feindlich gesinnte, aber – wie die Fußballreporter so gern betonen – bisher bleibt alles friedlich, schöne Grüße an den „Magischer FC“-Blog.
Sogar Monchi, der wie immer vor Konzerten noch ein bisschen ins Publikum eintaucht, nimmt sich noch etwas Zeit für einen kurzen Plausch. Die Aufregung vor dem bislang größten eigenen Konzert lässt er sich kaum anmerken, man spürt aber trotzdem, dass es ein ganz besonderer Abend für ihn ist.
Das Vorprogramm bestreitet The Movement, ich mag die Jungs und ihren so englisch anmutenden Stil – sowohl musikalisch, aber auch, was das Bühnenoutfit angeht. Der Sound in der großen Halle ist leider nicht so prickelnd, die Ansagen sind auf dem Rang kaum zu verstehen, von Songtexten ganz zu schweigen. Wenigstens die traditionsgemäß zum Abschluss intonierte „Internationale“ kommt klar erkennbar durch.
In jedem Fall gelingt es den Dänen, die beim Warten auf den Einlass erstarrten Gliedmaßen wieder auf Betriebstemperatur zu bringen, wäre ja fatal, wenn es später zu Muskelverletzungen im Pit käme. Die anschließende Umbaupause neigt sich bald unter Klängen von Zugezogen Maskulin, Dead Kennedys und der wunderbaren Toten-Hosen-Version von „Halbstark“ dem Ende zu, dann wird es dunkel.
Hinter dem schwarzen Vorhang mit den Initialen der Band kommt Bewegung in Gang, die Scheinwerfer illustrieren ein Instrumental-Intro, dann fällt der Vorhang und ES GEHT LOS, ES GEHT LOS HEUTE NACHT. „Zurück in unserer Stadt“ ist einfach ein perfekter Eröffnungssong, egal ob Album oder Konzert. Das Publikum steht sofort unter Strom, Tanzlust und Sangesfreude sind besonders im Innenraum, aber nicht nur dort, grenzenlos und fast alle verfügen über eine beachtliche Kondition. Die Mitmachquote ist beachtlich und letztlich hält es mit wenigen Ausnahmen auch niemanden auf den „Sitzplätzen“.
Für das Konzert hat die Band eine gute Auswahl von Songs aller bisher veröffentlichten Platten zusammengestellt, wobei mit 10 Stücken der Chartbreaker „Sturm & Dreck“ fast die Hälfte der Setliste einnimmt, wie es sich für eine Tour zum Album ja auch gehört. Mein persönliches Highlight ist (wieder einmal) „Solange es brennt“, inclusive einer berührenden Ansage durch Monchi, der diesen Song all den guten Leuten widmet, die sich auf dem flachen Land und fernab der „Szenekieze“ gegen Rechtsruck und Fremdenfeindlichkeit gerade machen.
Der Sound ist jetzt deutlich besser als bei The Movement, auch wenn die von Konzerten in kleineren Räumen verwöhnten Ohren mitunter Schwierigkeiten bekommen, klangliche Einzelheiten herauszufiltern. Für eine Halle dieser Größe und Bauart ist es aber schon ganz annehmbar. Auffallend sind relativ häufige Rückkopplungen, aber das ist nicht so dramatisch, seit der große Neil Young diese faktisch in den Rang einer Kunstform erhoben hat.
Knapp zwei Stunden dauert die Show, neben weiteren Songs mit Message („Angst frisst Seele auf“ mit einem von Herzen kommenden Gruß an Katharina König-Preuss oder das gleichzeitig beklemmende wie beflügelnde „Suruç“) gibt es mit unverzichtbaren FSF-“Klassikern“ wie „Komplett im Arsch“ oder „Geschichten aus Jarmen“ ausreichend Gelegenheit komplett durchzudrehen.
Gegen 23:30 Uhr geht ein alles in allem sehr gelungenes Konzert zu Ende. Band und Publikum haben den Schritt in größere Hallen nun auch als Headliner gemeinsam bewältigt, ich kann jetzt schon das Tourfinale am 23. März in Rostock kaum erwarten. Bis dahin sind ja noch ein paar Konzerte zu absolvieren, schon in drei Wochen sehen wir uns in Magdeburg wieder.
Setlist
Zurück in unserer Stadt – Für diese eine Nacht – Alles auf Rausch – Solange es brennt – Stumme Menschen – Mit Dir – Ich mag kein Alkohol – Angst frisst Seele auf – Dorffeste im Herbst – Alles anders – Niemand wie ihr – Geschichten aus Jarmen – Ostrava/Solidarität – Suruç – Wut – Zuhause – Komplett im Arsch
Dreck der Zeit – Lass uns gehen – Warten auf das Meer – Wo niemals Ebbe ist – Wir haben immer noch uns – Weit hinaus