Erlebnisse beim Groundhopping, Teil 5
„Rasenballsport“ Leipzig* – Borussia Dortmund 2:0, 5. April 2023, Zentralstadion, DFB-Pokal, Viertelfinale
Es ist Montagnachmittag, „the day after Magdeburg“, als in unserer WhatsApp-Hoppergruppe jemand anbietet: „Hätte für Mittwoch noch ein Ticket Für R*…übrig.“
Hmm, eigentlich keine schlechte Idee. Ich habe gerade die blogtechnische Verarbeitung des Hansa-Desasters veröffentlicht, meine Laune ist dabei leider nicht besser geworden. Die Gelegenheit, das trübselige Warten auf das nächste Hansa-Spiel zu unterbrechen und mal auf andere Gedanken zu kommen, ist verlockend: Einfach Frust und „Hass“ (ja ja) dorthin lenken, wo es angebracht ist, also ein Angebot, das ich nicht ablehnen kann. Die Zusage ist schneller raus, als mancher Verein den Trainer wechselt. (Schluss jetzt! Keine weiteren „Scherze“ über Hansa! Außerdem: andere Gedanken!)
*Grundsätzliches
In meiner „Bubble“ – virtuell, wie auch in der Realität – verwendet niemand die Eigenbezeichnung, die das Brause-Marketing für sich gewählt hat, oder gar den Produktnamen. Namensverfremdungen, häufig jenseits akzeptabler Umgangsformen, werden dafür gern genommen, aber die finde ich oft problematisch, besonders, wenn sie mit Entmenschlichung verbunden sind und häufig seit Jahrhunderten fortbestehende antisemitische Stereotype bedienen.
Ich selbst bin wiederum nicht bereit, die in vielen Medien gängigen „offiziellen“ Abkürzungen zu gebrauchen, denn auch die werden landläufig längst mit der scheußlichen Chemikalie assoziiert. Eine praktikable Lösung haben liebe Kolleg*innen „drüben“ in Hamburg vor einiger Zeit gefunden, die sagen einfach „RaBa“.
Ich habe für mich beschlossen, „es“ bei seinem Namen zu nennen, wenn es erforderlich ist. Die Existenz dieses „Vereins“ ist leider eine Tatsache, und Ergebnisübersichten oder Ligatabellen sollten der Realität Rechnung tragen. Für mich werde ich das Dilemma zu lösen versuchen, indem ich zunächst die vollständige Bezeichnung verwende und in Anführungszeichen setze, so wie in der Überschrift. Das ist inkonsequent, aber eine mich rundum überzeugende Alternative habe ich bisher nicht. Die muss weiterhin jede*r für sich selbst finden, Dissen mit Stil.
Der Tag
Es ist für mich der 21. Besuch eines Fußballspiels im Zentralstadion seit 1977, sagt „Futbology“, der Groundpunkt ist somit ehrlich erarbeitet und mehr als bestätigt. Interessanter Weise ist das erst das vierte Spiel in diesem Stadion, bei dem nicht mein eigener Verein (bis 1993 Lok/VfB, 2013 Hansa) oder meine Nationalmannschaft (DDR) auf dem Platz steht. Einem tiefenentspannten Fußballausflug steht also nichts im Wege.
Von wegen entspannt: Anstoßzeit ist 20:45 Uhr, Verlängerung oder gar Elfmeterschießen sind auch nicht auszuschließen, und das bei einer einfachen Reiseentfernung von etwa 400 Kilometern, ohne die Möglichkeit, uns wenigstens mal am Steuer abzuwechseln, ich kann das leider nicht mehr. Das ist echt Hardcore, vielen Dank an dieser Stelle an meinen tapferen „Chauffeur“, gemeinsam meistern wir von 15 Uhr bis 3:30 Uhr alle Herausforderungen, finden im Leipziger Straßendickicht den letzten freien Parkplatz, lassen uns vom Navi nicht auf falsche Pfade schicken und widersetzen uns erfolgreich der heimtückischen, schleichenden Ermüdung. Die komplette Sperrung der A24 in unserer Fahrtrichtung und der so erforderliche Umweg durch das Brandenburger Outback machen es zusätzlich schwer.
Aber was tut man nicht alles, um vielleicht miterleben zu können, wie das fiese Marketingkonstrukt vom börsennotierten Arbeiterverein aus dem Wettbewerb gekegelt wird. Wir wissen ja nun, wie es ausgegangen ist. Ich will natürlich den Dortmundern nicht zunahetreten, aber viel besser als das, was ich seit Monaten regelmäßig bei meinem Verein zu sehen bekomme, sieht die BVB-Darbietung auch nicht aus, aber immerhin sehen wir einen Torschuss in der Nachspielzeit. Zu diesem Zeitpunkt sind wir mit Blick auf die bevorstehende Heimfahrt froh, dass wenigstens pünktlich Schluss ist. Nur gewinnen im Kampf „Gut“ gegen „Böse“ wieder einmal die Falschen, das Leben ist ungerecht.
Auf den Rängen verfolgen mehr als 47000 Menschen das Geschehen und erwärmen der ZDF-Kommentatorin das Herz, wie ich später irgendwo lese. Im Gästeblock bleibt der organisierte Support erwartungsgemäß aus. Hin und wieder verschaffen sich die Schwarz-Gelben lautstark Gehör, ein mögliches Mehr verhindern die Darbietung ihrer Mannschaft und der resultierende Spielverlauf, Business as usual, während ich mit stiller Rührung an den Hansa-Sieg 2013 zurückdenke. Es sind jetzt andere Zeiten. Sportliche Glückwünsche gehen an die Gastgeber, denn besser und erfolgreicher Fußball gespielt haben sie nun mal, auch das gehört zur Wahrheit dieses Abends. Mögen werde ich sie trotzdem niemals.