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FC Carl Zeiss Jena – FSV Zwickau 2:1, Ernst-Abbe-Sportfeld, 27. August 2018

Seit Beginn dieser Saison gibt es auch in der 3. Liga Spiele am Montagabend. Damit haben nun endlich auch in dieser Spielklasse die Europa-League-Teilnehmer die Möglichkeit zur angemessenen Regeneration nach kräftezehrenden Donnerstagsspielen am Kaukasus und strapaziöser Rückreise im Gelenkbus. Ein schöner Nebeneffekt dabei ist ein zusätzliches Livespiel in der Pay-TV-Sparte der Telekom. Nun dürfen sich auch Stadionbesucher in der 3. Liga als organischer Bestandteil einer gigantischen Marketingkampagne fühlen, fast wie die ganz in weiß gekleideten Kunden auf der Gegengerade bei den Bayern-Heimspielen in der Bundesliga: Hurra, wir sind im Fernseher!

Selbstredend hält sich die Begeisterung beim Pöbel (sprich: gemeiner Stadiongänger) in sehr überschaubaren Grenzen, der neueste Spieltermin ist einer der Hauptkritikpunkte und Tropfen, die die Fass zum Überlaufen gebracht und mit zum jüngst verkündeten Ausstieg der organisierten Fanvertreter aus dem Dialog mit DFL und DFB geführt haben.

Gleich hinter dem Einlass bekomme ich einen Flyer in die Hand gedrückt, der sich mit dem Thema Montagsspiel ausführlich beschäftigt, die Gründe fürs Dagegensein darlegt und den heutigen, spielbegleitenden Protest erläutert. Der Text ist erfreulich sachlich formuliert und kommt ohne Verbalinjurien aus, so dass berechtigte Hoffnung besteht, dass sich hier die Mehrheit der Tribünenbesucher mitgenommen fühlt. Interessant finde ich persönlich die Unterscheidung zwischen Ultras und „gemäßigten Fans“ im Text, vielleicht bin ich da aber etwas zu sprachsensibel.

img_5372An den Tribünenzugängen stehen Fans mit Spendendosen, die Erklärung „Für die Nachfinanzierung unserer Choreografie“ wird von ein paar älteren Stadionbesuchern mit einem süffisanten „Ihr meint Pyrotechnik, oder was?“ kopfschüttelnd kommentiert, Geld gibt es hier von den „Gemäßigten“ jedenfalls nicht. Die Reduzierung auf Rauch und Feuer wird dem, was in der Südkurve beim Pokalspiel gegen Union vor einer Woche auf die Beine gestellt wurde, nicht annähernd gerecht, aber in der Frage der Wahrnehmung von Fankultur hat die mediale Fokussierung auf Pyro und Gewalt ihr Werk längst getan.

Von meinem Platz auf der Haupttribüne aus habe ich gleichermaßen gute Sicht auf das Spielfeld und die beiden Supporterblöcke, nahezu ideal für den unbeteiligten Beobachter. Einzig störend und zum Teil wirklich nervtötend ist die Anwesenheit einer Gruppe jüngerer Jenaer Fans zwei Reihen vor mir, die die meiste Zeit damit beschäftigt ist, aus sicherer Entfernung die Zwickauer Anhänger zu bepöbeln und gestenreich Einladungen zu Ackermatches auszusprechen, im Bewusstsein, dass die sowieso nicht zustande kommen werden, was für die verhinderten Krieger wohl auch besser ist. Natürlich hat Jena diese Spezialisten nicht exklusiv, dieses alberne Gepose ist in allen Stadien Alltag.

Der Jenaer Teil der Südkurve bleibt in den ersten zehn Minuten des Spiels leer, das optische Statement wird mit zwei Tapeten verbal begleitet. Dazu bleibt es auf der Heimseite ruhig, keine Gesänge oder ähnliches. Zum Beginn der zweiten Halbzeit verzichtet der Jenaer Anhang erneut auf akustischen Support, zur optischen Untermalung wenden die Fans dem Platz den Rücken zu und schauen auf eine Reihe von Doppelhaltern mit Fernseh-Symbolen, dazu ist auf einem Spruchband in Großbuchstaben zu lesen: „Der Blick aufs Wesentliche geht verloren.“

Auch im Gästeblock wird gegen Montagsspiele protestiert, die Zwickauer haben dafür den akustischen Weg gewählt. Vor dem Anpfiff gibt es eine kurze Ansprache eines der drei Vorsänger, dann folgen diverse an den DFB gerichtete Sprechchöre, in die auch die hinter dem eigenen Block wartenden Jenaer Fans einstimmen. Höhepunkt der Zwickauer Aktion ist der minutenlange Lärm aus hunderten Trillerpfeifen, der dann auch den Stadionsprecher mit wiederholten Ermahnungen auf den Plan ruft.

Damit wird zwar die Absicht der Heimseite unterlaufen, mit Stille auf den Rängen zu demonstrieren, wie sich ein Spiel ohne Fans anfühlt, dafür lässt sich diese Form des Protestes auch nicht in der Fernsehübertragung ignorieren. Anfang der zweiten Halbzeit wird ein Countdown heruntergezählt, dann fliegen zahlreiche kleine Gegenstände aus dem Gästeblock auf die Tartanbahn und zum Teil bis auf den Platz. Die Spielfortsetzung ist dadurch nicht gefährdet, aber erneut geht der Aufmerksamkeitspunkt an die Gäste.

Es wird interessant, in den kommenden Wochen weitere Proteste in den verschiedenen Stadien der 3.Liga zu verfolgen. Die Ankündigung am Pokalwochenende „Ihr werdet von uns hören“ dürfte keine leere Worthülse bleiben, soviel hat das Spiel am Montagabend im Ernst-Abbe-Sportfeld schon mal klar gemacht.

Noch ein paar Worte zum Spiel: Einen besonderen Reiz brachte für mich das Aufeinandertreffen mehrerer Ex-Hanseaten in beiden Teams mit sich, die erfreulicherweise auch alle in der jeweiligen Startelf standen: Manfred Starke und Kevin Pannewitz auf Jenaer Seite sowie „Pommes“ Brinkies, René Lange und Christian Bickel beim FSV. Wiedersehen macht Freude, enttäuscht hat keiner der fünf.

Spielerisch wirkte Zwickau auf mich etwas stärker als die Gastgeber, besonders in der ersten Halbzeit hätte die Führung durchaus höher ausfallen können, unter anderem zwei Lattentreffer. Jena fiel zunächst nicht allzu viel ein, um Gefahr für das Zwickauer Tor auszustrahlen. Dafür kämpften sich die Gastgeber mit einer enormen Willensanstrengung vor allem in der zweiten Halbzeit ins Spiel zurück, zumindest der Ausgleich war durchaus verdient. Der Siegtreffer fiel dann durch einen etwas umstrittenen Strafstoß, so dass die Zwickauer am Ende mit leeren Händen die Heimreise antreten mussten. Ich denke, ein Unentschieden wäre gerecht gewesen.

Wenn nichts dazwischen kommt, steht Anfang November wieder ein Besuch im Ernst-Abbe-Sportfeld auf dem Plan, dann natürlich nicht als neutraler Beobachter, aber sicher als aufmerksamer Gast. Hoffentlich wird es kein Montag!

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